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Michael Kiske: Kunst und Materialismus. Ein Aufruf an die Lebenden
von rls anno 1998
Michael Kiske gehört
zur absoluten Sänger-Elite in Deutschland. Sieben Jahre lang schwang
er das Mikro beim Hamburger Powermetal-Flaggschiff Helloween, seit 1994
ist er als Solokünstler unterwegs. Wer nun aber glaubt, Kiske habe
mit diesem Buch seine Memoiren veröffentlicht, liegt definitiv falsch.
Der zweite Untertitel "Ein idealistisches Manifest als gründliche
Abrechnung mit einer lehrreichen Vergangenheit und deutliches Glaubensbekenntnis
für die einzig wahre Zukunft" mag zwar hochgestochen klingen, gibt
aber in etwa den Inhalt des Buches wieder.
Kiske sammelt schon im Vorwort
erste Sympathien bei mir: "Ich will den Leuten lieber zuviel zumuten, als
dem Gemeinen zu gefallen." Genau meine Maxime, und was er damit meint,
wird einem bei der Lektüre der Folgeseiten schnell klar: Otto Normalverbraucher
wird sich bei Kiskes Thesen über das Verhältnis zwischen Kunst
und Materialismus rasch kopfschüttelnd abwenden, weil er das, was
Kiske hier ausspricht, nicht versteht oder nicht wahrhaben wollen wird.
Kiske vertritt eine relativ radikale Ansicht, und zwar dahingehend, daß
die materialistischen Bestrebungen die Kunst bereits zu 99,99 % unterwandert
haben, damit zur A-Sozialität (nicht zu verwechseln mit der gängigen
Deutung des Terminus "asozial"), die sich in der Zivilisation, allen Phrasen
von Sozialer Marktwirtschaft zum Trotze, längst breitgemacht hat,
entscheidend beitragen und sich mittlerweile gar mit einem antimaterialistischen
Deckmantel zu umhüllen vermögen. Er zeichnet ein schonungsloses
Bild von der heutigen Gesellschaft im Würgegriff des Materialismus
und bedauert das Aussterben der Ideale. Seine Thesen über das Verhältnis
zwischen Kunst und Materialismus sollte sich eigentlich jeder Künstler
(bzw. jeder, der sich für einen solchen hält) zueigen machen.
Ansonsten bricht das heutige Gebirge der Pseudokunst in nächster Nähe
unwiderruflich zusammen. "Der Untergang des Abendlandes" sozusagen ...
(Man wird phasenweise das Gefühl nicht los, daß Kiske das gleichnamige
Megawerk von Oswald Spengler ziemlich genau gelesen und vor allem verstanden
hat.)
Bei einem solchen Buch (das
Kiske konsequenterweise im Selbstverlag herausgegeben hat), in dem es wirklich
nur auf den Inhalt ankommt, sollte man äußere Fragen eigentlich
außer acht lassen. Ich kann es mir aber dennoch nicht verkneifen
zu monieren, daß es erstens nicht übel gewesen wäre, wenn
jemand mit genauen Kenntnissen in Kommasetzung die Endkorrektur übernommen
hätte, und zweitens die Fülle verschiedener Schriftarten und
-typen beim Lesen doch ziemlich anstrengt. Andererseits schafft es Kiske
aber, seine doch recht komplexen Thesen verständlich rüberzubringen,
ohne auf halbe Druckseiten füllende Schachtelsätze, wie es sein
"Bruder im Geiste", J. G. Fichte, den er auch des öfteren zitiert,
gerne tat, zurückgreifen zu müssen. Kiske ist selber noch keine
30 und schreibt dementsprechend auch nicht wie ein 75jähriger Philosoph.
Ergo: Dieses Buch MUSS eigentlich
jeder, dessen geistiger Horizont über den täglichen Konsum von
"Bild" und "Hans Meiser" hinausgeht, im Schrank stehen, nein, gelesen haben.
Ob man Kiskes Thesen dann zustimmt oder nicht, steht auf einem anderen
Blatt - aber man sollte über sie nachdenken. Zu beziehen ist das Buch
gegen 13 Silberlinge (per Vorkasse) bei Sebastian Vollmer, Herrmann-Rommel-Straße 48, 72336 Balingen.
Michael Kiske: Kunst und
Materialismus. Ein Aufruf an die Lebenden. 120 Seiten. Erschienen im Selbstverlag. Hamburg 1996
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