www.Crossover-agm.de BCPD BRASS ENSEMBLE: Vertrauen lernen
von rls

BCPD BRASS ENSEMBLE: Vertrauen lernen   (Gerth)

Nein, nicht "Brass Cocktail 3" - obwohl diese Titelgebung durchaus möglich gewesen wäre, denn an der grundsätzlichen Herangehensweise des BCPD Brass Ensembles an ihr blechbläserisches Programm hat sich auch auf "Vertrauen lernen" nichts Wesentliches geändert. Das Ensemble hat zwar einen seiner beiden Schlagzeuger eingebüßt, aber das offensichtlich nur als aktiver Mitwirkender, denn Heiko Kremers zeichnet sich zumindest noch für die Arrangements zu "Can You Feel The Love Tonight" (richtig, die Elton John-Schnulze aus "The Lion King" - hier in epischer Breite umgesetzt) und zum Choral "Sonne der Gerechtigkeit" (das älteste Stück der CD, immerhin ins 15. Jahrhundert zurückreichend) verantwortlich, während Stefan Weigel diesmal alleine am Schlagzeug saß und wieder für einen Teil der arrangementösen Fragen, die nach dem Hören offenbleiben, verantwortlich zeichnet. An manchen Stellen wirkt die Schlagzeugstimme nämlich ein wenig wie an den Haaren herbeigezogen, geht keine organische Verbindung mit den sieben blechblasenden Herren ein - es groovt schlicht und einfach nicht, obwohl es offensichtlich so intendiert war (man nehme beispielsweise "Wo Menschen sich vergessen"). In anderen Songs funktioniert das Zusammenspiel dagegen ausgezeichnet, so etwa gleich im folgenden "Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt". Die Problematik der technisch gutklassigen Umsetzung zweifelhafter Vorlagen war ja schon im Review zu "Brass Cocktail 2" angeklungen und findet sich auch auf der neuen CD wieder, leider sogar noch in verstärktem Maße und mitunter sogar innerhalb ein und desselben Liedes. Nehmen wir den Johannes Nitsch-Classic "Wie ein Fest nach langer Trauer", im Hauptteil von Arrangeur Michael Junker als zwar braves, aber gut funktionierendes jazziges Groovestück in Szene gesetzt - aber welcher Teufel ihn geritten hat, hier noch ein schräg-schrilles Trompetenintro davorzubasteln, das eher in einen Italowestern gepaßt hätte und an dieser Stelle den Hörer mit einem großen gußeisernen Fragezeichen erschlägt, das bleibt auch nach mehrmaligem Hören extrem zweifelhaft. Wie man das besser macht, wenn man schon Welten aufeinanderprallen lassen will, kann man in "Sonne der Gerechtigkeit" sehen bzw. hören, das nach einem traditionellen Intro in coolen Latinjazz umschlägt und dabei mit einer solchen Eleganz daherkommt, daß es das intendierte Aufgehen der Sonne der Gerechtigkeit förmlich in Bilder malt und selbst "Erbarm dich, Herr" seinen depressiven Charakter verliert. Die "reinen" Klassikstücke wissen über weite Strecken zu überzeugen, sowohl der Purcell-Doppelschlag als auch besonders (eine Entdeckung!) der ebenfalls doppelt vertretene Louis-James-Alfred Lefébure-Wély, der im "Marche" quasi musikalische Elemente des Blues vorwegnimmt (der Mann ist schon 1869 gestorben!), das "Andante" aber noch eher traditionell-romantisch anlegt. Händels "Rinaldo"-Aria entgeht der Gefahr, sich wie Kaugummi zäh dahinzuschleppen, durch vergleichsweise leichtfüßiges Agieren, Debussys "Le Petite Nègre" wird in ein niedliches Stück Kammermusik übersetzt, mit den Stölzel- und Bach-Menuetten konnte man in einer halbwegs ans Original angelehnten Version auch nichts falsch machen (auch wenn an manchen Stellen durchaus der Absturz droht), und so bleibt als einziger Ausfall im klassischen Sektor ausgerechnet die eröffnende "Prélude" aus Marc-Antoine Charpentiers "Te Deum", als Eurovisionsmelodie weithin geläufig. Diese beweist, daß es mitunter nicht nur unnötig, sondern sogar kontraproduktiv ist, unbedingt eigene neue Bearbeitungen klassischer Werke zu schaffen, wenn es schon als funktionierend bekannte Arrangements gibt. Die von Ensembletrompeter Dieter Kanzleiter geschriebene Version schafft es nämlich nicht, eine vernünftige Balance zwischen Trompeten und tiefen Instrumenten herzustellen und letztgenannte so durchzustrukturieren, daß von unten her mehr als undifferenzierter Teppichmulm kommt, auf dem die drei Trompeten wie Unbeteiligte hin- und herspringen. Sicher, ein paar gute Ideen sind zweifellos dabei, aber in ihrer Gesamtheit und in der hier vertretenen Einspielungssituation kann diese Version nicht überzeugen. Selbiges gilt übrigens in eingeschränkten Maße auch für Don Newbys Setting des Scharnowski-NGLs "Unser Vater", von dem mir zumindest ein deutlich schönerer Satz bekannt ist, was wiederum die Gestaltung der tiefen Stimmen betrifft. Nicht überzeugen kann auch Dieter Kanzleiters Versuch, unter dem Titel "Eurovisionen" eine Mixturkomposition aus Charpentiers Stück und eigenkomponierten jazzigen Passagen zu schaffen - die Passagen beißen sich dermaßen, daß man nur den Kopf schüttelt und auch hier wieder nach dem Warum fragt, wo doch wie bereits erwähnt mit "Sonne der Gerechtigkeit" ein gelungenes Beispiel für diese Herangehensweise auf der CD nachzuhören ist. Nichts gegen Experimente - aber alles an seiner Stelle. Von einer sauberen Einspielung war prinzipiell auszugehen, die Soundverhältnisse sind allerdings noch einmal extremer geworden als auf "Brass Cocktail 2", was die "Lücke" zwischen hohen und tiefen Instrumenten angeht, so daß nicht selten (und gerade beim Charpentier-Stück!) der Eindruck entsteht, beide Parteien musizieren eher aneinander vorbei als miteinander. Ob dieser polarisierte Sound gewollt ist oder nicht, wage ich entscheidungsseitig nicht zu beurteilen, aber er trägt dazu bei, daß ich zumindest mit Teilen von "Vertrauen lernen" nicht warm werde, die ausgewogener anmutende Herangehensweise beispielsweise der Labelkollegen von Eurobrass vorziehend. Blechfreunde sollten sich ein eigenes Urteil bilden, denn neben dem Schatten hat "Vertrauen lernen" wie beschrieben natürlich auch etliches an Licht gebunkert.
Kontakt: www.bcpd.de, www.gerth.de

Tracklist:
Prélude (Eurovisionsmelodie)
Wo Menschen sich vergessen
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
Hymne 1
Hymne 2
Swing 42
Can You Feel The Love Tonight
Marche
Andante
Wie ein Fest nach langer Trauer
Trumpet Tune
Rigaudon
Sonne der Gerechtigkeit
Ich sing mein Lied
Aria aus "Rinaldo"
Swingin' Round
Le Petite Nègre
Menuett 1
Menuett 2
Unser Vater
Wir vertrauen unserm Gott
Schalom, Schalom, der Friede sei mit dir
Eurovisionen
Summerfeeling



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