www.Crossover-agm.de BLACK DRAGON: Heavy Metal Intoxication
von rls

BLACK DRAGON: Heavy Metal Intoxication   (Karthago Records)

Fällt im Metal-Kontext der Name Black Dragon, so werden die meisten Leute an das französische Label dieses Namens denken, das in den Achtzigern Bands wie Exxplorer unters europäische Metallervolk brachte. Es gab allerdings schon zuvor eine Band aus Hildesheim, die sich 1979 diesen Namen verpaßte und anno 1982 die LP "Heavy Metal Intoxication" herausbrachte, bevor sie zwei Jahre später aufgrund der räumlichen Zerstreuung der Bandmitglieder bereits wieder zu den Akten gelegt wurde. Lange Jahre war besagte LP eine äußerst gesuchte Rarität, existiert sie doch in gerade mal 250 Exemplaren und war offensichtlich so obskur, daß sie nicht mal in der Liste der Top-100-Raritäten des deutschen Metals auftauchte, die im IP-Buch "Heavy Metal made in Germany" veröffentlicht worden war. Möglicherweise steht noch irgendwo das eine oder andere Exemplar bei Sammlern, die eigentlich andere Musik sammeln: Das Coverartwork würde eher auf eine Krautrockband hindeuten, und lediglich der Albumtitel läßt erahnen, daß Black Dragon (deren Bandlogo auf besagtem Cover einfach durch einen simplen Schriftzug ersetzt wurde und nur auf dem Backcover zu sehen war) der Metalfraktion zuzurechnen waren. Das Gros der 250 Exemplare wird allerdings kaum jemals wieder irgendwo zum Verkauf gelangen, aber 500 weitere Personen haben jetzt die Chance, die Musik Black Dragons anhand der vorliegenden Wiederveröffentlichung im Rahmen der Karthago-"Heavy Metal Classics"-Serie kennenzulernen.
1982 war die NWoBHM in England gerade auf einer Art Höhepunkt angekommen, aber Black Dragon hatten mit dieser Bewegung musikalisch eher wenig zu tun - ihre Einflüsse lagen bei zwei anderen Bands. Zum einen orientierte sich ab 1981 jede vernünftige deutsche Metalband an Accept, wobei festzuhalten ist, daß "Restless And Wild" ja auch erst 1982 erschien, Black Dragon im Februar 1982, als "Heavy Metal Intoxication" im heimischen Hildesheim eingespielt wurde, also maximal das 1981er "Breaker"-Werk (und dessen zwei für den späteren Accept-Stil noch wenig repräsentative Vorgänger) kennen konnten. Zum anderen erinnern die stampfenden Songs aber noch viel stärker an ein anderes deutsches Bandurgestein: Faithful Breath dürften einen nicht unmaßgeblichen Einfluß auf das Schaffen Black Dragons ausgeübt haben, zumindest rein musikalisch, denn über ein "historisches Image", wie es sich Faithful Breath gegeben hatten, ist nichts überliefert. Acht Songs stehen auf "Heavy Metal Intoxication", und gleich sechs davon fallen in die Stampf-Kategorie, wenn auch mit durchaus unterschiedlichen Tempi. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß sie dramaturgisch etwas merkwürdig angeordnet wurden: Dem schleppenden Opener "Born For Solution" folgen mit "Drifting For The Hunter" und "Atonal Attention" die beiden schnellsten Songs, bevor "Strange Kind Of Love" wieder in den gewohnten Stampfrhythmus zurückfällt, den die einstmalige B-Seite dann komplett durchhält, wobei auf dem Backcover der CD die Reihenfolge inkorrekt angegeben ist - zu hören ist die untenstehende Version, die auch derjenigen entspricht, die auf dem im Booklet abgebildeten Backcover der Original-LP zu lesen war. Freilich wußten Black Dragon die zur Verfügung stehenden Stilmittel durchaus so geschickt einzusetzen, daß Langeweile vermieden werden konnte, und gerade "No Nomination" weiß mit seiner starken Leadgitarrenarbeit und dem langen atmosphärischen Break durchaus hoch zu punkten. Hat man sich erstmal an das Gitarrenintro von "Atonal Attention" gewöhnt, so macht auch dieser Song gemeinsam mit seinem davorstehenden, leicht rock'n'rolligen Speedbruder "Drifting For The Hunter" durchaus Laune, während das fast doomige "Here We Are", das der Fama nach gleich bei der ersten Probe mit dem 1981 eingestiegenen Sänger Beo Scala entstanden sein soll, am anderen Ende der Tempo-, aber durchaus nicht der qualitativen Skala steht (Doom Metal zu spielen war in besagter Zeit freilich überhaupt nicht en vogue, ansonsten hätten Black Dragon den Song vielleicht noch ein wenig konsequenter in diese Richtung geschoben, und das träge Drumintro weckt auch durchaus entsprechende Erwartungen beim heutigen Hörer). Apropos Gesang: Beo Scala war mit seiner rauhen Stimme sicherlich kein großer Sänger, aber erstaunlicherweise tritt bei ihm nicht das Phänomen auf, daß der Hörer den ungeschlachten Gesang als zur filigranen Gitarrenarbeit nicht passend empfindet, wie es dem Rezensenten nicht selten so geht (wenn wir im Jahre 1982 bleiben wollen, finden wir da ein interessantes Beispiel, nämlich "Assault Attack" von MSG). Und die Black-Dragon-Gitarristen (zeitweise waren gleich drei in der Band) verstanden ihr Handwerk ohne Wenn und Aber, hängten immer wieder Melodiegirlanden um die Riffs und stellten somit die vermutlich größten Trümpfe der Band dar, die, wenn sie zusammengeblieben wäre, durchaus noch für die eine oder andere weitere gutklassige Veröffentlichung hätte sorgen können. Es kam wie bekannt anders ...
Die vorliegende CD enthält zunächst die acht originalen Songs in der nicht ganz originalen Reihenfolge. Laut den Liner Notes von Karthago-Chef Stefan Riermaier sollen diese Aufnahmen "schonend von der Band selbst bearbeitet" worden sein, aber das erscheint merkwürdig - die Songs wurden offenkundig von einer LP abgenommen, aber die gelegentlichen Knackgeräusche sind nicht entfernt worden, was man selbst im Falle einer schonenden Bearbeitung sicherlich getan hätte. Die Vermutung liegt also nahe, daß die acht Songs mehr oder weniger in der Form, wie sie von der LP genommen wurden, auf der CD gelandet sind und eine Bearbeitung nur bei den Tracks 9-16 stattgefunden hat, allerdings in diesem Falle keine schonende: Es handelt sich um die gleichen acht Songs, aber in einer "30a Edition", und die weist ein deutlich anderes Soundgewand auf, was die Rhythmusgruppe angeht - oder besser: drei deutlich andere Soundgewänder. "Born For Solution" und "Drifting With The Hunter" lassen den Hörer hier nämlich ungläubig mit dem Kopf schütteln, ob speziell die Drums hier nochmal mit einem Drumcomputer neu eingespielt worden sind, und auch der Baß hört sich hochgradig merkwürdig und künstlich an (das Remastering wurde übrigens von Bassist Andreas Lodahl durchgeführt ...). Zwar bleibt positiv festzuhalten, daß den Aufnahmen durchaus mehr Klarheit verliehen werden konnte, aber generell will dieses Klanggewand nicht so richtig passen. Kurioserweise wird nach dem Gitarrenintro in "Atonal Attention" wieder alles anders, die Rhythmusgruppe wirkt besser eingepaßt, nur die Hi-Hat deckt Teile der Leadgitarren immer noch zu sehr zu. Dann kommt "Strange Kind Of Love" und lindert auch dieses Problem, wenngleich es nicht komplett verschwindet und auch bis zum Ende der knapp 77 Minuten erhalten bleibt. Vielleicht spielt auch die Hörerwartung bzw. -erfahrung mit, aber auch nach etlichen Durchläufen verschwindet dieses Phänomen zumindest im Ohr des Rezensenten nicht. Außerdem wäre es schön gewesen, hätte man den Lautstärkepegel der Aufnahmen angeglichen - in der vorliegenden Form muß man die alten Aufnahmen deutlich lauter drehen als normal und bekommt dann vom zweiten "Born For Solution" erstmal unsanft eine Schall-Ohrfeige. Interessanterweise ist es bei der Überarbeitung auch nicht bei reinen Soundkorrekturen geblieben, sondern es hat auch Arrangementveränderungen gegeben: "Here We Are" wirkt jetzt schneller (prüfe nach, wer ein Metronom hat - auch auf andere Songs trifft das zu, etwa "New York City Run", wo es vielleicht sogar zum Songthema paßt) und hat außerdem sein träges Drumintro eingebüßt. Die Songreihenfolge aber ist hier in der gleichen Weise gegenüber dem Backcover vertauscht wie bei den Originalaufnahmen. So richtig weiß der Rezensent nicht, ob er sich über die Neufassungen freuen soll oder nicht - es hätte eigentlich gereicht, die alten Fassungen zu veröffentlichen und, wenn man schon Bonustracks draufpacken will, einige der frühen Tonkonserven hinzuzufügen, auf denen die Band noch auf dem Grat zwischen Rock'n'Roll und Metal unterwegs gewesen sein soll (was "Drifting For The Hunter" wie erwähnt ja noch erahnen läßt), um die Entwicklung des Bandsounds zu verdeutlichen. Die vorliegende Fassung ist irgendwie weder Fisch noch Fleisch, was allerdings Faithful-Breath-Anhänger nicht daran hindern soll, die CD zu erwerben (und notfalls den CD-Player so zu programmieren, daß er nur die ersten acht Tracks abspielt).
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Born For Solution
Drifting With The Hunter
Atonal Attention
Strange Kind Of Love
Rocking Movie Star
Here We Are
No Nomination
New York City Run
Born For Solution (30a Edition)
Drifting With The Hunter (30a Edition)
Atonal Attention (30a Edition)
Strange Kind Of Love (30a Edition)
Rocking Movie Star (30a Edition)
Here We Are (30a Edition)
No Nomination (30a Edition)
New York City Run (30a Edition)
 




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