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Jakob Sprenger, Heinrich Institoris: Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum
von rls anno 2000
In den reichlich 250 Jahren
zwischen 1258 und 1526 erließen die Päpste nicht weniger als
47 Manifeste gegen Zauberei und Hexentum. Keines dieser hat aber solche
Bedeutung erlangt wie die Bulle Summis Desiderantes, die Innozenz VIII.
1484 herausgab und die trotz der Tatsache, daß inquisitorische Tätigkeiten
schon seit Jahrhunderten im Gange waren (man erinnere sich an "Der Name
der Rose", das in diesem Punkte historisch korrekt ist und 1327 spielt),
die eigentliche Initialzündung für Hexenverfolgungen umfangreichster
Art darstellte. Das Problem der Bulle war, daß ihre Praxisorientierung
sehr zu wünschen übrig ließ, und so kam der mit der heiligen
Inquisition betraute Dominikaner Heinrich Institoris auf die Idee, ein
Handbuch zur Anleitung und Unterstützung des praktischen Vorgehens
gegen Hexen und Hexerei zu schreiben, zu welchem sein Ordensbruder Jakob
Sprenger eine "Apologia" als Vorwort beisteuerte - der "Malleus maleficarum"
war geboren. Um dem Buch die nötige autoritäre Hinterlegung zu
geben, bat Institoris die Kölner Theologische Fakultät, an der
die damaligen Koryphäen der Theologie saßen, um ein Gutachten,
das er auch bekam. Indes fiel ihm dieses nicht wohlwollend genug aus, also
"fälschte man ein zweites und heftete es dem neu erschienenen Buche
als Talisman vor; klugerweise allerdings nur einem Teil der Auflage, die
für Köln und Umgebung nicht berechnet war, um vorzeitige Entdeckung
zu verhüten" (Vorwort, S. XVI). Bis 1669 erlebte das Buch 29 Auflagen,
und daß es auch rege benutzt wurde, davon geben zahlreiche lodernde
Scheiterhaufen Zeugnis. J.W.R. Schmidt übersetzte das lateinische
Original im Jahre 1906 erstmals ins Deutsche, und die vorliegende dtv-Ausgabe
ist ein Nachdruck eines Nachdruckes der Schmidtschen Übersetzung,
der u.a. auch die Bulle und das gefälschte Gutachten, beide in Deutsch
und Latein, enthält.
Das eigentliche Buch ist
in drei Teile gegliedert. Teil 1 läßt sich über die Voraussetzungen
zur Hexerei aus und stellt eine wüste Ansammlung von Äußerungen
der Bibel und aller möglichen Theologen respektive Philosophen (was
damals weitenteils ein und dasselbe war) dar, mit der Fragen wie z.B. die,
ob durch Inkubi und Sukkubi Menschen gezeugt werden können (heute
grinst man darüber, aber damals war sowas höchst wichtig), abgehandelt
werden. Wie auch die anderen Teile ist dieser Abschnitt für den theologischen
Laien nahezu undurchdringlich, was durch halbseitige Schachtelsätze
grammatikalisch partiell zweifelhafter Qualität nicht unbedingt geändert
wird. Gerade die Passagen, wo sich z.B. zwei Philosophen zu einem Problem
antagonistisch geäußert haben, verlangen dem Leser alles ab,
um die Gedankengänge, mit denen Institoris die beiden Äußerungen
unter einen Hut zu bringen versucht, nachzuvollziehen. Jedenfalls wird
u.a. die wichtige Grunderkenntnis eruiert, daß schon die Aussage,
es gäbe gar keine Hexerei, ketzerisch ist - dies allein reichte in
vielen Fällen bereits für den Scheiterhaufen aus.
Teil 2 erklärt die
Arten der Hexerei und die entsprechenden Gegenmittel. Hier hat Institoris
die päpstliche Bulle unbefugt ein wenig weiter gefaßt, denn
er fügt das Kapitel "Von der Art, wie die Hexen von Ort zu Ort fahren"
ein, zu dem sich Innozenz VIII. nicht äußerte, wohl in der Erkenntnis,
es sei nicht nützlich, sich in der damals noch schwelenden Streitfrage,
ob die Hexenfahrten Realität seien oder nicht, zu positionieren. Institoris
hinterlegt den gesamten Teil mit zahlreichen Exempeln aus der bisherigen
inquisitorischen Praxis, die einen beeindruckenden Blick in die gesellschaftliche
Realität der damaligen Zeit ermöglichen. Auffällig ist,
daß die Termini Hexer und Ketzer oftmals synonym gebraucht werden,
obwohl sie nun wahrlich nicht hundertprozentig gleichsetzbar sind.
Der wichtigste Teil ist
der dritte, denn hier geht es um die praktische Handhabung der Hexenverfolgung,
wobei sowohl die Prozeßordnung (in der u.a. die Verteidigungsrechte
stark beschnitten werden) als auch der Strafkodex ausführlich dargestellt
und erläutert werden. Institoris' Hauptfehler - neben dem, daß
er ein aus heutiger Sicht mehr als inhumanes Verfolgungssystem sanktionierte
- besteht darin, auf den Gerechtigkeitssinn der Richter großen Wert
zu legen und diesem kein Kontrollinstrumentarium zur Seite zu stellen,
so daß der Willkür Tür und Tor geöffnet wurde, zumal
in vielen Fällen die Prozeßordnung nicht eingehalten worden
sein dürfte, da sich wohl kaum jemand erkühnt hat, gegen Formfehler
vorzugehen. Hätte sich wirklich jeder Richter buchstabengetreu an
die Buchvorschrift gehalten, dann hätte die Anzahl der Verurteilungen
nie die Ausmaße annehmen können, wie das in der Realität
der Fall war (es wären aber immer noch mehr als genug gewesen). Daß
man diesen Teil (wie auch das ganze Buch) nur verstandesmäßig
zu erfassen suchen sollte, wenn man sich in die geistige Situation des
ausgehenden Mittelalters versetzen kann, steht außer Frage. Ist man
dazu in der Lage, dann tut sich ein faszinierendes geistesgeschichtliches
Dokument auf, das lediglich den technischen Mangel hat, daß Institoris'
und Schmidts Klammerbemerkungen im Text typographisch nicht zu unterscheiden
sind (oft auch nicht anhand des Kontextes), das aber nichtsdestotrotz -
so steht's neben der Titelseite - "dem Benutzer immerwährende Warnung
vor Inhumanität sein muß". Und bevor jetzt irgend ein überschlauer
Satanist daherkommt und neue Munition in seinem (un)heiligen Krieg gegen
die Christen gefunden zu haben glaubt: Erstens wirst du das Buch wahrscheinlich
gar nicht verstehen (bissel theologisch-philosophisches Grundwissen braucht
man nämlich schon dafür), und dann kehr' bitte erstmal vor deiner
eigenen Tür. Danke.
Jakob Sprenger, Heinrich
Institoris: Der Hexenhammer - Malleus maleficarum. München: dtv 1999. Ca. 800 Seiten. ISBN 3-423-30098-1. DM 29,90
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