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von ta

THE DEVIN TOWNSEND BAND: Synchestra   (Inside Out)

Devin Townsend verdient Sympathie und Respekt. Die musikalischen Erzeugnisse des Kanadiers mögen streckenweise an Wirrnis und Orientierungslosigkeit nicht sparen (wobei selbige Charakteristika im aktuellen Blätterwald und nicht zuletzt vom Musiker selbst gerne und oft, ja: penetrant oft mit der Townsendschen Seelenverfasstheit begründet werden), sie zeugen doch vom Versuch, gängige Songwritingschemata auszusparen, Grenzen auszuloten. Der Mut zum Experiment ist sozusagen der ernste Teil, um den man wissen muss, wenn man geneigt ist, ein Album des Mannes zu erschließen. Der Witz jedoch bei Townsend ist nun der, dass die Experimentierlust nicht zuerst in den Proberaum verbannt wird, sondern mit Sicherheit immer ihren Weg auf ein Album findet, auf dem dann "Devin Townsend", "The Devin Townsend Band" oder "Strapping Young Lad" steht. Experimentier- gepaart mit Veröffentlichungslust zeitigt schließlich musikalische Resultate, die spannend sind, ohne Zweifel, die aber oft auch sehr wegstreckenhaft und unfertig wirken. Das ist nichts per se Schlimmes, kann in Einzelfällen aber unbefriedigende, weil unausgearbeitete, zu ideenarme Tracks zur Folge haben. So etwa auf "Synchestra", einem respektablen Townsend-Output, das aber den Standard, den der Mann mit Alben wie "Terria" oder "The Physicist" gesetzt hat, nicht erreicht und sich deshalb in dieser Hinsicht hinten anstellen muss. Natürlich ist "Synchestra" einzigartig, aber Einzigartigkeit garantiert ja keine Unvergleichbarkeit.
Ein Anhaltspunkt für Vergleiche ist das, was Townsends Erzeugnisse wie kein zweites auszeichnet: Die bombastischen Gitarrenwälle, die keineswegs brachial wirken (das tun sie hauptsächlich bei Strapping Young Lad), sondern stets einen breiten Harmonieteppich stellen, auf dem sich vielfältiger Gesang ausbreitet. So auch auf Teilen von "Synchestra". Allerdings ist der Gesang von Townsend über weite Strecken viel zu relaxt, um die entsprechend intensive Wirkung auch auf dieser Ebene zu erzielen. Darum verpufft auch die Wirkung des Soundwalls im Nichts. Als Beispiel mag hier "Judgement" dienen. Zwar schreit Townsend hier anfangs nett den Hörer an, aber hernach wird dem Monumentalen der Saiten-/Synthiefraktion kein Ausdruckselement beigestellt, das irgendwie zwischen Hörer und Musiker vermittelt und für sich genommen passiert eben sonst nicht viel. Stattdessen schwenkt der Song um in eine klebrige Richtung, wenn die spannungsvolle Disharmonie aus Gitarren und Keyboards in einen Dur-Akkord aufgelöst wird, der endlos weiter strapaziert wird. Aber das, nämlich das Dur-ige, Entspannte ist hier Kompositionsprinzip: Im programmatisch betitelten "Let It Roll" schockieren Country-Anklänge, die im Gegensatz zum Polka-Rhythmus in "Vampolka" auch kaum noch als Gag gewertet werden können, der Closer "Sunshine And Happiness" (der zwar als Bonustrack geführt wird, aber auf der offiziellen Albumvariante steht) offeriert in seiner beschränkten Gute-Laune-Harmonik gar ungeniert Punkrockeinflüsse. Solche Querverweise über musikalische Gattungsgrenzen hinweg waren natürlich schon immer Teil des Townsend-Schaffens und ob sie Anklang finden, hängt von den musikalischen Vorlieben des Hörers ab. (Deswegen dürfte es auch kaum jemanden geben, dem alle Townsend-Veröffentlichungen gleichermaßen zusagen.) Aber - und hier versuche ich sozusagen nicht Hörer-relativ zu argumentieren - ein Musiker, der einmal bewiesen hat, wie komplex und gleichermaßen einnehmend er innerhalb eines Songs musizieren kann, geht automatisch einen Schritt zurück, wenn er die Komplexität in einem Song zurücknimmt und der Song dann weniger einnehmend ausfällt. Und das ist hier der Fall: "Synchestra" ist Entspannungsmusik, Musik zum Nebenbeihören - und das war kein Townsend-Output vorher. Das hier ist erstmals Musik, die nicht daraufhin komponiert wurde, den Hörer herauszufordern, den Hörer, der mit Townsend-Gepflogenheiten vertraut ist, schon gar nicht. So genügt allein der gewohnt vielfältige Gesang des Maestros nicht, um das ganze Album spannend zu machen, man höre etwa "Vampira": Gut gesungen, weil vielfältig gesungen, aber von einem einfachen, bluesigen RockīnīRoll-Harmonieschema geleitet, das an den falschen Tagen schlicht langweilt. Zudem fällt spätestens hier, wenn dezente Blastbeats auftauchen, auf, dass der Drumsound diesmal zu steril und kraftlos daherkommt.
Natürlich ist die mehr oder weniger relaxte Gangart Townsends Intention gewesen, aber wirkungstechnisch bedeutet sie einen Rückschritt. Entspannung ist ja rein lexikalisch betrachtet das Aufhören von Spannung, hier ist dies auch der Sache nach der Fall. Townsend klang einfach schon mal spannender. Nach dieser hochgradigen Beschwerde das Positive: Townsend hat, man weiß es und ich sagte es auch schon, ein offenes Ohr für Einflüsse aus allerlei Metiers. Die arabischen Einflüsse und der gelungene Frauengesang etwa im Tool-lastigen "Pixillate" gehören ebenso zu den Sternstunden des Albums wie der an Mantras orientierte, wenngleich härtetechnisch natürlich enorm aufgepeppte Ausklang von "Babysong". Und das Geklimper auf dem Banjo aus "Triumph" macht mindestens genauso viel Freude wie das freakige Gastsolo im selben Song, das doch tatsächlich Saitendoktor Steve Vai kredenzt, dessen Teilnahme vermutlich niemand, der um das einstmals sehr angespannte Verhältnis zwischen Vai und Townsend weiß, auf einem Townsend-Album erwartet hätte. Ferner ist der Gesang von Townsend immer noch eine Klasse für sich, auch wenn er auf "Synchestra" über weite Strecken sanft, beinahe sphärisch-wegschwebend und betont locker ausfällt. Außerdem sind die Songstrukturen weiterhin interessant. Und nach ein paar Minuten Song kommt meistens noch eine kleine Überraschung in Form großer Bombastmomente, die jeden Song, der schwächer anhebt (etwa "Gaia" mit seinem biederen Leitriff), aus der Unbedeutsamkeit kicken. Aber das sind eben Townsend-Konstanten. Die machen ein Townsend-Album zu einem guten Album, aber ein Townsend-Album, das neben anderen Townsend-Alben bestehen will, braucht auch Merkmale, die über die Konstanten hinausgehen. Und da ist auf "Synchestra" Kritik angebracht. Die steht weiter oben.
"Synchestra" ist OK, sogar gut - und für die Vielfalt und Originalität der Musik darf und sollte Townsend im Vergleich mit dem Geschehen im Musikzirkus allgemein auch weiterhin Respekt gezollt werden. Im Abgleich mit den Townsend-eigenen Standards kann "Synchestra" aber m.E. nur eine untergeordnete Position erringen. Townsend-Fans kommen natürlich trotzdem kaum um das Album herum und auch solche, denen die bisherigen Veröffentlichungen des Kanadiers zu anstrengend waren, könnten ob der entspannenden, auch an Easy Listening-Sounds angelehnten Gangart ("Sunset") Gefallen am Album finden.
Kontakt: www.insideout.de

Tracklist:
1. Let It Roll
2. Hypergeek
3. Triumph
4. Babysong
5. Vampolka
6. Vampira
7. Mental Tan
8. Gaia
9. Pixillate
10. Judgement
11. A Simple Lullaby
12. Sunset
13. Notes From Africa
14. Sunshine And Happiness
 




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