Bücher müssen für sich sprechen, sie erfordern unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und unsere Phantasie. Hörbücher machen es uns dort einfacher, bieten den Vorteil, dass man nebenher stricken, träumen oder kochen kann, sind nachteilig jedoch durch das Ausgeliefertsein an die Stimme der/des Sprechenden. Dadurch können sie gewinnen oder verlieren. Im vorliegenden Fall scheint Letzteres eher zuzutreffen. Auch wenn Frau Berben ihre unzweifelhaften Verdienste in der Liga der Anständigen erworben hat, auch wenn sie 2001 mit dem Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden für ihr Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus geehrt wurde ... als Sprecherin für die lyrischen Miniaturen der nahezu unbekannten Rajzel Zychlinski erscheint sie mir nicht die beste Wahl zu sein. Die Festlegung von Personen auf Rollen verhindert damit zuweilen auch die Popularisierung des Unbekannten. Und das ist schade, denn die Gedichte von Zychlinski, die zur literarischen Moderne zu zählen sind, verfügen über tiefe, wenn auch nicht ungewöhnliche Sprachbilder. Es sind Erinnerungen an eine schwere Kindheit im besetzten Polen, mit der Traumatisierung durch die Vernichtung der eigenen Familie im KZ Chelmno, es sind Geschichten aus dem Schtetl. In ursprünglicher Fassung in Jiddisch geschrieben, fehlen den deutschen Übertragungen die - oft folkloristisch interpretierten - atmosphärischen Momente, die mit dem Jiddischen verbundene Grundstimmung. Ach so, Musik war da ja auch noch. Die Leipziger Klezmer-Kapelle RADA synergica darf das Eingangs- und Ausgangsstück beisteuern, auch zwischendurch erklinget das Piano überleitend leise und unaufdringlich. Sonst keine besonderen Vorkommnisse ...

Rajzel Zychlinski: di lider - Gedichte 1928-1991, Gelesen von Iris Berben. Musik von RADA synergica, Random House Audio 2005, ISBN 3-86604-029-6, 18,00 Euro, www.random-house-audio.de

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