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Peter Wicke: Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der POPMUSIK
von *tf anno 1999

Peter Wicke: Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der POPMUSIK

Ganz so geradlinig, wie der Buchtitel es vermuten läßt, gerät die Linie nicht, die Peter Wicke, der Leiter des Forschungszentrums Populäre Musik an der Humboldt-Uni, in seinem neuen Buch zeichnet. Interessant ist der Versuch jedoch allemal, Popmusik in historischem Verlauf zu beschreiben. Denn in der Popmusikliteratur findet sonst eine sorgfältige Trennung abendländischer Tradition und afroamerikanischen Kulturerbes statt, hat der Wiener Walzer nicht das geringste mit einem Rave heutiger Tage gemeinsam. Diese Verbindungslinien möchte Wicke herauskristallisieren und bedient sich dabei eines kulturtheoretischen Ansatzes. Er fragt nach der sozialen Funktion von Musik und stößt dabei, wie zu erwarten, auf eine Reihe von Übereinstimmungen. Diese jedoch auch zu finden, überläßt Wicke dem Leser, da sein Text sich unbeirrbar am historischen Verlauf orientiert. Und so zerfällt sein Buch eigentlich in zwei Teile, die sich in die Zeiten v.a.E. (vor afroamerikanischen Einflüssen auf abendländische Kultur) (nicht etwa irgendwas mit "vereinigter arabischer Emirate - rls) und n.a.E. trennen lassen. Im ersten Teil orientiert sich Wickes Geschichtsschreibung der populären Musik vor allem an tanzbarer Musik, so dass dieser Teil eher wie ein Buch über populären Tanz anmutet. Wickes Anliegen dabei ist es, Tanz als Konzentrat sozialer Rollenspiele, als emotionale Sozialisation und Mittel sozialer Distinktion darzustellen, was ihm auch größtenteils überzeugend gelingt. Inwiefern sich die Musik einer solchen Funktionalisierung auch in ihrer Gestalt unterwarf, ist anschaulich dargelegt am Beispiel der „Sträuße“. Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Überlegung Wickes zur Funktion von Salonmusik und dem damit verbundenen Einzug des Klaviers in deutsche Haushalte. Ergänzt wird der erste Teil durch Betrachtungen zum Einfluß der Technik und der Medien auf die Musik. Diese Betrachtungen stellen gewissermaßen die Überleitung zum zweiten, wesentlich kürzeren und oberflächlicheren Teil dar, da Wicke eine lineare Fortführung populärer abendländischer Musik zu einer solchen unter dem Einfluß afroamerikanischen Musikverständnisses- und Gebrauchs nicht gelingt. So bilden außermusikalische Faktoren eine Klammer zwischen beiden Musiken, ohne dass Wicke auf diesen Umstand näher eingeht. Populäre Musik bleibt bei ihm populäre Musik, obwohl sich das Verständnis des Begriffes merklich geändert hat. Diesen Umstand so unterzubelichten bleibt ein Mangel der Lektüre, die sich sonst durch pointierten Schreibstil und damit verbunden gute Lesbarkeit auszeichnet.

Peter Wicke: Von Mozart zu Madonna, Kiepenheuer, 1998, ISBN 3-378-01030-4
 






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