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Wolfgang Sandberger/Christiane Wiesenfeldt: Musik und Musikforschung. Johannes Brahms im Dialog mit der Geschichte
von Alexander Meinel anno 2009

Wolfgang Sandberger/Christiane Wiesenfeldt: Musik und Musikforschung. Johannes Brahms im Dialog mit der Geschichte

Johannes Brahms' Dialog mit der Geschichte gehört zu den spannendsten Aspekten der Brahms-Forschung und ist noch aus so vielen Perspektiven zusammenhängend betrachtet worden. Der vorliegende Band versammelt zwölf Beiträge renommierter Autoren zum Dirigenten, Editor, Lehrer und musikhistorisch ambitionierten Briefpartner Johannes Brahms. In diesem Zusammenhang werden erstmals bislang unveröffentlichte Quellen und Briefe vorgestellt. (Anmerkung des Verlages)

Der zu besprechende Band vereint zwölf repräsentative Beiträge der neueren Brahms-Forschung. Die Autoren, durchweg international ausgewiesene Spezialisten auf diesem Gebiet, haben darin über sehr spezifische Fragestellungen zum Oeuvre und zum geistigen Umfeld des Komponisten reflektiert. Die Beiträge von Hans-Joachim Hinrichsen, Siegfried Oechsle, Hartmut Krones, Siegfried Kross, Michael Struck und Wolfgang Sandberger gehen auf Vorträge bzw. die Einführung zum Symposium "Brahms und die Musikforschung seiner Zeit" zurück, das im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung im Herbst 2003 in Lübeck stattfand. Ergänzt wird der Band durch freie Referate von Johannes Behr, Andreas Ickstadt, Christiane Wiesenfeld und Peter Schmitz, die seinerzeit die Thematik des Symposiums aufgegriffen haben. Besonderes Gewicht gewinnt die Edition durch die beiden Briefeditionen von Hans Joachim Marx und Christiane Wiesenfeldt, die zahlreiche bisher unveröffentlichte Briefe vorstellen.
Brahms' großes Interesse an der sich etablierenden Musikforschung seiner Zeit und seine intensive Korrespondenz mit Friedrich Spitta, dem Musikhistoriker der den Komponisten wie kaum ein anderer verstand, sind Gegendstand eingehender Betrachtungen zum Verhältnis zwischen Kunstwissenschaft und Kunst im Aufsatz von Wolfgang Sandberger.
Der Aufsatz "Der Umgang mit der Geschichte - Johannes Brahms und die Aufführungspraxis Bachscher Musik" von Hans-Joachim Hinrichsen beleuchtet die Periode zwischen 1851 und 1899, die Jahre in denen der erste bzw. letzte Band der Alten Bach-Gesamtausgabe erschien. Dieser Zeitraum umfasste das aktive und öffentlich künstlerische Leben von Brahms, und somit wuchs der Komponist als einer der ersten (und jüngsten) Abonnenten dieser Monumentalausgabe in eine Phase der Bach-Rezeption hinein, in der sich gerade erst jene Fragestellungen herauszubilden begannen, die zum Teil die Bachforschung noch heute beschäftigen.
Siegfried Oechsle beschreibt die kompositionstechnischen Anlehnungen an Bach und Beethoven im Finale der Sonate für Violoncello und Klavier e-Moll op. 38, einem unübertroffenen Extremfall im Schaffen Brahms in der Nutzung historisch überlieferter Formmodelle.
Ebenso detailreich und hervorragend recherchiert sind der Beitrag von Christiane Wiesenfeldt über die Gattung Cellosonate in der Reflexion des Chefredakteurs der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" in Leipzig, Selmar Bagge (1823-1896), der Aufsatz von Hartmut Krones über Brahms' Verständnis der Kirchentonarten sowie die Abhandlung von Johannes Behr über Brahms' Beziehung zu den Musiktheoretikern Gustav Nottebohm und Eusebius Mandyczewski, zweier Musiktheoretiker, die für Brahms' Verständnis des Kontrapunktes bzw. für die Herausgabe einer Gesamtausgabe seiner Werke Bedeutung erlangten.
Nicht nur fundierte wissenschaftliche Unterweisung sondern auch Lesevergnügen bieten die Briefausgaben von Christiane Wiesenfeldt und Hans Joachim Marx, welche ein differenziertes Bild über die freundschaftliche Beziehung zu dem damals führenden Wiener Musikästheten Eduard Hanslick bzw. die eher sachbezogene Korrespondenz mit dem Musikforscher Friedrich Chrysander geben.
Die Untersuchungen von Andreas Ickstadt zum Verhältnis zwischen Rhetorik und Musik in Brahms' Deutschem Requiem op. 45 offenbaren ihren Inhalt zwar nur schwer beim ersten Lesen, bei eingehender Lektüre erschließen sich jedoch außerordentlich feinsinnige Zusammenhänge zwischen der Sprachbehandlung und der musikalischen Syntax in diesem bedeutenden Werk.

Wolfgang Sandberger/Christiane Wiesenfeldt: Musik und Musikforschung. Johannes Brahms im Dialog mit der Geschichte. Kassel et al: Bärenreiter 2007. Festeinband, 360 Seiten, ISBN 978-3-7618-2101-5. 39,95 Euro






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