www.Crossover-agm.de DESPERADOS: The Dawn Of Dying
von rls

DESPERADOS: The Dawn Of Dying   (Drakkar Records)

Es gab mal eine Berliner Band namens The Waltons, die fröhlich Metal und Country mixte, diverse Alben veröffentlichte und irgendwann in den staubigen Wüsten am Müggelsee den Geiern zum Opfer fiel. Nun macht sich eine Bande namens Desperados auf, einen ähnlich gelagerten und bisher noch nicht an meinem musikalischen Horizont in Sicht- bzw. Hörweite gekommenen Crossover (sic!) zu fabrizieren, nämlich den zwischen klassischen Westernsounds und Metal. Passenderweise gibt's einleitend dann gleich eine Portion Ennio Morricone, und dessen riesiger Schatten namens "Filmmusiken zu 'Weites Land', 'Spiel mir das Lied vom Tod', 'Für ein paar Dollar mehr' und 324 anderen Staubwesternstreifen" wölkt sich auch noch durch diverse weitere der insgesamt 14 Songs, obwohl es sich dabei, abgesehen von der ordentlich gehärteten Version des Classix "(Ghost) Riders On The Sky", dessen Original der Altbundi von Johnny Cash, der Neubundi dagegen von Dean Reed kennen dürfte, um Desperados-Eigenkompositionen handelt. Mal reiten die Gäule im steifen Galopp durch die Prärie, um auch ja der erste an der neuen Nugget-Fundstelle zu sein (so im Titeltrack), dann wieder verfallen sie in eher gemächlichen Trab, um die prachtvolle Landschaft der Ausläufer der Rocky Mountains gebührend genießen und weitab von der Zivilisation ihr eigenes Dasein führen zu können (exemplarisch: das hymnische "Gone With The Wind" oder das angetraurigte "Desperados"), um ganz zum Schluß in Höchstgeschwindigkeit den Weg zum "Oriental Saloon" unter die Hufe zu nehmen, um noch echtes "Jim Beam"-Feuerwasser zu bekommen und nicht mit billigem zweitklassigem Fusel vorlieb nehmen zu müssen. Damit wird "The Dawn Of Dying" zum akustischen Gegenstück eines klassischen Gerstäcker-Romans oder einer short story von Bret Harte, zumal auch die Lyrics klassische Westerngeschichten erzählen, wie sie wohl jeder Junge in seinen Kindesjahren gerne gelesen hat (sofern er heute schon über 20 ist - anderenfalls könnten an die Stelle von Wyatt Earp und Billy The Kid auch Super Mario, einer dieser Doom-Ballerheinis oder die Teletubbies getreten sein). Kopf der Desperados ist übrigens Alex Kraft, einigen vielleicht noch von einer Band namens Jail bekannt, einigen mehr wohl durch seine Tätigkeit bei Onkel Tom. Selbigen Onkel Tom alias Thomas Such, der auch nach knapp 20 Jahren im Musikbusiness noch das pubertär-kultig-doofe Pseudonym Angelripper mit sich rumschleppt, verpflichtete Kraft gleich für den Gesang, welcher dementsprechend auch klingt, als ob man die Stimmbänder erst drei Jahre in der Wüste von New Mexico gedörrt und dann noch einmal drei Jahre in "Southern Comfort" eingelegt hätte. Gesangsmelodien sind also Mangelware, dafür bringen Krafts Gitarren enorme Abwechslung in die Bude (von straigtem Metalgeriffe bis zu waschechten Slides und ein paar Steelguitarpassagen gibt's hier alles), und als prominentester der weiteren Mitstreiter sorgt Ferdy "Ich bin das Keyboard-Pendant zu Jörg Michael" Doernberg für orchestrale oder sonstwelche tastende Untermalungen. Unterm Strich ist das Ganze zwar keinesfalls perfekt, aber doch ausgesprochen unterhaltsam und mit Liebe zum Detail inszeniert, so daß das völlig einfallslose Cover etwas Stirnrunzeln auslöst, zumal im Booklet eine Reihe Aufnahmen durch ziemlich authentische Reproduktion der Atmosphäre und des Flairs der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im mehr oder weniger wilden Westen besticht. Wer schon immer mal wissen wollte, in welcher Band Buffalo Bill spielen würde, wenn er an der Schwelle des 20. zum 21. Jahrhundert leben würde, darf sich "The Dawn Of Dying" gerne in den heimischen Plattenschrank stellen, sollte sich aber nicht wundern, wenn diesem dann plötzlich Staubwolken und Pulverdampf entsteigen.





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