Gillian G. Gaar: Rebellinnen. Die Geschichte der Frauen in der Rockmusik von *tf anno 1998
Sie stehen in der Rockmusik
oft nur als wohlgeformte Stimmkörper im Mittelpunkt des Interesses,
können aber weit mehr: Frauen. Gillian G. Gaar, freie Journalistin
und leitende Herausgeberin der Musikzeitschrift „The Rocket“, geht mit
ihrem Buch weit über einen historischen Abriß hinaus. Ihr Anspruch
ist es auch nicht, Rockmusik aus dem Blickwinkel feministischer Ideologien
zu betrachten, sondern Hintergründe aufzudecken, die zu einer Diskriminierung
von Frauen in diesem Genre führten und führen. Dabei beschreibt
sie Mechanismen, die Frauen in bestimmte Rollen drängen, oft aber
auch von ihnen selbst gewählt werden. Spannend wird es, wenn Frauen
sich dieser Rollenerwartungen bewußt sind, mit und in ihnen die handelnden
und somit bestimmenden Personen werden. Hier zeigen sich gesellschaftliche
Vorurteile gegenüber Frauen, die so tief in uns verwurzelt sind, dass
wir lediglich ihre Auswüchse zur Kenntnis nehmen, nicht aber nach
ihrer Herkunft fragen. Als Beispiel mag Helen Reddy dienen. 1966 gewann
sie in Australien (!) einen Wettbewerb, der ihr einen Plattenvertrag beim
New Yorker Label Mercury Records bescherte. Ihre musikalische Karriere
scheiterte anfangs daran, daß sie zwar eine gute Stimme hatte, die
Plattenfirma aber auf eine Männerband gehofft hatte. Außer Petula
Clark gab es zu dieser Zeit keine Solosängerin in den Charts, und
somit war das wirtschaftliche Risiko Mercury Records zu hoch. 1971 hatte
sie, mittlerweile bei Capitol Records unter Vertrag, einen Hit mit „ I
believe in music“. In diese Zeit fiel auch ihr Engagement in der feministischen
Bewegung, und ihr Song „I am woman“ (1972) wurde zur Hymne der amerikanischen
Frauenbewegung. Anläßlich der Grammyverleihung für die
„Beste Pop-Interpretation einer Frau (!)“ dankte sie Gott, „weil sie alles
erst möglich macht“. In Briefen wurde sie daraufhin unter anderem
als „dürre blasphemische Hexe“ bezeichnet - eine Zusammenfassung aller
wichtigen Vorurteile: Frauen haben wohlgeformt und sexy zu sein, Gott ist
ein Mann (woher diese Erkenntnis stammt, entzieht sich meiner Kenntnis
- aus der Bibel jedenfalls nicht) (Ähem, Lutherbibel, 1. Mose 1,31:
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte ... - Anm. rls),
Frauen, die Männern zu selbstbewußt sind, stehen im Verdacht,
nicht ganz normal zu sein (einfache Ableitung: normal=gut, unnormal=böse).
So einfach kann ein Weltbild sein.
Erschienen im Argument-Verlag,
Rentzelstr. 1, 20146 Hamburg, Tel. (040) 453680, ISBN 3-88619-230-X
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