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Helmut Wenske alias Chris Hyde: Rock'n'Roll Tripper / Scheiss drauf!
von Janet anno 2004

Chris Hyde: Rock'n'Roll Tripper  Helmut Wenske alias Chris Hyde: Scheiss drauf!

Eigentlich wird es so nicht gedacht sein, aber ich kann diese beiden Bücher bloß zusammen reviewen, denn ehrlich gesagt kann ich keinen gravierenden Unterschied zwischen ihnen erkennen. Beide sind von Helmut Wenske, der sich eine gewisse Zeit in seinem Leben auch das Pseudonym Chris Hyde gegeben hatte, und beide stellen Ausschnitte aus seinem bewegten Leben dar. Während der erste Teil des "Rock'n'Roll Tripper" bereits 1983, der zweite Teil 1988 erschienen ist und nun 2003 beide Teile zusammen wiederveröffentlicht wurden, ist "Scheiss drauf!" ein neues Werk des "Rock'n'Rollers, der keine Songs schreibt, mit keiner Band auf der Bühne steht". Wenn ich ehrlich bin, habe ich auf den ersten Seiten bloß permanent gedacht: Warum veröffentlicht der das? Wen interessiert das? Wer ist das überhaupt? Bis ich mitgekriegt habe, dass Helmut Wenske unter anderem ziemlich erfolgreich als Schallplattencoverdesigner gearbeitet hat und erstaunliche psychedelische Werke gemalt hat, die man der Erscheinung auf den Fotos nicht unbedingt zugetraut hätte.
Nun ja, in erster Linie erzählt Helmut Wenske über sich selbst. Über seine Erlebnisse als Halbstarker, als Pornobuchillustrator, als Musikkonsument und Initiator und Organisator von Rockkonzerten, als Ehemann. Insgesamt über 50 Jahre Rock'n'Roll-Leben. In zweiter Linie wird daraus die authentische Beschreibung einer Zeit, die als das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre in etwas anderen Worten Einzug in die Geschichtsbücher fand. Dies hier ist die andere Seite, sozusagen.
Irgendwo erwähnt Helmut Wenske, dass dies Bücher sind für Leute, die sonst nie ein Buch anfassen würden. Gut gesagt. Für literarische Feingeister und für Zimperliesen sind die nämlich schon mal gar nix. Wenske schreibt so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. In einem eigentümlichen, längst ausgestorbenen Jugendjargon voller Slang, Kraftausdrücke, Wortneuschöpfungen, "verschluckter" Vokale und einem Denglisch, das (mir) manchmal unerträglich wird. Wenske ist ein Selbstdarsteller, keine Frage. Er prahlt, was das Zeug hält. Wie sehr er Schmerzen aushalten kann, wieviele Drogenerfahrungen er hat, was für nonkonforme Gedanken und Taten er draufhat, Schlägereien, Diebstähle und sowas. Wie man sich einen Halbstarken eben so vorstellt. Völlig cool. Intolerant. Gefühle sind unter der abgewetzten Lederjacke, den vergammelten Jeans und hinter den "verpengten" Augen absolut sicher vergraben.
Während in "Rock'n'Roll Tripper" ausschließlich Fotos von Bands und von Freunden bzw. von Wenske selbst zu sehen sind, legt "Scheiss drauf!" mehr Wert auf die künstlerische Schaffenskraft des Autors, viele von ihm gemalte Bilder und Plattencover sind dort zu sehen und geben einen nochmal ganz anderen Einblick in sein Leben.
Wenske schreibt nicht chronologisch. Er springt zwischen den Zeiten und Personen hin und her, dass man kaum hinterherkommt. So irrsinnig viele Namen von Menschen und von Bands, die meisten habe ich nie gehört. Von daher ist dies hier sicher eher was für jemanden, der in dieser Zeit gelebt hat oder der zumindest mit dieser Zeit etwas anfangen kann. Oder der wissen will, wie das alles war und wie es in den 60ern, 70ern, 80ern mit der Rock'n'Roll-Szene weiterging.

Chris Hyde: Rock'n'Roll Tripper. Berlin: Archiv der Jugendkulturen 2003. ISBN 3-936068-45-3; 168 Seiten, inklusive 28 Fotoseiten, 18 Euro
Chris Hyde/Helmut Wenske: Scheiss drauf! Eine Rock'n'Roll-Bio in Bildern, ein Leben gegen den Strich. Berlin: Archiv der Jugendkulturen 2003. ISBN 3-936068-69-0; 276 Seiten, 22 Euro
Bezug über www.jugendkulturen.de oder über den Buchhandel

 



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