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Sächsische Posaunenmission (Hrsg.): Folgen. Neue Lieder und Spirituals für Bläser und Band
von rls anno 2005

Sächsische Posaunenmission (Hrsg.): Folgen. Neue Lieder und Spirituals für Bläser und Band

Auch wenn es einige Kräfte gerne anders hätten: Die musikalische Entwicklung geht auch an den Posaunenchören nicht spurlos vorüber, was dazu führt, daß man sich nicht auf den Lorbeeren, die man etwa beim Spielen aus dem EG, dem Lob II oder gar dem legendären "Rühmet den Herrn" von Johannes Kuhlo erworben hat (deren Charakter als Standardliteratur, allermindestens regional bezogen, niemand bestreiten oder angreifen will), ausruhen soll, kann und darf. Einerseits erwarten zumindest Teile des Publikums, daß das lokale kirchliche Ensemble (ein solches ist der gemeine Posaunenchor in struktureller Hinsicht meist; Chöre ohne jegliche konkrete gemeindliche Anbindung sind selten) musikalisch ein wenig mit der Zeit geht und sich neben den althergebrachten Sorten von Musik auch dem einen oder anderen neuen Einfluß öffnet, andererseits kommt ein solcher Veränderungsdruck bisweilen auch aus den Chören selbst, wenn sich die junge Bläsergeneration bemerkbar zu machen beginnt und eine entsprechende Repertoireerweiterung einfordert. Für eine solche Erweiterung gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Entweder man entdeckt alte, bisweilen vergessene Musik neu (das muß keine musikwissenschaftliche Arbeit mit Ausgrabungsarbeiten in Archiven darstellen - kann aber! -, sondern es genügt bisweilen auch ein Blick in die hintersten Schubladen der Notenschränke, wo man manchmal Notenbücher entdeckt, aus denen man schon jahrzehntelang nichts mehr gespielt hat), oder man geht mit der Zeit und bindet neuere Musikformen ein. Da für den durchschnittlichen Posaunenchor im zweiteren Fall die avantgardistischeren Formen der aktuellen E-Musik kaum in Frage kommen (mancher mag polemisch einwerfen, daß es schon gut sei, wenn man diese Musik im sicheren Verschluß einiger Spielstätten beläßt), bleibt als Rettung der Ausflug in den Gospel, ins partiell gar nicht mehr so neue Neue Geistliche Lied oder in verwandte Genres. Ist man dann noch in der glücklichen Lage, über eine Band zu verfügen, können sich sehr reizvolle neue Kombinationen ergeben. Das hat die Sächsische Posaunenmission als Dachverband vieler (aber beileibe nicht aller) sächsischen Posaunenchöre erkannt und (teilweise auf der Grundlage des neuen sächsischen Jugendliederbuches "Aufbruch" aus dem Hause des Ev.-Luth. Landesjugendpfarramtes in Dresden) einen Doppelband herausgegeben, dessen Inhalt im Untertitel schon deutlich wird. Warum es unbedingt ein Doppelband werden mußte und man die 54 Stücke nicht in ein Heft gepackt hat (beide Bände sind eh nur gemeinsam erhältlich), bleibt auf den ersten Blick schleierhaft; allenfalls das Aufschlageverhalten der Drahtrückstichbroschur hätte beim doppelten Umfang etwas beeinträchtigt werden können (eventuell hätte man dann gar auf eine Klebebindung ausweichen müssen).
Was haben die beiden Hefte also bei näherer Betrachtung zu bieten? Zunächst wäre zu erwähnen, daß die Sätze prinzipiell so angelegt wurden, daß sie für den Posaunenchor spielbar sind, und zwar wahlweise allein oder eben mit Addition einzelner Bandmusiker oder auch einer kompletten Band. Als Vorlage für alleiniges Bandmusizieren erscheinen sie eher ungeeignet (dafür gibt's andere Quellen, nämlich Songbooks etc., wenngleich zumindest momentan vermutlich noch nicht für alle vertretenen 54 Stücke - bei einigen ist das wohl auch besser so, mögen Nörgler einwerfen). Dementsprechend hat man meist vierstimmige Sätze (bisweilen kommen noch Stimmspaltungen vor, es treten Ober- oder sonstige Zusatzstimmen hinzu etc.) in regulärer posaunenchorkompatibler Notation vor sich, die für die Band (-musiker) mit Akkord- und sonstigen Symbolen versehen wurden (mehr darüber weiter unten). Dazu kommt eine Zuordnung zu sieben verschiedenen Stilkategorien (Ballade, Classic, Beat, Rock, Blues, Swing oder Dixie), um sowohl den Bläsern als auch der Band einen ungefähren Anhaltspunkt für die Grundausrichtung des jeweiligen Satzes zu geben (das ist für die bedauernswerte Klientel, die sich mit Bläsern herumplagen muß, welche trotz wiederholtester Übungen einen Choral immer noch im gleichen Duktus wie eine Intrade oder einen Marsch spielen, eine nicht zu unterschätzende Argumentationshilfe!). Das Anspruchsniveau der Bläsersätze ist sehr unterschiedlich, richtig leichte, anfängerkompatible Stücke gibt es allerdings nicht zu entdecken (das Gegenteil ist dafür recht reichlich vertreten - etwas zu reichlich vielleicht?), und die Kenntnis des jeweiligen Originalliedes sollte nicht nur für die Soprantrompeten die Erarbeitung wesentlich erleichtern können. Bei den Spirituals ist das vermutlich nicht so der entscheidende Faktor ("Amen", "Down By The Riverside" oder "Glory Glory Hallelujah" gehören in nicht völlig rückwärts ins 18. Jahrhundert gewandten Gemeinden ja mittlerweile zum Allgemeingut), aber im restlichen Material stößt man doch auf die eine oder andere Obskurität, die deshalb eine explizite Herausforderung darstellen könnte. Die Übersichtlichkeit des Notenbildes läßt bläserseitig wenig Wünsche offen (das ist in den Notenausgaben moderneren Liedgutes ja nicht selten ein casus knacktus), auch hat man mehrere ausklappbare Seiten eingebastelt, um das Umblätternmüssen zu reduzieren.
So weit, so gut. Nun bin ich in der Bewertung der Anforderungen für eine vernünftige Bandumsetzung aber nicht firm genug, weshalb ich einen Praktiker gebeten habe, sich die Hefte doch einmal genau anzusehen. Ich übergebe für den Rest des Reviews also das Wort an Andreas Bergmann:

Der hier kommentiert, hat keine musikalische Ausbildung, aber langjährige Praxis in der Jugendarbeit, die auch eine vielgestaltige musikalische Arbeit mit Jugendgruppen von Gitarrenseminar bis Ten Sing einschließt.
Beim Aufschlagen des ersten Heftes suche ich nach den üblichen Notierungen für eine Bandbesetzung. Vielleicht in Band 2? Auch hier Fehlanzeige. Die Partitur scheint ausschließlich für Chor und Bläser geschrieben. Hilfesuchend wende ich mich an das Vorwort und werde fündig: "Für das Zusammenwirken des Posaunenchores mit einer Band ..." hat diese weitgehend zu improvisieren. Damit kann man unzufrieden sein, aber die Absicht der Verfasser ist eindeutig und damit redlich formuliert: Bläsersatz first! So sind auch die meisten Stücke bläserfreundlich in B-Tonarten gehalten, während der Gitarrist nach seinem Kapodaster sucht. Wenn er einmal dabei ist, findet sich vielleicht auch die 127seitige "Grifftabelle für Plektrumgitarre" von Jürgen Kliem wieder. Er wird sie gebrauchen können, denn die vorhandenen Akkordsymbole vieler Lieder lassen auch mich als routinierten Rhythmusgitarristen die Sache gaaanz langsam angehen. Leichter hat's da der Bassist. Er kann, wenn er will, die Noten für Tuba (oder allgemein Baßbläserstimme) eins zu eins übernehmen. Und Schlagzeuger haben zwischen ihrer Hardware eh keinen Platz für ein Notenpult.
Die Band, die damit zurechtkommt, muß schon über ziemliche Professionalität verfügen. Der gemeine, autodidaktisch agierende Nachwuchsrocker, -grunger oder -metaller in unseren Kirchgemeinden dürfte jedoch damit überfordert sein. Es sei denn, der Kirchenmusiker ist sich für einen Ausflug in die Subkultur nicht zu schade und fühlt sich berufen, nicht nur dem Posaunenchor, sondern auch der Band hilfreich unter die Arme zu greifen. Ich bin sicher, beide wären begeistert, denn: Posaunenchor mit Band klingt einfach mal geil!

Sächsische Posaunenmission (Hrsg.): Folgen. Neue Lieder und Spirituals für Bläser und Band. Radebeul: SPM 2003. 2 Bände. 11 Euro. Erhältlich via www.spm-ev.de






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