www.Crossover-agm.de DEEP PURPLE: Live In Long Beach 1971
von rls

DEEP PURPLE: Live In Long Beach 1971   (Ear Music)

Ein weiterer Teil der "Official Deep Purple (Overseas) Live Series" - und diesmal enthält er wirklich Klänge aus Übersee: Nachdem Deep Purple den Mai und Juni des Jahres 1971 mit Gigs in verschiedenen europäischen Städten zugebracht hatten (im Booklet ist als Bonbon nicht nur die Auftrittsstatistik abgedruckt, sondern auch die jeweilige Gagenhöhe, die z.B. für die beiden Gigs am 26. und 27. Mai in Rom vier Millionen Lire betrug), setzten sie in die Neue Welt über, wo sie ab Juli als Supportact für Rod Stewart und The Faces durch Kanada und die USA tourten. Am 30. Juli gastierten sie dabei in Long Beach, und der dortige Auftritt wurde vom Radiosender KUSC, der an der University of Southern California beheimatet war, mitgeschnitten - diese Bänder, die im Rahmen der "Monday Night Airbag Live"-Show über den Äther gingen (es wurde also nicht live übertragen - der 30. Juli 1971 war ein Freitag), bilden nun die Grundlage für die vorliegende CD. Ein Blick auf die Rückseite scheint zunächst alles zu klären - als Supportact hat man ja nur begrenzte Spielzeit, und so verwundert es nicht, daß da nur vier Tracks verzeichnet sind. Aber wir sprechen von den Frühsiebzigern und von Deep Purple - und wenn man die CD in den Player schiebt, entdeckt man, daß Rod Stewart seinem Supportact immerhin 70 Minuten Spielzeit zugebilligt hat, und dabei waren Deep Purple noch nicht mal die einzige Vorband, denn vor ihnen agierte noch eine Combo namens Southern Comfort. Wer bereits die "Stockholm 1970"-CD der Serie besitzt, wird gewisse strukturelle Ähnlichkeiten entdecken, denn "Speed King" als Opener sowie "Child In Time" und "Mandrake Root" finden sich auch dort. Vierter im Bunde ist in Long Beach allerdings "Strange Kind Of Woman", das in Europa ähnlich wie "Black Night" nur als Single erschienen war, während es in den USA auch auf der dortigen Version des "Fireball"-Albums enthalten war, und die war justament im Juli veröffentlicht worden. Bessere Promotion für das Album konnte es also kaum geben als begeisternde Konzerte, und so mancher Neu-Anhänger wird nach dem Liveerlebnis in den Plattenladen gepilgert sein, um sich eine Tonkonserve zu holen. Ob er dann enttäuscht war, weil er auf "Fireball" im wesentlichen "nur" wenigminütige Hardrockstücke serviert bekam und keine 10-, 20- oder 27-Minuten-Epen, steht auf einem anderen Blatt - offizielle Liveaufnahmen von Deep Purple waren 1971 noch keine erschienen, was sich erst mit der Mutter aller Deep-Purple-Livealben, nämlich "Made In Japan", im Folgejahr änderte. Aber wenn er schlau war, nahm er gleich noch "In Rock" mit, denn dort befindet sich bekanntlich die Studiofassung von "Child In Time", die auch schon die Zehnminutenmarke sprengt, während die Livefassung von Long Beach es nochmal auf die doppelte Länge bringt. Ian Gillan hat sich im Finale von "Strange Kind Of Woman" schon mal "warmgeschrien", und wie erwartet bleibt er in der Evolution der "Child In Time"-Livefassungen auch bei den 1970 bereits eingeführten Schreipassagen statt des in frühen Fassungen dort noch zu hörenden Cleangesanges. Interessant an den vorliegenden Aufnahmen ist zum einen, daß das bekannte Vokal-Gitarren-Duell hier nicht nur in "Strange Kind Of Woman" vorkommt, sondern bereits in "Speed King", und zum anderen das überraschende Dynamikmanagement des genannten Konzertopeners, der bereits nach weniger als zwei Minuten Musik (als Supportact wohlgemerkt) aus seinem Speedgestus nach unten gefahren wird, wobei er in diesem Falle allerdings von Ian Paice mit unauffälliger, aber wirkungsvoller Beckenarbeit trotzdem am Laufen gehalten wird. Die 27 Minuten von "Mandrake Root" sind, nachdem die ersten zwei Minuten für das eigentliche Songthema draufgehen, abermals gespickt mit vitalen Improvisationen samt eingeflochtenen Themenzitaren (spätestens beginnend kurz nach Minute 4, aber vielleicht ist auch früher schon was drin, was der Rezensent nur nicht erkannt hat, und selbst wenn auch hier durchaus ruhige Passagen eingeflochten werden, so ist es wieder Ian Paice, der unauffällig das Grundtempo hält, über dem Jon Lord eine Zeitlang allein orgelt, bevor sich Roger Glover und schließlich im markanten Phasenwechselthema auch Ritchie Blackmore wieder hinzugesellen. Strukturelle Änderungsanalysen gegenüber der Stockholm-Fassung darf der Besitzer beider CDs gern anstellen - Weihnachtsliedthemen gibt es diesmal jedenfalls nicht, wenn sich kein vom Rezensenten unerkannt gebliebenes irgendwo versteckt haben sollte. Zwar hätten sie sowieso nicht zur Jahreszeit gepaßt, aber das hat Lord und Blackmore im Sommer 1970 auch nicht vom Einflechten ebensolcher abgehalten. Ein zeitgenössischer Rezensent lobte eine Passage, wo Blackmore seine Gitarre wie ein Cello klingen läßt (ab Minute 13), auch "Fools", ein Studiotrack vom "Fireball"-Album, wird, wie ein Amazon-Kunde in seiner Rezension bemerkte, ausgiebig zitiert, und Paul Lester bemerkt in seinen Liner Notes, daß wir ab Minute 19 eine Art Frühform des "Highway Star"-Intros hören - ein Song, der bekanntlich dann erst auf dem "Machine Head"-Album im Folgejahr veröffentlicht wurde. Vielleicht liegt tatsächlich in dieser Passage die Keimzelle für diese Songidee. Interessanterweise hat die Band schon vorher die Musik zu einer Art Schlußpunkt geführt, und das Publikum hat auch schon zu applaudieren begonnen, bevor es dann doch noch mit der erwähnten Passage weitergeht, die aber in etwas völlig anderes als das, was wir dann ein Jahr später als "Highway Star" vorgesetzt bekamen, führte, nämlich in wildeste Blackmore-Gitarrenquälereien, die dann ab Minute 23 wieder ein bekanntes, leicht orientalisch angehauchtes Motiv hervorbringen, das man wiederum als Keimzelle für spätere Ideen a la "Gates Of Babylon" verstehen könnte. Aber wie dem auch sei: Die 27 Minuten machen auch als Konserve durchaus Hörspaß, was auch für die anderen drei Songs respektive 43 Minuten gilt (an das zwar abermals von Martin Pullan remasterte, aber trotzdem eher mäßig ausbalancierte, teils mit diversen Schwankungen versehene und Ian Gillan weit in den Vordergrund mischende Klanggewand muß man sich allerdings etwas gewöhnen), so daß "Live In Long Beach 1971" ein würdiges Bindeglied zwischen Stockholm 1970 und dem dann markant anders strukturierten Kopenhagen 1972 abgibt, zumal das Material von diesem Gig im Gegensatz zu diversen anderen Teilen der Reihe zwar bereits als Bootleg, aber noch nie offiziell veröffentlicht worden ist.
Kontakt: www.ear-music.net, www.deep-purple.com

Tracklist:
Speed King
Strange Kind Of Woman
Child In Time
Mandrake Root



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