www.Crossover-agm.de
Sabine Vogt: Clubräume - Freiräume. Musikalische Lebensentwürfe in den Jugendkulturen Berlins
von ks anno 2005

Sabine Vogt: Clubräume - Freiräume. Musikalische Lebensentwürfe in den Jugendkulturen Berlins

Berlin ist nicht nur die Hauptstadt Deutschlands, sondern auch die Party-Metropole schlechthin. In den 90er Jahren fuhr man noch nach Berlin um eine Nacht lang zu feiern. Und diejenigen, die in dieser Zeit noch zu jung waren, erzählen sich von den Mythen, die sie über die Clubatmosphäre gehört haben Dieser Clubkultur hat sich Sabine Vogt in ihrem musiksoziologischen Buch angenommen. Im Ostteil Berlins geboren, hat sie sich in die Stadtkultur begeben - in die kulturelle Infrastruktur, in der Neues entsteht. Auf 303 Seiten berichtet sie in einer Mischung aus theoretischer Analyse und fünf Porträts von musikmachenden/-liebenden Jugendlichen über die derzeitige Berliner Szene und gibt so Einblicke in aktuelle Lebensansprüche und -techniken.
Ihre eigenen Eindrücke brachten sie auf die Idee, den Umgang Jugendlicher und junger Erwachsener mit Musik und Medien zum Gegenstadt ihrer Forschung zu machen. Die Studie bricht konventionelle Betrachtungsweisen auf: Es geht Sabine Vogt nicht um das endgültige Erklären, sondern vielmehr um das menschliche Verständnis von Popmusik und den Bedürfnissen ihrer Akteure. Leitende Fragen bei der Untersuchung waren u.a.: Wie gelangen Jugendliche an Informationen, wie entsteht Musikgeschmack, welchen Einfluss haben Freunde/ Eltern?
Anders als der Titel es vermuten lässt, beschäftigt sich ihr Buch weniger mit den Clubs (wenngleich einige Photos und Clubnamen immer wieder auftauchen). Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der kindlichen Erinnerung der Porträtierten, deren erste Musikerfahrung, Familienanbindungen, Unterschiede in männlicher und weiblicher Erziehung. Mit der soziologischen Betrachtung wird der musikalische Aspekt verbunden. Die Wege der Porträtierten zur Musik, die Kultur des Tanzens und die Empfindungen der Tänzer, die verschiedenen Formen der Musikarchivierung und des Musizierens. Sabine Vogt zeigt dabei nicht nur die Ursprünge der verschiedenen Musikstile und die sie umgebene Szene, sei es nun House, Hip Hop, der Kulturfaktor Vinyl, DJing oder alternative Musikstile, wie z.B. Punk, sondern auch den Status, den Musik im Leben der Menschen einnehmen kann.
Ein zentrales Thema der Arbeit ist die Suche nach Selbstverwirklichung (durch Musik). Dafür gibt die Autorin einige psychologisch anmutende Erörterungen, welche den Zusammenhang zur Musik verdeutlichen wollen, manchmal mehr, als der Leser wissen möchte: "Es bleibt zu Fragen, ob Grit es schafft, eine vom 'Mann' unabhängige Frauenrolle in ihren Alltag zu integrieren. Wohl nur unter der Voraussetzung bestimmter Formen von Soziabilität." (S. 107)
Der Lesefluss wird für den Laien besonders am Anfang immer wieder durch theoretische Debatten, Methodendarstellungen, Analysen, Auswertungen und Tabellen unterbrochen - schließlich ist es eine wissenschaftliche Darlegung der Thematik. Dennoch lesen sich die persönlichen Erfahrungen der Autorin bezüglich ihrer Arbeitsweise und Methode sehr flüssig und unterhaltsam, wenngleich die intensiven persönlicheren Auseinandersetzungen nicht jedermanns Geschmack sein dürften. Es ist dennoch schade, dass das Buch eher für Profis des Fachs denn für Laien verfasst worden ist. Der Mangel an Darstellung der Clubräume und vor allem einer umfassenden Veranschaulichung der Jugendkulturen, so, wie es der Titel vermuten lässt, schmälert den Lesegenuss. Zudem ist die Betonung der Analyse für meinen Geschmack zu sehr auf die Menschen gelegt, aber es ist ja auch eine (musik)soziologische Abhandlung.

Sabine Vogt: Clubräume - Freiräume. Musikalische Lebensentwürfe in den Jugendkulturen Berlins. Musiksoziologie, Band 14. Kassel et al: Bärenreiter 2005. 343 Seiten. ISBN 3-7618-1363-5. 34,95 Euro.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver