ANYONE‘S DAUGHTER: Danger World von ta (Zomba Distribution) Endlich wieder Musik! Übermässige
Bescheidenheit muss sich der Texter der Promotionbeilage (in welcher vorhergehender
Satz zu finden ist) nicht vorwerfen lassen. Vielleicht hat er die letzten
15 Jahre ja in Gesellschaft von Kreissäge und Meißel in seinem
Keller verbracht. Wer sich jetzt wundert, warum denn gerade 15 Jahre hier
stünden, dem sei gesagt, dass die offizielle Auflösung von Anyone‘s
Daughter eben vor 15 Jahren geschah. Somit kann es sich bei "Danger World"
also entweder um einen Re-Release oder ein Reunion-Album handeln; in vielen
Fällen ist das eine ebenso überflüssig wie das andere. Spätestens
eine nähere Inspizierung des Backkataloges zeigt, dass sich die süddeutsche
Formation wieder zusammengefunden haben wird, wobei ich hinzufügen
muss, dass von der ursprünglichen Besetzung lediglich Uwe Karpa (git)
sowie Matthias Ulmer (keys) verblieben sind. Umso überraschender ist
da die Tatsache, dass man sich dem Charme von "Danger world" nur schwerlich
entziehen kann. Statt musikalisch beim sphärischen Progressive-Rock
alter Zeiten zu verweilen oder an einer Synthese von diesem mit "modernen"
Einflüssen zu scheitern, zeigt "Danger world" 50 min lang durchaus
aktuelle, teilweise kommerzielle ("Nina", "I`ll never walk that road again"
u.a.), nie ausufernde, aber virtuose ("Helios" u.a.) Rocksongs sowie eine
auf Dancefloor getrimmte Version des alten Hits "Moria" (die zweite Auflage
eines schon früher veröffentlichten Songs neben dem ruhigen Albumausklang
"The sundance of the Haute Provence"), auf die ich persönlich getrost
verzichten kann und die aufgrund der anspruchsvollen Gesangslinie in ansässigen
Tanztempeln ohnehin keinen Anklang finden dürfte. Sei‘s drum, lohnenswerte
Kost bekommt der Hörer erfreulicherweise trotzdem im überwiegenden
Maße serviert. Da wäre zum Beispiel der zweite Song "Good gone
bad", der sich aufgrund des immens groovenden Teppichs, den die Rhythmusabteilung
hier ausbreitet, zum Live-Dauerbrenner entwickeln dürfte (ab sofort
will man sich coram publico präsentieren). In eine ähnliche Kerbe
schlägt der Titelsong, der zudem mit ungewöhnlicher Melodieführung
im Refrain aufwartet. Nicht nur hier kokettiert man mit der Konserve entstammenden
Staffagen, insbesondere elektronisches Schlagwerk lässt sich - dezent
eingesetzt - des öfteren konstatieren, erfreulicherweise jedoch ohne
dass man als Lauschender den Eindruck gewinnt, die Band versuche â
tout prix modern zu klingen. (Heute zum Frühstück 'n Fremdwörterbuch
gefuttert, was? - Anm. rls) "I`ll never walk that road again", gleichzeitig
die 2. Radiosingle (nach dem sehr poppig-missglückten "Nina", welches
dennoch einen Text aufbietet, der jeden Vater berühren dürfte),
offenbart anfangs tatsächlich enormes Radiopotenzial, der instrumentale
Ausbruch im Mittelteil zerstört dann aber doch die Chance auf Airplay
bei Radio Energy (sollte jemand den Song trotzdem dort vernommen haben
- bitte Meldung erstatten!). Tatsächlich scheinen sich Anyone‘s Daughter
zu bemühen, auch die Liedteile, welche keine gesangliche Unterstützung
bieten, interessant zu gestalten. Seinen Höhepunkt erreicht diese
filigrane Ausarbeitung in meinem persönlichen CD-Favoriten "Helios":
Sehr vertrackte Einsätze wurden im Zusammenspiel verschiedener Stimmen
zweifelsohne genial verarbeitet, so dass trotz der instrumentalen Virtuosität
ein eingängiges Stück Musikkunst geboren wurde, welches - zudem
mit einer schönen Gesangseinlage vom neuen Vokalisten Andre Carswell
versehen (der ansonsten eine leicht verdauliche und saubere Leistung zu
Tonträger bringt) - den Begriff "Artrock" definitiv verdient hat.
Besonders anhand dieses Songs lassen sich die einstigen Wurzeln dieser
Band nicht verleugnen, auch, weil man inhaltlich - wie schon der Liedtitel
andeuten dürfte - in verhältnismäßig realitätsfernen
Welten schwelgt. Die restlichen Texte beschäftigen sich zum größten
Teil mit dem menschlichen Leben in der heutigen Welt, auch untereinander,
wobei ich persönlich gegen ein zweites Hermann Hesse-beeinflusstes
Album (wie seinerzeit "Piktors Verwandlungen") sicherlich keine Aversion
empfinden würde - was sich mit der kompakteren Musik heutiger Tage
jedoch wohl nur bedingt vertragen würde. Im übrigen: Die Entwicklung
von Anyone‘s Daughter ließe sich grob mit der von Genesis vergleichen,
die auch mit Phil Collins am Mikrophon noch qualitativ hochwertig zu musizieren
in der Lage waren. Wessen Interesse geweckt ist, der schaue bei wahlweise
www.ePark.de
oder www.anyonesdaughter.de
vorbei.
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