www.Crossover-agm.de
BIFFY CLYRO: Opposites
von rls

BIFFY CLYRO: Opposites   (14th Floor Records)

Den Namen Biffy Clyro hatte der Rezensent schon mal irgendwo gelesen und auch ein, zwei Songs auf irgendwelchen Samplern gehört, aber einen Anlaß, sich genauer mit der Truppe zu beschäftigen, gaben diese Ereignisse nicht - statt dessen wurden Biffy Clyro in der Gedankenschublade "Indie/Alternative der mäßig interessanten Art" abgelegt. Das änderte sich erst Anfang 2013 mit einer Bandvorstellung im Deutschlandfunk (!), aber bis dann das Album "Opposites" im Wohnbüro des Rezensenten landete und einige intensive Hördurchläufe erfuhr, sollten nochmals etliche Monate ins Land ziehen. Eins vorweg: Es gibt zwei Fassungen des Albums - ein Doppelalbum mit 20 Songs und eine einfache CD mit 14 Tracks; diese Rezension bezieht sich auf letztgenannte.
Auch wenn man von der Band noch nichts gehört hat, sondern die CD zufällig im Laden stehen sieht, könnte bereits das Cover Interesse wecken, dessen Stil einem merkwürdig bekannt vorkommt. Und richtig: Es handelt sich um ein Werk von Storm Thorgerson, noch dazu um sein letztes, bevor er 2013 starb. Der Mann ist bekanntlich mit seinen Arbeiten für Pink Floyd berühmt geworden, und nach Durchhören des Albums staunt man dann auch Bauklötze, daß Biffy Clyro sich keineswegs auf ihren traditionellen Alternative Rock beschränken, sondern teilweise stark in progressive Gefilde abdriften. Kurioserweise sind in der vorliegenden Fassung die Alternative-Tracks eher am Anfang versammelt, während die Band im weiteren Verlauf der 56 Minuten immer experimenteller wird. Freilich ahnt man schon anhand des balladesk anmutenden, aber in einen Highspeed-Tack mit interessanten Drumfiguren umschlagenden Openers "Different People", daß sich hinter "Opposites" mehr verstecken dürfte als nur typische, zwar gute, aber austauschbare Alternative-Tracks wie das als Single ausgekoppelte "Black Chandelier". Der Titeltrack entpuppt sich ungewöhnlicherweise als Ballade, "The Joke's On Us" läßt ein paar Punkeinflüsse durchblitzen, und "Spanish Radio" an sechster Trackposition beginnt den Reigen der die gewisse Stromlinienförmigkeit durchbrechenden Tracks: Mariachi-Trompeten und die ersten Orchestertürme formen ein interessant strukturiertes, teilweise recht mächtiges Gebilde, und ab dort beginnen auch einige der eher konventionellen Tracks Fahrt aufzunehmen, etwa das ebenfalls als Single ausgekoppelte "Biblical" mit seinem Breitwand-Stadionhymnen-Refrain samt Ohoho-Part, den man eigentlich auch eher in anderen Genres ansiedeln würde. Das Interessante an der Sache ist, daß Biffy Clyro bei aller hier immer weiter zunehmenden Instrumenten- und Ideenvielfalt diese immer noch in sehr kompakte Songs gießen: Außer dem 4:25 min langen "Stingin' Belle" erreicht kein Song der zweiten Albumhälfte die Vierminutenmarke, was man beim Hören manchmal geradezu bedauert, da man die eine oder andere Idee gerne noch ausführlicher ausgearbeitet erleben würde. Aber es ist auch nicht so, daß die Ideen etwa amputiert wirken würden, wenngleich sie durchaus hier und da zu überraschen wissen: Die erste Hälfte von "Stingin' Belle" etwa läßt die zweite Hälfte mit einem dudelsackdominierten Bombastpart noch keineswegs erahnen. "Skylight", ein bereits älterer Song, der aber für den Albumvorgänger "Only Revolutions" noch nicht aufgenommen worden war, erinnert im Intro kurz an "Behind Blue Eyes" von The Who, entwickelt sich aber bald in eine eigenständige Richtung, nämlich zu einer netten, allerdings im Gesamtkontext zu unauffälligen Ballade. Dann lieber "Trumpet Or Tap", wieder eine dieser Wundertüten: großer schleppender Stadionrock, den selbst so manche Doom-Metal-Band möglicherweise gern in ihr Repertoire übernehmen würde. Und "Modern Magic Formula" macht sich theoretisch auch auf jedem Classic-Rock-Album gut, wenn hier nicht Simon Neil mit seiner im Bandkontext passenden, aber für eine Classic-Rock-Umgebung leicht zu unexpressiven Stimme singen würde und ein paar Gitarrendissonanzen im Finale eliminiert worden wären. Die nächste Hymne ist mit "The Thaw" allerdings nicht fern, und hier kommen als weitere Zutat gar noch exzellent eingepaßte Americana-Elemente wie die countrykompatiblen Gitarren im Intro hinzu, und das Ganze gipfelt in einem monströsen bombastischen Part - auf diesen Song, um nun endlich mal den Bogen zu Thorgersons Ex-Hauptarbeitgeber zu schlagen, wären auch Pink Floyd stolz gewesen, obwohl er alles andere als eine Pink-Floyd-Kopie darstellt. Jede normale Band hätte diesen Song ans Albumende gestellt, aber Biffy Clyro sind Schotten, und Schotten bilden selten normale Bands - auf der Doppel-CD-Edition steht er zwar am Ende von CD 1, aber in der iTunes-Edition kommt danach noch ein knapp zweiminütiges Instrumental, und die einfache CD schließt mit "Picture A Knife Fight", das so sehr in Richtung Melodic Rock tendiert, daß man ein Cover vermutet, aber es scheint tatsächlich eine Eigenkomposition zu sein. Was für ein Refrain! Nicht alles, was auf den 56 Minuten glänzt, ist Gold, aber es findet sich doch einiges Edelmetall, und so wird sich der Rezensent auch mal auf die Suche nach den Vorgängeralben begeben, um dort vielleicht weitere interessante Funde zu machen. Auf dem Cover klebt übrigens interessanterweise einer dieser "Parental Advisory: Explicit Lyrics"-Sticker (wußte gar nicht, daß die überhaupt noch im Einsatz sind), aber solcherart Werbung haben Biffy Clyro eigentlich gar nicht nötig.
Kontakt: www.biffyclyro.com, www.14thfloorrecords.com

Tracklist:
Different People
Black Chandelier
Sounds Like Balloons
Opposite
The Joke's On Us
Spanish Radio
Victory Over The Sun
Biblical
Stingin' Belle
Skylight
Trumpet Or Tap
Modern Magic Formula
The Thaw
Picture A Knife Fight



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver