www.Crossover-agm.de BLIZZARD HUNTER: Heavy Metal To The Vein
von rls

BLIZZARD HUNTER: Heavy Metal To The Vein   (Pure Underground Records)

Das zweigeteilte Bandlogo, das auf den "Warrior Of Destiny"-Shirts zweier Bandmitglieder nur mit dem ersten Teil Verwendung gefunden hat, läßt vermuten, daß diese peruanische Formation mal nur Blizzard hieß und den Bestandteil "Hunter" nur aufgrund einer Namensgleichheit mit einer anderen Band (Kandidaten gäb's genug) hinzugefügt hat, und diese Vermutung stellt sich beim Durchlesen des Bandinfos auch als korrekt heraus (anfangs waren Blizzard übrigens eine Ozzy-Coverband, bevor sie zunächst auch Covers anderer Bands einstreuten und schließlich eigene Songs zu schreiben begannen). Wer jetzt allerdings einhakt, Peru läge doch nur knapp südlich des Äquators, und ein Schneesturm sei da ein eher skurriler Namensgeber, der kennt sich mit der Geographie des westlichen Südamerika offenbar nicht aus, denn dort ragen bekanntlich die Anden in Höhen von mehr als 6000 Metern empor, und zumindest in deren feuchteren Arealen ist ein zünftiger Schneesturm mit Whiteout und allem, was sonst noch so dazugehört, in bestimmten Jahreszeiten durchaus nichts Seltenes. Ob die Schlachtszenen auf dem Front- und dem Backcover von "Heavy Metal To The Vein" allerdings eine reale Auseinandersetzung an einem identifizierbaren Ort zeigen, kann nur der genaue Kenner a) der lokalen Geschichte und b) der Bergformationen, die sich am Horizont zeigen, entschlüsseln - und dann steht auch fest, ob es sich bei der weißen Schicht in der Ebene tatsächlich um Schnee handelt oder, was in bestimmten andinen Gebieten gleichfalls möglich wäre, um eine Salzpfanne.
Deutlich einfacher geographisch zu verorten sind Blizzard Hunter, wenn es um die musikalischen Einflüsse geht, und da bedürfte es nicht mal des Iron-Maiden-Shirts, das ein drittes Bandmitglied auf den Einzelfotos im Booklet (hingegen nicht auf dem Bandfoto auf der Bookletrückseite) trägt: Die Peruaner gehen als Ergebnis eines Gedankenexperiments, das den melodischen Charakter der frühen Iron Maiden mit der Energie und Ungeschliffenheit der frühen Raven kreuzt, durch, sind also ganz offensichtlich NWoBHM-Anhänger, auch wenn Sebastian Palmas manchmal an der Grenze zum Überschnappen stehende hohe Stimme durchaus auch Parallelexistenzen in Nordamerika oder im heimatlichen Südamerika findet. Daß da nicht jeder Ton so ganz hundertprozentig dort sitzt, wo er idealerweise sitzen sollte, verzeiht man ob des unüberhörbaren Enthusiasmus und der Tatsache, daß kein richtig schiefer Eindruck entsteht, gern - außerdem stehen dem Sänger ja noch vier ohrenscheinlich äußerst fähige Instrumentalisten zur Seite, wobei der Status des vierten, nämlich Drummer Juan Miguel Leon, nicht ganz klar ist - im Booklet steht er vermerkt, hat aber weder Einzelmusikerfoto noch Thankslist, und auch auf dem Bandfoto ist er nicht zu sehen. Die Lösung findet sich wieder im Bandinfo: Er gehörte in der Frühzeit mal zur Band, dann eine Zeitlang nicht mehr (das unveröffentlicht gebliebene 2011er Demo sah Giancarlo Briceno am Drumkit), hat dann die Albumaufnahmen wieder mit getätigt und ist jetzt aber endgültig durch Daniel Ruiz de Castilla ersetzt worden. Bassist Lalo Salas steht akustisch nicht so weit im Vordergrund, wie Steve Harris das durchzudrücken pflegt und bei John Gallagher aufgrund der Triobesetzung natürlich wäre - bei Blizzard Hunter dominieren ganz klar die beiden Gitarristen das Bild, übrigens auch in kreativer Hinsicht: Das Intro "Conqueror Of Destiny" ist kompositorisch niemandem zugewiesen, und von den neun regulären Songs stammen zwei von Tono Rojas und die anderen sieben von Lucho Sanchez, hinter dem sich ausweislich der Fotos übrigens ein männliches Wesen verbirgt (in Georgien gibt's Lucho als Frauenname) und der als einziges 2006er Gründungsmitglied heute noch dabei ist. Am stärksten an Iron Maiden erinnert der Songaufbau von "Nemesis", aber auch sonst schimmern die Kompositionsprinzipien der Briten nicht selten durch, was sich freilich nicht auf die Wiederholungen kurzer widerhakenartiger Melodien bezieht, denn gerade dieses die Nachvollziehbarkeit der Songs deutlich vereinfachende Stilmittel setzen Blizzard Hunter nur selten ein. Temposeitig starten sie nach dem dramatischen Midtempointro erstmal mit drei speedlastigen Nummern, die sich allerdings, wie das heute üblich ist, überwiegend nicht auf eine Tempolage beschränken, sondern gelegentlich Herunterschaltungen und andere Variationen einbauen. Am Ende des über sechsminütigen "Heart Of Fire" gibt es ein entrücktes Akustikoutro, und dieses leitet eine nachhaltige Tempoverringerung in der Albummitte ein, während die Songs ab "My Revenge" an Position 8 das Gaspedal wieder in stärkerem Maße durchdrücken und damit einen Rahmen innerhalb der 49 Minuten schaffen (nur der Closer "The Final Judgment" schaltet, von einzelnen Speedattacken abgesehen, wieder etwas herunter). Keyboards und andere moderne Einflüsse gibt es, von einigen leicht progressiven Schlenkern (man höre mal genau auf die aberwitzigen Gitarrenlinien im Solo von "The Murder", das dann auch wieder in einen Akustikpart übergeht, der eine Weile braucht, bis er von der Atonalität wieder zur Tonalität findet) und den genannten Tempowechselprinzipien abgesehen, auf "Heavy Metal To The Vein" nicht zu hören, so daß der Titel in bezug auf dieses Debütalbum und seine Erschaffer offensichtlich nicht als Übertreibung zu werten ist. Zwar bleiben auch die ganz großen Songs aus, aber das Werk überzeugt als Gesamtes, zumal sich Tonos Songs "My Revenge" und "The Final Judgment" stilistisch kaum von denen Luchos unterscheiden, wohl aber in Details: Zweitgenannter Song fährt im Intro eine zweistimmige Gitarrenmelodie auf, wie sie sonst auf dem Album Seltenheitswert besitzt (ähnliche Passagen kehren im Solo nochmal wieder) und "My Revenge" stellt am Ende des ersten Solos und im erst verschleppten, dann wieder losspeedenden zweiten Solo Lalos Baß dann doch einen Deut weiter in den Vordergrund, als man das aus dem bisherigen Material gewöhnt war. Solche Nuancen halten auch beim anspruchsvollen Metalhörer das Interesse aufrecht, und wer einfach nur guten traditionellen Stoff zum Headbangen sucht, wird hier, nachdem er alle Tempowechsel intus hat, auch problemlos glücklich.
Kontakt: www.facebook.com/BlizzardHunter, www.pureunderground-records.com

Tracklist:
Conqueror Of Destiny
I'm On My Way
Heavy Metal To The Vein
Heart Of Fire (Vampire Hunter's Song)
Nemesis (Feel My Strength)
Ghost Rider
The Murder
My Revenge
The Joke
The Final Judgment
 




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