www.Crossover-agm.de BONEY NJEM: Djen Pobedy
von rls

BONEY NJEM: Djen Pobedy   (Isdatjelstwo Em I Nem)

Boney Njem machten sich in den 90ern einen Namen, indem sie Popsongs von Abba, Mireille Mathieu, Modern Talking, Opus und anderen beliebten Künstlern in Metalversionen verwandelten, das aber auf durchaus geschickte Art und Weise, also nicht etwa nur einfach runterbretternd, sondern Elemente der Originalinstrumentierung so einwebend, daß man, wie Kollege Björn von Oettingen es mal so schön ausgedrückt hat, bisweilen das Gefühl hatte, Original und Thrash-Parodie würden gleichzeitig laufen. Bestand das erste Album noch ausschließlich aus westlichem Liedgut, so begann die Band ab dem zweiten Album mehr und mehr russische Popsongs einzuflechten, etwa "Kaskadjory" oder "Jabloki Po Snegu", nachzuhören auch auf dem 2001er Livemitschnitt "W Wologde-Gde", der eine Mixtur aus einem Drittel russischen und zwei Dritteln nichtrussischen Kompositionen aufbot und eine Art Wendepunkt markierte. "Djen Pobedy" ist das 2003er Nachfolgealbum der Livescheibe, und unter den zehn regulären Tracks (dazu treten noch drei "Bonus Treki" mit alternativen Takes von regulären Albumsongs) findet sich kein einziger westlicher Provenienz, sondern ausschließlich Liedgut russischer Herkunft. Das schränkt den Kultfaktor, den die Umsetzungen außerhalb Rußlands entwickeln können, natürlich etwas ein, da er sich erst im vollen Maße entfaltet, wenn man die Originale kennt und die Geschicktheit der musikalischen Übertragung beurteilen kann - kaum jemand außer der großen rußlanddeutschen Gemeinde wird aber hierzulande mit den Originalsongs vertraut sein, und auch der Rezensent steht bis auf einen Fall auf verlorenem Posten. Dieser eine Fall ist "Bjes Tebja", im Original eine Halbballade von Arija, in der Boney Njem-Version aber rauher Speed Metal, den man beim ersten Hördurchlauf am Akustikgitarrenintro erkennen kann, danach aber allenfalls noch am Refrain, wenngleich häufigere Hör- und Vergleichsdurchläufe offenbaren, daß gar nicht so viele Veränderungen stattgefunden haben und die Hauptmelodie in unterschiedlichen Verarbeitungen immer mal wieder durchscheint. Der Song offenbart durch seinen sehr künstlich klingenden Rhythmusunterbau, die Stakkatogitarren und die Keyboards sogar ein gewisses Industrialfeeling, was auch auf andere der Coverversionen zutrifft, wenngleich der Metal stets die Oberhand behält, aber eben auch immer mal mit stilfremden Elementen nicht nur der Originale, sondern auch der Umsetzung derselben entspringender angereichert wird (gemäß der Besetzungsangabe soll mangels eines festen Drummers als Gast ein gewisser Jack trommeln, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, daß er sich von Strom und nicht von Bier ernährt). Das Paradoxe an der Scheibe ist aber nun, daß man sie über ihr parodistisches Dasein hinaus auch als eigenständige Extremmetalscheibe hören kann und sie diesbezüglich sogar Hörspaß macht. Man muß sich halt nur mit einer Mischung aus sagen wir mal Rammstein und Bathory aller Schaffensperioden anfreunden können und die Stimme Kirill Njemoljajews mögen, denn die klingt nach akuter Stimmbandverätzung, wird aber durch Olga Dsusowas Hintergrundgesangsbeiträge wirkungsvoll kontrastiert - ein bewährtes Stilmittel im Boney Njem-Kontext. Wenn man den didgeridooeingeleiteten, aber bald in Highspeed umschaltenden Opener "Uwesu Tebja Ja W Tundry" (original von Kola Beldy) übersteht, kann man sich getrost auch dem Rest der Platte nähern, denn dieses Aggressionslevel wird nicht wieder überschritten, wenngleich auch andere Songs bisweilen eine sehr hohe Geschwindigkeit fahren. "Nas Nje Dogonjat" stammt original übrigens von Tatu - genau, den beiden Pseudolesben, die vor geraumer Zeit mal im Eurovision Song Contest antraten. Auch den Namen Alla Pugatschowa (von ihr wurde "Pesnja Pjerwoklassnika" umgesetzt) dürfte mancher in Mitteleuropa schon mal gehört haben - sie trat in den 80ern gemeinsam mit Udo Lindenberg auf. Nur läßt sich nicht so genau identifizieren, welches Lied das denn nun ist, denn ich habe zwei verschiedene Tracklisten vorliegen, und beide stimmen nicht hundertprozentig mit der Musik auf der CD überein. Die Liste auf der CD-Rückseite (die mit der auf dem CD-Label identisch ist) nennt den Pugatschowa-Track als Nummer 5 (das ist eine schleppende Hymne, die ungelogen auch auf Bathorys "Hammerheart" gepaßt hätte), den Arija-Track dann als Nr. 6 (das stimmt), vergißt dann aber Track 7 und fährt erst bei Track 8 mit Sofia Rotarus "Tolko Etowo Malo" fort (auch das stimmt, der Song ist am Refrain zu erkennen). Die Liste auf der Homepage dagegen nennt den Arija-Track als Nr. 5, Pugatschowa als 6 und Rotaru als 7, kommt insgesamt auch nur auf 12 und nicht auf 13, so daß es sein könnte, daß hier einfach Track 5 vergessen wurde, "Bjes Tebja" von Arija auf 6 steht (was, wie wir wissen, stimmt) und Pugatschowa in Wirklichkeit Track 7 ist, wonach es dann wieder mit Rotaru in der korrekten Folge weitergeht. Welche der beiden Varianten zutrifft, kann ich nicht beurteilen und widme mich daher nach einem Hinweis auf das paradoxe CD-Cover (der reguläre genetische Bauplan einer Meerjungfrau ist da ein wenig durcheinandergeraten) noch den drei "Bonus Treki" (keine Ahnung, für welche Edition diese als Bonus fungieren), welche die Spielzeit auf exakt 50 Minuten heben. Die zweite Version von "Propala Sobaka" (original übrigens vom Kinderchor ZT und WR eingesungen - Sowjetexperten können die Bedeutung der Abkürzungen sicher entschlüsseln) steht dabei gleich hinter der ersten, die das reguläre Album abschließt, der "Slot Mix" von "Bjes Tebja" schiebt den Song noch weiter in Richtung Industrial mit lediglich punktueller Gitarrenunterstützung vor (Die Krupps lassen grüßen - übrigens auch an anderen Stellen des Albums), und zum Schluß gibt's noch einen Radio Edit von "Tolko Etowo Malo", der sich erwartungsgemäß außer im Umfang nicht groß von der vorherigen Version unterscheidet (wer auch immer sowas im Radio spielen soll). Wie gesagt: Der Kultfaktor steigt mit der Kenntnis der Originale, aber auch bei losgelöster Betrachtung macht die Platte durchaus Hörspaß. Ein paar Exemplare der CD gibt's zum Reviewzeitpunkt noch auf www.metalglory.de zu erstehen.
Kontakt: www.nem.ru

Tracklist:
Uwesu Tebja Ja W Tundry
Nas Nje Dogonjat
Suka-Ljubow
Ty Skaschi
Pesnja Pjerwoklassnika/?
Bjes Tebja
Pesnja Pjerwoklassnika/?
Tolko Etowo Malo
Tschito-grito-margalito
Propala Sobaka
Propala Sobaka (2)
Bjes Tebja (Slot Mix)
Tolko Etowo Malo (Radio edit)



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver