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von rls

BRASSOVATION!: Premiere   (Gerth Medien)

Den Namen Klaus-Peter Diehl hat man schon auf mancher Blech-CD aus dem Hause Gerth gelesen, und nun kommt der Mann auch noch als Chefdenker einer eigenen blechblasenden Formation daher. Selbige nennt sich BrassOvation!, rekrutiert sich aus dem Musikerfundus im CVJM-Westbund und legt mit "Premiere" ihre - wer hätt's gedacht - Debüt-CD vor. Und wie sich das für eine Debüt-CD gehört, enthält sie einen musikalischen Gemischtwarenladen aus all dem, was das Ensemble in der Zeit von der Gründung bis zum Debütalbum so alles angestellt hat (Konzeptwerke als Debüt sind seltener, als man gemeinhin glaubt). Das muß nichts Schlechtes sein, wenn der rote Faden nicht hoffnungslos zerschnippelt ist und zudem noch die sonstigen Rahmenbedingungen stimmen - und das ist hier zweifellos der Fall. Ein Blick aufs Cover verrät zunächst, daß es sich um ein Blechmischensemble traditionellen Zuschnitts handelt, also Trompeten, Posaunen und Tuba; ein Schlagzeuger tritt bei einigen Stücken noch hinzu (er ist nicht mit abgebildet, wird aber in der Besetzung als festes Mitglied geführt, im Gegensatz zu einem der Trompeter, der ebenfalls nicht mit abgebildet ist und ausdrücklich als Gast deklariert ist). Im Gegensatz zu diversen anderen Ensembles verzichten BrassOvation! übrigens auf Angaben, wer in Stück X oder Y als Solist zu hören ist; sie stellen somit eher die Gemeinschaft in den Mittelpunkt, und die liefert wie erwähnt sehr achtbare Arbeit ab. Die CD ist praktisch zweigeteilt - die ersten 15 Tracks gehören den alten Meistern, die spätestens 1741 (Vivaldi) gestorben sind, die hinteren 11 Tracks, die allerdings summiert drei Fünftel der Gesamtspielzeit belegen, bilden fast ausschließlich das 20. oder gar 21. Jahrhundert ab, klammert man das Arrangement des um 1818 datierten Volksliedes "Weißt du, wieviel Sternlein stehen" mal aus. Daß rein spieltechnisch nichts anbrennen würde, war zu vermuten, auch der Sound ist im wesentlichen gut, nur der Begeisterungscharakter der ausgewählten Stücke ist naturgemäß gewissen Schwankungen unterworfen. Unter den "Alten" zieht sich besonders das dreisätzige "Concerto B-Dur" von Vivaldi in der Blechfassung teilweise wie Kaugummi, während das sehr emotional komponierte (und interpretierte!) "Ich hebe meine Augen sehnlich auf" von Louis Bourgeois das grüne Ende der Skala markiert. Eine etwas schärfere Herausarbeitung des doppelchörigen Charakters wäre der Intrade von Johann Georg Conradi zu wünschen gewesen, während Burghard Schloemanns Vorspiel und Begleitsatz zu "In dir ist Freude" auch mit einem Tick weniger Schnörkel ausgekommen wären, wofür freilich die Truppe nichts kann. Klaus-Peter Diehls Namen liest man übrigens überraschenderweise nur einmal in der Arrangeurriege, nämlich bei "Ammerland", das den jüngeren Teil des Programms eröffnet (und in diesem Kontext als so brandfrisch durchgeht, daß es förmlich noch dampft - es ist original von 1998). Von den beiden folgenden spiritualartigen Werken überzeugt "Get On Board" mehr als "Consider Me" - in letztgenanntem schleppt sich das Schlagzeug im Hintergrund ohne größeren Bezug zum Rest der Musik durch die Botanik und klingt außerdem ein bissel zu sehr nach Keksdose (auch im flotteren Schlußteil), während es in erstgenanntem als organischer Bestandteil des Arrangements identifizierbar und eingebunden ist. Der hintergründige Charakter der perkussiven Elemente stört im erstaunlich düster gehaltenen "Besame Mucho" wiederum kaum - "erstaunlich düster" deshalb, weil "Küss mich beim Bossa Nova" nun nicht gerade ein trauerklößiges Motto darstellt; aber andererseits haben wir 1941, und da kann jeder Bossa Nova der letzte sein, bevor man im nächsten Gefecht verheizt wird. "Park And Ride" von Richard Roblee kennt mancher Berufspendler als Motto, und das Stück eignet sich tatsächlich als Untermalung für die nächste Werbung "Fahr Busse und Bahnen" - angetrieben von einem starken Posaunenriff entsteht hier richtig fetter Bläserjazz traditioneller, aber guter Sorte, im Midtempo vorwärtskommend und damit auf der Busspur den im Stau stehenden Autos die lange Nase zeigend. Nicht uninteressant ist die doppelchörige Fantasie zu "Vertraut den neuen Wegen" von Michael Schütz, wenngleich einige der Akkordtürme auf den weiten Klangflächen des einleitenden Teils einen leicht wackligen Eindruck hinterlassen, von dem nicht gesagt werden kann, ob er so intendiert war. Nach einem freieren Mittelteil mündet das Werk in eine harmonisch wie strukturell interessant ausgestaltete Choraladaption. Längstes Einzelstück der CD und zugleich "Bandhymne" ist "BrassOvation!" aus der Feder von Traugott Fünfgeld, den spätestens seit dem 1. Juni 2008 jeder blechinteressierte Bundesbürger kennt - schließlich hat der Mann die zentrale Hymne für den 1. Deutschen Posaunentag in Leipzig geschrieben, mit der auch der Einzug ins Guinness Buch der Rekorde (weltgrößter Posaunenchor) gelang (aufgrund der etwas an Mendelssohn erinnernden Einleitung wird das Stück in Blechkreisen liebevoll "Hochzeitsmarsch" genannt). In "BrassOvation!" dagegen fühlt man sich an etwas anderes erinnert, nämlich an Karl-May-Filmsoundtracks, die man versehentlich auf 45 statt 33 abgespielt hat. Henry Mancinis "Moon River" in der Fassung für Solo-Euphonium und Blechbläserensemble läßt die Frage offen, wer da das Euphonium spielt, die aber auch nicht beantwortet werden muß, da der Fluß eh nicht fließt, sondern schnell im Weltall verdampft. Zum Thema der Muppet Show braucht man sicher nichts zu sagen (außer daß sie erstaunlicherweise ohne Schlagzeug auskommt und man auch keins vermißt), und "Weißt du, wieviel Sternlein stehen" in einem traditionell harmonisierten und einem etwas modernenen Satz (wobei auch letztgenannter dankenswerterweise nicht dazu tendiert, den Kindern Alpträume zu bescheren, wie man es von manch modernerer Komposition zu befürchten hat) markiert hernach das ultimative Kontrastprogramm. Noch ein weiterer Kontrast zum Schluß: "Svicova" demonstriert, daß uns böhmische Blasmusik hier gerade noch gefehlt hat, inclusive eines Touristen, der gerade versucht, einen Bären wieder in Richtung Bayern zu treiben. Schon sind vierundfünfzigeinhalb Minuten gefüllt - mit noch ein paar Steigerungsmöglichkeiten, aber im Generellen zweifellos hörenswert.
Kontakt: www.gerth.de, www.brassovation.de

Tracklist:
Dietrich Buxtehude: Fanfare und Chorus über: Ihr lieben Christen, freut euch nun
  Fanfare
  Chorus
  Fanfare
Francesco Magini: La Albana aus der Sonate per il Campidoglio
  Andante
  Grave
  Allegro
Louis Bourgeois: Ich hebe meine Augen sehnlich auf
  Fassung Horninstrumente
  Fassung Tutti ohne Tuba
  Fassung Tutti mit Tuba
Antonio Vivaldi: Concerto B-Dur
  Allegro
  Larghetto
  Allegro
Johann Georg Conradi: Doppelchörige Intrade
Giovanni Giacomo Gastoldi: In dir ist Freude
  Vorspiel
  Begleitsatz
Ammerland
Get On Board
Consider Me
Besame Mucho (Küss mich beim Bossa Nova)
Park And Ride
Doppelchörige Fantasie zu: Vertraut den neuen Wegen
BrassOvation!
Moon River für Solo-Euphonium und Blechbläserensemble
The Muppet Show Theme
Weißt du, wieviel Sternlein stehen
Svicova



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