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Angela „China" Kowalczyk: Punk in Pankow
von *tf anno 1998

Angela „China

Ein wegen seiner reaktionären Haltung bekannter Kreisjugendpfarrer des Kirchenkreises Halle und ein Jugenddiakon der Evangelischen Pfingstgemeinde in Berlin-Friedrichshain gehörten zu den Initiatoren eines geplanten DDR-Weiten Treffens von „Punks" im Oktober 1983 in Halle. Durch unverzüglich eingeleitete differenzierte Maßnahmen der Schutz- und Sicherheitsorgane konnte im Zusammenwirken mit anderen zuständigen Organen das geplante Treffen weitgehend verhindert werden. (Bericht der Staatssicherheit)

Einen Blick in die jüngere Vergangenheit des östlichen Teil Deutschlands erlaubt das Buch „Punk in Pankow" der 1965 in Berlin geborenen Angela Kowalczyk alias „China". Weniger sorgfältig recherchierte Geschichte des Punk macht dieses Buch zu einem lesenswerten, sondern die Unmittelbarkeit persönlicher Aufzeichnungen. In biographischer Manier nehmen sie den Leser mit in die Welt einer 16-jährigen, die aufgrund ihres Bekenntnisses zum Anderssein in die Fänge der Justiz gerät. Punk als alternative Gegenkultur zur Doppelmoral einer bürgerlichen Gesellschaft (auch wenn sich die DDR nie als solche verstand) wird als Lebensweg nicht detailliert beschrieben und analysiert, er erschließt sich über die Schilderung seiner Auswirkungen. Dabei erfolgt keine Verklärung, im Gegenteil: in schonungsloser Offenheit enthüllt die Autorin ihre Depressionen, ihre Zweifel und seelischen Qualen während der Haftzeit. Kein Buch einer Heldin, sondern das eines suchenden, fragenden Menschen. Und dem verzeiht der Leser auch eine manchmal abenteuerliche Orthographie, wohl weil ein orthographischer Maßstab hier offenbar nicht der geeignete für eine Bewertung des Geschriebenen ist.
Im zweiten Teil des Buches findet sich eine umfassende Dokumentation zur Person der Autorin und zur Zeitgeschichte: Flugblätter, Vernehmungsprotokolle und Berichte der Staatssicherheit. Spätestens hier wird das Buch auch für den ausschließlich an „Fakten" interessierten Leser interessant. Diese Dokumente entlarven das wahre Gesicht der „humanen Gesellschaftsordnung", wie sich die DDR gern bezeichnete. Ausgrenzung Andersdenkender und Vernichtung persönlicher Identität gehörten zum Programm. Und hier stellt sich im heutigen Deutschland die Frage, inwiefern Nächstenliebe und damit verbunden Toleranz und Achtung des Anders-Seienden verinnerlicht sind oder immer wieder gepredigt werden müssen.

Eine Reihe kirchlicher Amtsträger lassen sich bei der Einbeziehung von Punks in die kirchliche Jugendarbeit von religiösen Motivationen - sich allen Menschen zu widmen - leiten, tolerieren jedoch deren feindlich-negative Aktivitäten bzw. Verhaltensweisen und Denkkonzeptionen. (interne Information der Staatssicherheit)

Das Buch ist derzeit zum Sonderpreis von 20,00 DM (sonst 29,80 DM) erhältlich. Entweder über eine Bestellung im Buchhandel (ISBN 3-925434-90-9) oder direkt beim Anita Tykve Verlag Berlin, Hasenheide 61, 10967 Berlin, Tel./Fax: 030-6945049
Des weiteren sucht die Autorin für ein weiteres Buchprojekt über den Punk im Osten noch Leute, welche sich an ihre eigenen Punkzeiten erinnern, interessantes Aktenmaterial und Fotos. Kontakt: Angela Kowalczyk „China", Postfach 70, 12441 Berlin, Tel./Fax: 030-5328017
 






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