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Jan Koenot: Hungry For Heaven
von rls anno 1999

Jan Koenot: Hungry For Heaven

Hmmm. Hollahi du dödel di. Lalala. Uuuuaaaaarrrrrgggghhhh! Düdelidö. Pling. Life is life - nanananana ... Stop! Der letzte war von Opus, und Koenot sagt im Vorwort doch ausdrücklich: "Kreative Musik lädt ein zu befreiendem Denken. Legen Sie dieses Buch nach der Lektüre beiseite, und singen Sie Ihren eigenen Song."
Aber was ist das nun für ein Buch? Ich könnte es mir einfach machen und vom hinteren Einband folgendes übernehmen: "... eine Anthropologie, Ästhetik und Kulturphilosophie, die die Bedeutung von Rock als typisches Ausdrucksmittel der gegenwärtigen Gesellschaft aufzeigt." Das trifft's über weite Strecken sogar. Aber es geht noch einfacher: Dieser in die drei Abschnitte des Untertitels, also Rockmusik, Kultur und Religion, gegliederte Essay macht den Versuch, die Rockmusik und eine Reihe Phänomene ihres Umfeldes philosophisch zu erklären. Allerdings bleibt es auch beim Versuch, denn Koenot bleibt mitunter gewissermaßen auf halber Strecke stehen, zieht keine Konsequenzen aus seinen Erkenntnissen oder verkennt Zusammenhänge. Beispielsweise bemerkt er sehr richtig, daß wir heute in einer "Kultur nach dem Wort" leben, da mit Worten nur noch selten das gesagt wird, was auch gemeint ist - andererseits analysiert er Rockmusik auch anhand einzelner Textaussagen, die ja nichts anderes als Worte darstellen, und weist auf dieses Problem sogar noch hin, ohne es aber auszuarbeiten. Aber Koenot (der übrigens Theologe und Doktor der Philosophie ist und leider auch so schreibt) kann's auch besser: Das Verhältnis von Rock und Religion z.B. schildert er auf S. 178 ff. so treffend und kenntnisreich, daß es den Herren vom Schlage Bäumer-Banol den Boden unter den Füßen wegreißen müßte. An anderen Stellen wiederum hat man das Gefühl, daß Koenot Bedeutungen in Dinge hineininterpretiert, die diese gar nicht haben. Auch muß als Problem angeführt werden, daß ein Hauptteil von Koenots Analysen auf der Grundlage der englischen Musikzeitschriften New Musical Express und Melody Maker erfolgte, was es m.E. für einen Teil der Faktoren und Ergebnisse nur mit Mühe gestattet, sie auf deutsche Verhältnisse zu übertragen (jaja, ich weiß, Musik ist eine globale Sprache, aber die ihr innewohnende Kraft setzen Musiker aus unterschiedlichen Kulturkreisen auch unterschiedlich um, und unterschiedliche Musikkritiker interpretieren mitunter völlig unterschiedliche Bedeutungen in ein und dieselbe Musik). Schlußendlich sei noch bemerkt, daß selbst der große Sartre (der eine wichtige Stütze von Koenots Argumentation darstellt) nicht immer die günstigste Ausfahrt von der Gedankenautobahn gefunden hat: Er meint (S. 119), menschliche Phänomene "... könnten nur von einer Zukunftsperspektive her erhellt werden, weil das die Richtung des Lebensverlaufes sei." Dabei übersieht er aber, daß der Zeitstrahl, der vom in Wahrheit in der Vergangenheit liegenden Grund für das Phänomen über das Phänomen selbst zum jetzigen Zeitpunkt des Betrachtens führt, ebenfalls wie der Lebensverlauf gerichtet ist, während sich bei Sartres Betrachtung eine dem Lebensverlauf antagonistische Richtung ergibt.
Fazit: Für 80 Prozent der Leserschaft ist dieses Buch nicht von Bedeutung, da sie sich im philosophischen Dschungel nicht zurechtfinden würden. Die anderen 20 Prozent sollten es aber unbedingt (wenn auch stets mit kritischer Wachsamkeit) lesen. Hier tut sich nämlich neben einer zwar noch nicht ausgereiften, aber bemerkenswerten Sicht der Dinge auch eine Argumentefundgrube auf.

Jan Koenot: Hungry For Heaven. Rockmusik, Kultur und Religion. Düsseldorf: Patmos 1997. 230 Seiten. ISBN 3-491-72367-1. DM 39,80
 






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