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von rls

DARKNESS: Bocholt Live Squad   (Battle Cry Records)

"Guaranteed no overdubs!!!" steht im Booklet, und nach dem Durchlaufen der 79 Minuten ist man auch davon überzeugt, daß hier nichts nachgebessert worden ist. Es handelt sich um einen Konzertmitschnitt vom 17. Mai 1987 (also einen Tag nach dem 11. Geburtstag des Rezensenten ...) aus dem Doch Du-Club in Bocholt, der nahezu unbearbeitet auf dem Silberling gelandet sein dürfte. Wenn da ein Feedback pfeift, die Lautstärke schwankt, zwischen den Songs kleine Pausen entstehen - egal, alles ist hier dokumentiert. Soll heißen: Es handelt sich praktisch um einen Official Bootleg, und das muß man wissen, bevor man das Teil nichtsahnend erwirbt und sich dann über die schwankende Soundqualität ärgert. Die ist so schlimm allerdings nun auch wieder nicht, man hört in den meisten Fällen das Wichtigste heraus und bekommt zugleich einen authentischen Eindruck, wie es damals auf einem Metalgig in einem Jugendzentrum (um ein solches dürfte es sich sicher gehandelt haben) so zugegangen ist. Sänger Olli spricht sich in seinen Ansagen gegen hirnlose Gewalt im Publikum aus (vermutlich hat es da seinerzeit den einen oder anderen Vorfall gegeben, der auch zu Konzertabsagen geführt hat) und kann am Ende zufrieden konstatieren, daß alles friedlich geblieben ist und man trotzdem allgemein Spaß hatte. Das o.g. Gigdatum sagt dem Eingeweihten, daß zu diesem Zeitpunkt grade erst die Debüt-LP "Death Squad" veröffentlicht war, und so verwundert es natürlich nicht, daß ihr Material sich auch komplett in der Setlist wiederfindet, ergänzt durch etliches Material der drei zuvor veröffentlichten Demotapes, die der Historiker auch auf den Re-Releases der Alben "Death Squad", "Defenders Of Justice" und "Conclusion & Revival" nachhören kann. Komplett Unveröffentlichtes gibt es im Prinzip nicht, denn "Speed Bayer" stellt sich als kurzes humoriges Volksmusikverarschungsinstrumental dar, dem man keine tiefereBedeutung zumessen sollte, und hinter "Duel Of The Axemen" verbirgt sich natürlich auch kein unveröffentlichter Song, sondern eben das freundschaftliche Duell der beiden Gitarristen Pierre und Arnd, das übrigens zwei Songs später mit dem hervorragenden Instrumental "Tarsman Of Ghor" (wiewohl dessen Studioversion soundbedingt nun wirklich deutlich der Vorzug zu geben ist) noch eine Fortsetzung findet. Im Publikum befand sich offensichtlich eine kleine Anzahl Die Hard-Anhänger (obwohl in "Faded Pictures" anfangs keiner auf das Angebot von Olli eingeht, mitzusingen), die mit dem Material recht gut vertraut war, aber auch eine Menge von Leuten, die die Songs offenbar nicht kannte - nur so läßt sich die Frage Ollis nach "Legacy Of Blood" erklären, ob das Publikum nach der vorherigen Band (deren Namen man leider nicht versteht) schon müde sei und ob es überhaupt auf Thrash Metal stehe. Der größte Lacher kommt aber gleich zu Anfang, als ein Ansager mit lauter, rauher und appellierender Stimme Darkness als eine Band ankündigt, zu der man slammen, moshen und thrashen könne - danach folgt aber das zarte Akustikintro "Invasion Sector 12", das erst nach einiger Zeit Platz für das in die Vollen gehende "Critical Threshold" macht. Generell gibt's, wie bereits oben ausgeführt, noch recht geradlinigen Thrash zu hören, die komplizierteren Arrangements des Nachfolgealbums "Defenders Of Justice" machen sich allenfalls hier und da mal marginal bemerkbar, und Drummer Lacky darf über weiteste Strecken noch herzhaftes, manchmal punkangehauchtes Tempo machen, wiewohl natürlich auch der Schlepper "Burial At Sea" im Set steht und nicht ganz so hölzern klingt wie seine Studioversion. Der Schlußgag gehört wiederum Olli, der die Vorstellung der Band mit den Worten "Meine Wenigkeit: Tony Marshall" abschließt. So präsentiert sich "Bocholt Live Squad" als ein mit normalen Maßstäben nicht zu messendes, aber grundehrliches Livedokument mit allen Stärken und Schwächen, welche die gewählte Herangehensweise mit sich bringt und eine nette Zeitreise zurück in die Periode vor 20 Jahren ermöglicht, als es noch keinen Grunge und keinen Nu Metal gab, Techno noch ein auf einige Zeitgeistclubs beschränktes Phänomen war, HipHop noch nicht aus der Bronx herausgefunden hatte und man als Metalband sich noch mit Feindbildern wie Volksmusik herumschlug. Zugleich bildet die CD einen schönen Anstoß, nun endlich auch mal die Darkness-Nachfolgeband Eure Erben livehaftig in Augenschein zu nehmen, die musikalisch auf den alten Pfaden wandelt, lediglich die englischen durch deutsche Texte ersetzt hat. Mal sehen, wann sich da mal eine Gelegenheit bietet ... Für Darkness-Anhänger und Metalhistoriker unverzichtbar, Einsteiger sollten sich aber erstmal den drei Studioalben widmen.
Kontakt: www.eureerben.de, www.battlecryrecords.de

Tracklist:
Invasion Sector 12
Critical Threshold
Speed Bayer
Beyond The Gates Of Death
Death Squad
Hear The Cry
Legacy Of Blood
Faded Pictures
Duel Of The Axemen
The Kingdom Of Death
Tarsman Of Ghor
Titanic War
Burial At Sea
Phantasmagoria
Iron Force
Staatsfeind
The Gates
Armageddon



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