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von ta

DHG: A Umbra Omega   (Peaceville)

Den Norwegern Dødheimsgard aka DHG, die in der zweiten Black-Metal-Welle in den Frühneunzigern ihr Treiben begannen, eilt ja der Ruf nach, so ziemlich, nun ja, komplett durchgeknallt zu sein. Und das stimmt in gewissem Sinn. Die Art der Komposition, die Strukturgebung der Songs und die eingesetzten Sounds erschließen sich vor einem traditionellen Black-Metal-Hintergrund nicht. Insbesondere die beiden letzten Alben "666 International" und "Supervillian Outcast" sind konzeptionell wie musikalisch extrem anstrengende Kost, von der kaum zu glauben ist, dass sie demselben Kopf entsprungen ist, der anno 1995 ein eher konservatives Album wie "Kronet Til Konge" hervorgebracht hat.
Der genannte Kopf ist der von Yusaf "Vicotnik" Parvez und hat sich anno 2015, acht Jahre nach dem letzten Album von DHG, wieder etwas Neues ausgedacht. Natürlich gleichen die ersten Hördurchläufe von "A Umbra Omega" einem Parcours-Hindernislauf, zu rapide sind die Brüche, zu ungewohnt die eingesetzten Stilmittel. Und prompt häufen sich in den Rezensionen der versammelten Kritikerschar wieder Attribute wie "verrückt", "chaotisch" und "wahnsinnig", die Parvez durchaus auch bedient: "There is a place called reality/Hidden to all men/You can reach it through insanity/But never to return again" heißt es in "Aphelion Void" geradezu programmatisch und auch Zeilen wie "Panic fuels itself/And hysteria takes control/ Nothing is alive to rescue me" ("Blue Moon Duel") schreien danach, die zugehörige Musik als Vertonung des beschriebenen Geisteszustandes zu deuten.
Doch das ist zu kurz gedacht bzw. gehört. Denn hinter dem Chaos von DHG verbirgt sich nicht ein Geist, der in der Strukturlosigkeit versinkt, sondern ein Geist, der sie beherrscht und gezielt einsetzt. Jedes Element dieses Albums ist um die Grenze zwischen Konvention und Wahnsinn herum angeordnet, aber das eine schaut eben von dieser und das andere von jener Seite auf diese Grenze. "A Umbra Omega" enthält in einem Intro und fünf jeweils über zehnminütigen Episoden aberwitzige Dynamikwechsel, eine außergewöhnliche Instrumentierung inklusive Saxophon, unkonventionelle Melodie-Rhythmus-Kombinationen, aber auch wunderschöne Melodien, hypnotische Akustikparts und bergeweise messerscharfe, rabenschwarze Riffs, die zum Mitreißendsten gehören, was der Black Metal in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Jedes Stück hat seine akustischen Widerhaken, die sich tief in die Seele einfräsen, lässt man das Lavieren um die genannte Grenze einmal zu. Und dann entwickelt "A Umbra Omega" einen ganz eigenen Ernst, eine schwer beschreibbare Stimmung, apokalyptisch, aber dabei positiv und weniger besessen als vielmehr befreit.
Mit Blick auf die Einzelelemente, die diese Stimmung erzeugen, muss auf zwei Merkmale besonders hingewiesen werden: Erstens, "A Umbra Omega" enthält in jedem Song viehische Blastbeatorgien und ist unter anderem deshalb weniger Industrial-lastig als die letzten beiden Alben. In diesem Zusammenhang muss auch die erdigere Produktion und das Fehlen offensiver Elektronika erwähnt werden. Insofern bietet das Album sogar eine Anschlussmöglichkeit für Verehrer der "alten" DHG und knüpft hier an die 1998er "Satanic Art"-EP an, die seinerzeit den Übergang von der Konvention zur Avantgarde markierte.
Zweitens, Björn "Aldrahn" Dencker Gjerde ist nach seinem Aussetzer auf "Supervillian Outcast" hinters Mikro zurückgekehrt und etwas Besseres hätte DHG nicht passieren können. Seine eigenwillige Brüll-, Ruf-, Erzähl-, Kreisch- und Summperformance jagt einem in regelmäßigen Abständen Schauer über den Rücken, dürfte in diesem Jahr nur noch schwer zu toppen sein und fällt ähnlich visionär aus wie etwa das Gekeife von Attila Csihar auf Mayhems "De Mysteriis Dom Sathanas". Unfassbar geil.
Auch in textlicher Hinsicht haben sich DHG des engen Korsetts der Black-Metal-Tradition entledigt, und wenn ich diesem Album programmatische Zeilen entnehmen müsste, dann fänden sie sich in "The Unlocking": "My heart in heaven/My soul in hell" heißt es dort, und "I hail those whose pulse beats free/When strong in strangulation".
"A Umbra Omega" ist ein Aufschrei künstlerischer Freiheit, ist gleichzeitig Exzess und Introspektion und der nachhaltige musikalische Beweis, dass wahre Autonomie erst dort beginnt, wo alle Grenzen offen sind. Der Geist, der dieses Album geformt hat, ist der Geist der Genialität.
Kontakt: www.facebook.com/DODHEIMSGARD, www.peaceville.com

Tracklist:
1. The Love Divine
2. Aphelion Void
3. God Protocol Axiom
4. The Unlocking
5. Architect Of Darkness
6. Blue Moon Duel



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