www.Crossover-agm.de AETHELLIS: Aethellis
von rls

AETHELLIS: Aethellis   (Affinity Music Library)

Das Cover läßt bei flüchtigem Hinschauen ein Trio vermuten, aber ein exakterer Blick legt den Schluß nahe, daß es sich bei den drei Gesichtern um ein und dieselbe Person handelt, und ein Blick ins Inlay bestätigt den Verdacht, denn dort ist Ellsworth Hall als Alleinkämpfer an Keyboards, Gesangsmikro, Gitarre und "digi-drums" aufgeführt. Das musikalische Ergebnis aber überrascht dann doch, denn in solistischer Form nun ausgerechnet Progrock aufzunehmen ist alles andere als gewöhnlich (die meisten Alleinkämpfer intonieren heutzutage ja eher misanthropischen Black Metal). Das heißt, das Wort "Rock" muß man bei Aethellis ebenfalls mit Vorsicht genießen, denn die Tatsache, daß in der Instrumentenauflistung die Keyboards an erster Position stehen, spricht bezüglich der Grundkonzeption der Songs Bände - Gitarren gibt's über weite Strecken nur in recht hintergründiger Form, selten mal gerüstartig riffend (eines der wenigen Beispiele: der dem dramatisch-feierlichen Orgelintro folgende Part von "Saint Augustus"). Trotzdem ist das hier alles andere als seicht, denn Ellsworth versteht es, seine Kompositionen über weite Strecken abwechslungsreich und eingängig zugleich zu gestalten - Eigenschaften, die seine ohrenkundigen Vorbilder ebenfalls pflegten: die Achtziger-Yes (also nicht die urgewaltigen Kompositionen der Siebziger, sondern eher die "90125"-Periode) sowie die frühen Saga. Man höre sich als Beispiel nur mal das erwähnte "Saint Augustus" an, das trotz seiner achteinhalb Minuten Länge im wesentlichen nur aus drei oder vier verschiedenen Themen in minimaler Variation besteht und trotzdem nicht langweilig wird - man achte auch mal auf die winzige Rhythmusverschiebung im Mittelteil, wenn das Orgelthema aus dem Intro wiederkehrt! Natürlich kann nicht über die gesamte Distanz von 48 Minuten ein gleichmäßig hohes Niveau gehalten werden (an manchen Stellen fehlte dann offensichtlich doch der Input eines Außenstehenden, der die eine oder andere Wiederholung noch rausgenommen oder noch eine weitere Variation vorgeschlagen hätte - Ellsworth ist nicht nur Alleininstrumentalist, sondern auch Alleinkomponist, Produzent und Engineer im eigenen Studio in Timonium MD, also im Bundesstaat Maryland an der Ostküste der USA gelegen, und so schwimmt er praktisch im eigenen Saft, was der Homogenität des Albums allerdings durchaus gut getan hat, und auch am Sound gibt es wenig zu deuteln, nicht mal die kaum als solche erkennbaren Computerdrums und der wohl ebenfalls künstlicher Erzeugung entstammende Baß stören). Die genannte Gesamtspielzeit kommt übrigens mit gerade einmal sechs Songs zustande - "Djibouti" ist mit fünfeinhalb Minuten der kürzeste Song, das als Rausschmeißer folgende "Final Affinity" bringt es dagegen auf knapp 12. Relativ weite Passagen verbleiben in einigen Songs instrumental - "Djibouti" etwa ist komplett instrumental gehalten, weist aber trotz des Titels keine afro-orientalischen Elemente in der Musik auf (die hat dafür "Final Affinity" in den röhrenglockenartigen Passagen ab Minute 1 mitbekommen, deren Melodik bisweilen etwas orientalisch tönt), und im Opener "Tie And Handkerchief" vergeht erstmal gut die Hälfte der reichlich sieben Minuten Spielzeit, bis Ellsworth zum ersten Mal den Mund öffnet und den Hörer feststellen läßt, daß der Gesang so ein bißchen der Schwachpunkt des Albums ist. Ellsworth ist mit Sicherheit kein schlechter Sänger, aber er intoniert seine Vocals etwas zu brav, mit zuwenig Ausdruck, etwas mangelnder Intensität. Von der Stimmlage her erinnert er bisweilen an Eloys Frank Bornemann, der die Aufgabe des ausdrucksstarken Singens aber insgesamt besser gelöst hat. Man achte bei Aethellis mal auf die keyboardsimulierten Stimmpassagen in "Portal" kurz vor Minute 4 - da steckt wirklich eine gute Idee drin, aber Ellsworths eigener Gesangseinsatz danach gerät schon wieder zu sehr zum Wattebausch. Ein bißchen mehr Expressivität hätte dem Gesang nicht geschadet - natürlich ist nicht jeder ein zweiter Jon Anderson oder Michael Sadler, aber hier tun sich noch Steigerungsmöglichkeiten auf. Mein Favorit auf der CD ist "Final Affinity", das stilistisch am meisten an Eloy erinnert und speziell mit seinem sehr einfallsreichen instrumentalen Mittelteil zu begeistern weiß, in dem kurz nach Minute 6 hintergründig das Thema von Deep Purples "Anya" durchscheint und kurz vor Minute 8 mit einem neuerlichen Orgelthema ein sehr interessanter Verarbeitungsteil ebendieses Themas eingeläutet wird. Den Namen Aethellis sollte man sich als Progfan auf jeden Fall merken.
Kontakt: Affinity Music Library, 924 Coteswood Circle, Cockeysville MD 21030, USA oder direkt via www.aethellis.com

Tracklist:
Tie And Handkerchief
Saint Augustus
Hubris
Portal
Djibouti
Final Affinity





www.Crossover-agm.de
© by CrossOver