„Dies ist ein Buch über Rock´n´Roll und Amerika. Weder Geschichtsbuch noch reine Analyse der Musik. Auch keine Aneinanderreihung von Kurzbiographien. Es ist der Versuch, den Rock´n´Roll nicht als Jugendkultur oder Gegenkultur, sondern schlicht und ergreifend als amerikanische Kultur zu betrachten. Die Musiker, über die ich geschrieben habe – THE BAND, RANDY NEWMAN, SLY STONE, ELVIS – sagen mir zum Teil deswegen zu, weil sie ehrgeiziger sind und größere Risiken in Kauf nehmen als die meisten anderen. Ihre Geschichte ist keineswegs die ganze Geschichte, aber sie könnte uns klarmachen, wie sehr es auf Geschichte ankommt. Und das ist es, worum es in diesem Buch geht“.
Sowohl Strategie als auch Methode seines Buches werden von Autor Greil Marcus in dieser knappen Form trefflich im Klappentext dargestellt. Und das Buch übertrifft in allen Punkten die daraus resultierenden Erwartungen des Lesers. Es nimmt ihn mit in die Ästhetik des frühen Amerika und seiner Siedler – frei von romantisierenden Elementen oder schwülstigem Pathos. Da wird von der Haßliebe zur neuen Heimat geschrieben, von inneren Kämpfen zwischen Erlösung und Verdammnis, von elementaren Erfahrungen von Schuld und Vergebung, Gnade und Sünde. Und Marcus schildert bildreich die Entstehung einer Musik, die aus Entwurzelung und Noch-Nicht-Angekommen-Sein entsteht. Fazinierend, wie ihm die Gratwanderung zwischen musikalischer und anthropologischer Perspektive gelingt. Der Gewinn für unsere Denkart einer Kultur als Rock´n´Roll-Kultur ist umso wertvoller, als auch heute die Betrachtung der Rockmusik als Jugendmusik kulturbildende Aspekte ausblendet, die Betrachtung von Rockkultur als Gegenkultur eine Dialektik errichtet, die unvoreingenommene Betrachtung nahezu unmöglich macht. Unter dieser Folie wird verständlich, warum die Kritik der Rockmusik als Teufelzeug ihre Heimat in amerikanischer Frömmigkeit hat: die Instrumente zur Beurteilung werden von ihr selbst bereitgestellt, die Argumentation entspringt der ihr innewohnenden, sie bestimmenden Dialektik des Entweder-Oder, des Gut-oder-Böse und der Gewißheit der Vorherbestimmung alles Kommenden. Dies hier weiter zu erläutern, würde jedoch in einen theologisch-philosophischen Exkurs ausufern, den ich an dieser Stelle vermeiden möchte. Nur soviel: dieses Buch sollte sowohl in der theologischen als auch in der kulturwissenschaftlichen Ausbildung im Lehrplan enthalten sein. Für denjenigen, der sich seinen liebenden Blick für die Rockmusik erweitern möchte, sei es ebenso empfohlen wie für den, der ein spannendes Buch über den Mythos Amerika sucht ...

Greil Marcus: Mystery Train, Rogner & Bernhard, ISBN 3-8077-0255-5, nur bei Zweitausendeins erhältlich: Postfach, 60381 Frankfurt/M., www.zweitausendeins.de
 

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