www.Crossover-agm.de ASAF AVIDAN & THE MOJOS: Poor Boy Lucky Man
von *tf

ASAF AVIDAN & THE MOJOS: Poor Boy Lucky Man   (Telmavar Records)

Manche Dinge gibt es, ohne dass wir davon wissen: so auch die Geschichte von Asaf Avidan und The Mojos, die in Israel Superstars sind, von denen ich zuvor jedoch noch nie etwas gehört habe. Denn hätte ich es, ich hätte es nicht vergessen: Avidans Falsettstimme, die mich nachdrücklich an die von David Surkamp (nein, nicht der vom Verlag, der schreibt sich anders, sondern der Sänger der Band Pavlov's Dog, deren Platte "Pampered Menial" bei mir im Regal steht und der sich mit "Julia" in mein Musikgedächtnis gesungen hat ...) erinnert, vergisst man nicht so schnell. Es ist nicht nur, wie es der Infoflyer der Plattenfirma schreibt, ein "Stimmwunder", dem man lauscht, sondern schon eine sehr spezielle, gewöhnungsbedürftige Stimme, die so plötzlich aus den Boxen schallt. Dazu beim Opener seewassererprobte Shantyklänge, so als ob eine 33er Schallplatte von The Pogues mit 16 Umdrehungen abgespielt wird - allerdings mit mehr Platz für Klangspielereien.
Nummer zwei, der Titelsong erinnert nicht nur vom Titel, sondern auch vom Sound her eindringlich an die 1999er Scheibe "Good Dog, Happy Man" von Bill Frisell. Scheint hier Nashville nicht so unendlich weit von Israel zu liegen, verlassen wir den amerikanischen Kontinent im nächsten Track Richtung England und back to the sixties. Auch wenn ohrenkundig kein Tamburin zu hören ist, klingt der Song, als ob Sänger Asaf Avidan ein solches wirbelnd den Mitmusikern voranschreitet: Flower, Power, Entrückung.
Großes Ohrenkino wieder bei Titel 5, bei dem der Sänger seine Stimme nochmals besonders geölt hat, gefolgt von einem geradezu cool zurückgelehnt dargebotenen "Ghost Of A Thousand Little Lies", der mit geradezu Janis-Joplinesken Stimmausbrüchen diese Grundstimmung dramaturgisch geschickt zu unterbrechen weiß. Dieser Song - für mich der stärkste überhaupt auf dem gesamten Album - verbindet Stimmgewalt mit Gefühl, Joplin mit Nina Hagen und wieder zurück zur Schlichtheit besonderer Coolness.
Mit dem folgenden Titel drehen Avidan & The Mojos die Zeit nach vorn: Wenn auch vom Grundgerüst her beste Beat-Musik, ist doch der Sound recht zeitgemäß gelungen und verbindet den Grundgedanken der Original-Mojos aus den 60ern mit dem Lebensgefühl des Hier und Jetzt.
"Jet Plane" dagegen hat so gar nichts mit dem fast gleichnamigen Song von Jon Denver gemein, sondern zeigt, dass die Band auch gehörig rocken kann: Da lugen mal The Who um die Ecke (als deren Vorband Asaf Avidan und Kollegen bereits konzertieren durften), klingt der Gitarrensound "made in Finland", bereitet man den geneigten Zuhörer quasi auf den folgenden Titel vor, der geradezu puristische Gitarrenmucke á la Alternative-Rock today mit irrwitzigen, aber berechenbaren Stimmausbrüchen verbindet.
Der Anker-Song Nummer 10 ist ein meerschaukelnder 6/8-Groovie, der filigran treibende Gitarrenarbeit mit sparsamen Melodieschnörkeln verbindet. Spätestens hier habe ich mich denn auch vollends an das ungewöhnliche Organ des Vokalisten gewöhnt, habe Zeit, über biblische Parallelen, die sein Vorname assoziiert, zu sinnieren. War es doch der Levit Asaf, der als einer der Vorsänger im Chor von König David brillierte, dem die Psalmen 50 sowie 73-83 zugeschrieben werden und der als Musiker und "Seher" namentlich Erwähnung in 2 Chr. 29,30 findet. Übrigens nicht nur dort, sondern auch auf dem Paul Gerhardt zugeeigneten Epitaph in der Lübbener Kirche, wo es heißt: "In Tönen voller Kraft, gleich Asaphs Harfenklängen. Erhob er Christi Lob. Mit himmlischen Gesängen."
Kraftvoll geht es auch auf der vorliegenden Scheibe weiter, wenn auch der Neuigkeits- bzw. Überraschungswert von Titel 11, 12 und 13 etwas abflacht, aufgefangen durch ein schönes (elektronisches bzw. elektronisch verfremdetes) Mundharmonikasolo in "Painting On The Past".
Ein nettes Gimmick am Schluss: "My Latest Sin" beginnt mit einer längeren Generalpause, so dass man zunächst denkt, die Platte sei schon zu Ende. Dann doch noch: Lagerfeuertaugliche Gitarrenmucke, die dem Ganzen ein unprätentiöses Ende setzt.
Fazit: Eine hörenswerte Scheibe, zudem eine mit schönem Artwork verzierte Verpackung derselben - auf jeden Fall eine Entdeckung wert ...
Kontakt: www.mymojolove.com

Tracklist:
1. Brickman
2. Poor Boy
3. Got It Right
4. My Favorite Clown
5. Small Change Girl
6. The Ghost Of A Thousand Little Lies
7. Wasting My Time
8. Jet Plane
9. Little Stallion
10. Your Anchor
11. Losing Hand
12. Painting On The Past
13. Out In The Cold
14. My Latest Sin
 




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