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Hans Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs
von ta anno 2009

Hans Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs

Der renommierte Musikwissenschaftler Hans Joachim Schulze war von 1992 bis 2000 Direktor des Leipziger Bach-Archivs und dürfte Kennern und Freunden des barocken Meisters mindestens durch das Schulze/Wolffsche Bach-Compendium, ein detailliertes Werkverzeichnis Johann Sebastian Bachs von 1985ff., bekannt sein. Der Titel seines neusten Wälzers verrät es bereits: Wir haben ein Buch über das 226 Kompositionen umfassende Kantatenwerk eines Komponisten, der Kantaten buchstäblich im Wochentakt komponierte, vor uns liegen. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtdarstellung, d.h. jede einzelne dieser 226 Kantaten bekommt ihren Kommentar zugestanden. Es handelt sich außerdem um ein Einführungswerk - "Die Bach-Kantaten" sind die geringfügig überarbeitete, d.h. hier und da an den neusten Forschungsstand angepasste Schriftfassung einer Sendereihe des MDR aus den frühen Neunzigern, und entsprechend kompakt fallen die einzelnen Kantatenvorstellungen aus: Sie finden auf jeweils etwa drei, allerhöchstens fünf Seiten statt, hochdetaillierte musikwissenschaftliche Analysen sind nicht zu erwarten; Grafiken, Tabellen oder Partituren sind gleichsam nicht zu finden, der Leser sitzt vor einem durchgehenden Fließtext; die reichlich vorliegende Sekundärliteratur wird i.d.R. nur implizit aufgearbeitet (aber sie wird es!). Man darf also eine Art Kantatenlexikon mit jeweils autarken Artikeln erwarten, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Format bringt eine gewisse Redundanz im Ausdruck mit sich, wenn einem beispielsweise auch bei der sechsten Nennung noch der "sogenannte Choralkantatenjahrgang" vorgestellt wird. Es hat aber auch den Vorteil, dass ein Nachschlagen je Kantate kein Kontextwissen nötig macht, das man sich erst an anderen Stellen des Buches aneignen müsste.
Die Gliederung ist schlicht und übersichtlich. Schulze unterteilt in Kantaten für Sonn- und Festtage, Kirchenstücke für besondere Anlässe, Oratorien und weltliche Kantaten. Bis auf ein knappes Vorwort und den üblichen Apparat aus Anmerkungen und Register findet sich kein Textbeiwerk. Schulze schreibt klar und streckenweise auch sichtlich vom Gegenstand angetan, irgendwo in einer Grauzone aus Wissenschaft und Anmoderation, und geleitet von der Vorstellung, dass Musik und Text im Bachschen Kantatenwerk eine notwendige Einheit seien. Entsprechend finden beide Elemente im jeweiligen Kommentar ihre Berücksichtigung. Im Endergebnis fällt die Kommentierung der Texte sogar deutlich ausführlicher als die der Musik aus, bei der sich Schulze zumeist auf ein, zwei Bemerkungen zu jedem Satz der Kantate beschränkt. Hierbei sticht besonders die beeindruckende historische Expertise des Bachexperten heraus. Informationen zu Erstaufführung und Komponierkontext sind Standard.
Die Frage nach der Zählweise - traditionelles Bach-Werke-Verzeichnis oder Bach-Compendium? - ist diplomatisch entschieden worden: Sowohl die Schmiedersche BWV- als auch die Schulze/Wolffsche BC-Nummerierung sind aufgeführt. Fazit: Ein hochwertiges Buch mit Hintergrundwissen für mindestens zwei Gruppen, den stillen Bach-Hörer zuhause und den Interpreten.

"Die Bach-Kantaten" sind im robusten Hardcover auf 760 Seiten für 44 Euro bei Carus oder der Evangelischen Verlagsanstalt zu erstehen. ISBN: 978-3-89948-073-3 bzw. 978-3-374-02390-5. Kontakt: www.carus-verlag.de, www.eva-leipzig.de
 






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