www.Crossover-agm.de DUO CONTRARIO: Konzert für Highland Bagpipe, Tin Whistle, Perkussion und Orgel
von rls

DUO CONTRARIO: Konzert für Highland Bagpipe, Tin Whistle, Perkussion und Orgel   (Eigenproduktion)

So konträr, wie es der Ensemblename assoziiert, ist dieses Duo nun auch wieder nicht. Okay, Herbert Bartmann kann sein Instrumentarium problemlos mit sich herumtragen, während Thomas Blum akute Schwierigkeiten damit haben dürfte, aber ansonsten geben sich die beiden Hauptinstrumente des Duos, die Orgel und die Highland Bagpipe, volkstümlich auch als Dudelsack bekannt, förmlich die Klinke in die Hand und harmonieren so, als wären sie geradezu füreinander geschaffen worden, obwohl gerade in Schottland seit der Reformation bis ins 18. Jahrhundert hinein die Orgel für den Gottesdienstgebrauch mehr als verpönt war (Calvin und etliche andere Reformatoren waren ausgesprochene Orgelfeinde), so daß es im Jahre 1727 in gerade mal einer einzigen schottischen Kirche eine Orgel gab. Schon der Opener "In dir ist Freude" bringt eine perfekte Synthese aus Orgel und Highland Bagpipe zu Gehör, die lediglich aufgrund der von den üblichen EG- und EKG-Sätzen abweichenden harmonischen Gestaltungen etwas gewöhnungsbedürftig klingt. In der Folge wird das Programm sehr abwechslungsreich. Jedes Instrument bekommt Freiraum für Solostücke, so die Orgel mit einer Toccata von Girolamo Frescobaldi (auf den kein Geringerer als Johann Sebastian Bach große Stücke hielt), die Highland Bagpipe mit James Malcolmesons "Mackintosh's Lament", einem Piobaireachd (schottische Sackpfeifen-Kunstmusikgattung) und die nahe verwandte Scottish Smallpipe mit einer wettbewerbsartigen Komposition von Peter MacLeod und Willie Ross ("competition type tunes" wurden speziell für die Wiedergabe bei Sackpfeifen-Wettbewerben geschrieben). Außerdem runden diverse weitere Instrumente des altbritischen Kulturkreises einige andere Stücke ab. So veredelt die irische Tin Whistle (Blechflöte) eine "Renaissance Suite" von Michael Praetorius und evoziert dabei erstaunliche Parallelen zu Ian Andersons Querflötenparts bei Jethro Tull, und schließlich taucht auch noch der/die/das Bodhran auf, eine irische Handtrommel mit einem vollen, fast paukenartigen Klang (wer Lust hat, versucht mal herauszufinden, welche der Percussions tatsächlich von diesem Instrument stammen und welche die Orgel imitiert hat). Zwar mag manch einem das komplette Programm der CD etwas zu vielschichtig vorkommen, aber man mag sich angesichts der aus Herbert Bartmanns Feder stammenden "Bulgarian Suite" mit ihren "schiefen" Taktarten (9/16 und solche Späße) vor Augen führen, daß es sackpfeifenartige Instrumente nicht nur auf den britischen Inseln gab und gibt und daß man sich deshalb nicht wundern sollte, gälische Melodik neben italienischer Renaissance oder eben bulgarischen Volksliedthemen vorzufinden. Für meinen Geschmack hätt's anstelle des einen oder anderen Solostücks lieber noch ein paar mehr der exquisiten Kombinationen Orgel-Highland Bagpipe geben können, aber gegen Ende bekommt dieser Zug in mir angesichts mehrerwähnter "Bulgarian Suite", besonders wegen deren prächtig ausharmonisierten 4. Satzes, viel Futter. Und das Beste hat man sich bis zum Schluß aufgehoben: "Amazing Grace" läßt es mir in puncto Harmonik abwechsend heiß und eiskalt den Rücken runterlaufen, als wäre dieses Stück genau für diese Be- und Umsetzung geschrieben worden. Sorry, aber da kommt kein Gospelchor und keine Rockversion mit. Als Hidden Track wird uns noch eine Liveversion von "Der Mond ist aufgegangen" serviert (den Satz kenn' ich irgendwoher, aber es ist weder der von Hermann Stern noch der von Max Reger, obwohl die erste Zeile mit letztgenanntem übereinstimmt), nicht ganz so zwingend wie "Amazing Grace", aber ebenfalls von superber Qualität. Damit endet eine einstündige Reise in für die meisten Ohren völlig ungewohnte, aber faszinierende Klangdimensionen, die sich jeder, dessen musikalischer Horizont über Billigdancefloor, Stumpfmetal und flache volkstümliche Musik hinausgeht, auf seinem "Unbedingt anchecken!"-Zettel vermerken sollte. Gleichzeitig darf dieses Review als Aufruf an alle Pfarrer verstanden werden, sich dieses Duo in ihre Gotteshäuser zu holen, um der Gemeinde ein außergewöhnliches musikalisches Erlebnis zu bieten. Zu diesem Behuf kontakte man Herbert Bartmann, Ruederstieg 9, 21224 Rosengarten, herbert.bartmann@t-online.de, www.duo-contrario.de. Das sehr informative, dreisprachige Booklet sei abschließend auch noch lobend erwähnt.




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