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John Piper: Die Passion Jesu Christi
von ta anno 2004

John Piper: Die Passion Jesu Christi

Wir haben es mit einem Stück christlicher Erbauungsliteratur zu tun. Der amerikanische Autor John Piper entwirft Thesen zu Jesus Christus weniger als historische Person denn als christliches Phänomen. Dieses Phänomen ist Passion und die Passion Christi ist ein Stück Geschichte, gottgelenkte Geschichte, damit zielgerichtete Geschichte. In diesem Rahmen verblasst die Frage nach Schuld und Täterschaft, weil die Ziele der Menschen denen Gottes untergeordnet sind und in diesen Rahmen hinein steckt Piper seine Argumentation ab. In der Einleitung zur "Passion Christi" erläutert er die Intention seines kleinen Buches (128 Seiten, ca. A 5,5-Format), welches die Frage beantworten will, wo im letzten Sinne das Leiden Jesu sein Ziel erwirkt, auf was Jesu Passion verweist, warum Jesus Christus leiden musste - unabhängig von säkularen, zeitgeschichtlichen Gründen. Piper beantwortet diese Frage in fünfzig durchnummerierten Thesen, von welchen jede den Anspruch hat, einen separaten gottgewollten Grund dafür zu markieren, dass die Passion Christi nur in dieser Form - also als Passion im Sinne von Leiden wie auch als Passion des Gottessohnes und keines anderen - in ihrer Einzigartigkeit geschehen konnte/musste und nicht in anderer Form. Der Autor verliert sich dabei aber keineswegs in wüsten Spekulationen, sondern zeichnet sich zuallererst durch eine behutsam gewahrte Nähe zur Bibel, namentlich dem Thema entsprechend weitestgehend den Evangelien (überraschenderweise hier weitaus mehr bei Johannes als bei den Synoptikern) und den Paulusbriefen, aus. Die einzige angeführte Sekundärliteraturquelle besteht tatsächlich in Elie Wiesels "Night" und hierbei handelt es sich nicht um passionsbezogene Literatur (zumindest nicht im religiös verstandenen Sinne; "Night" ist ein Buch über Buna, Buchenwald und Auschwitz). Beeindruckend ist die immense Fülle an Belegstellen, die Piper der Heiligen Schrift entlockt, beeindruckend ebenso die Feinarbeit, mit der er einzelne Thesen voneinander abgrenzt. Der Vorgang der Menschrettung, weil Sündenerlösung, in Jesu Kreuzigung wird so zu einem System mit vielen Einzelstufen, Pipers treppenförmige, sich selbst entwerfende Aufgänge werden zu kleinen Sinneinheiten, die in einem großen Rahmen liegen, dem der Teleologie, der Schicksalslenkung aus Gottes Liebe (welche bei Piper in reinster Form eine ausschließlich selbstlose ist), die sich in Christi Passion offenbart. Weil Piper seine Thesen aber zuallererst nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten, sondern anhand verschiedener Bibelzitate (die je Kapitel/These zuvorderst angeführt werden) entworfen hat, kommt es im Verlauf des Buches zu inhaltlichen Doppelungen. Das liegt zum Einen daran, dass auch in der Bibel ein Selbes an verschiedener Stelle in anderen Worten steht (was Piper in seiner Schriftnähe nicht davon abhält, zwei separate Thesen daraus zu formulieren), weitaus mehr aber daran, dass aus einer These ganz notwendig nur zu oft eine andere folgt, also eigentlich die andere von der einen der schon mit eingeschlossen wird. Die These zur Zornumlenkung Gottes vom Menschen auf den Gekreuzigten (1) und diese zur Rechtserfüllung, d.h. notwendigen Sündentilgung (7) bzw. Sündenvergebung (9) stehen etwa in einer solchen Verquickung; gleichwie auch die Tatsache, dass die Furcht vor Tod/Gericht nach Jesu Tod unnötig sei (39) mit dem Verweis auf die Auferstehung (41) oder den den Christen verschonenden dies irae (47) einbegriffen sein muss, weil das eine aus dem anderen zu schließen ist. Als Leser sollte man die Durchnummerierung der einzelnen Thesen daher recht offen betrachten, um nachher nicht enttäuscht zu sein. Denn was Piper sagt, ist zuletzt auch fast nichts, was dem Horizont des Christentum in seiner basischen (ohne allegorisch-interpretatorische Bibelstützhilfen o.ä. ausgeweiteten) Form nicht schon angehören würde, auch wenn Piper selbstredend den einen oder anderen Gedanken etwas ausführt. Als zentral ist hierbei die Annahme eines Christus zu verstehen, der eine Art "Pufferzone" zwischen Gott, d.h. Reinheit und Heiligkeit, und Mensch, also Sünde und Weltlichkeit (dazu gleich), symbolisiert, wobei beide Seiten in gewissem Sinne einer solchen Zone bedürfen, um einander adäquat zu begegnen, der Mensch (12) wie Gott (24) in der Katharsis der menschlichen Seele. Mit welchen Formen der Sünde sich die Seele aber befleckt, bleibt auch nach der Lektüre dieses Buches schwammig. Piper vermeidet Konkretisierungen, die Beispiele sündhafter Einstellungen sein könnten zugunsten des Begriffes "Welt", der stets angeführt wird, wenn es um das geht, was Gott nicht bloß entgegensteht, sondern auch verrät und mißachtet, alles, was nicht für, also automatisch gegen Gott gerichtet ist (vgl. S. 64), weil es sich seiner Herrschaft in die Unterjochung durch die Sünde entzieht. Ein solches Über-den-Kamm-Scheren aller "säkularen" Erscheinungen bereitet mir besonders dann ein wenig Bauchschmerzen, wenn Piper an den wenigen Stellen, in denen er präzisiert, mit topaktuellen Beispielen wie "Tätowierungen" (S. 59) als Beispiele von "Feindschaft zu Gott" (S. 60) eher dürftig überzeugt und einen Eindruck von der oberflächlichen Realitätsferne vermittelt, die Christen so oft vorgeworfen wird und hier ganz klar in der Aufforderung zur pauschalen Weltfeindschaft gipfelt (vgl. S. 85). Das größere Problem für den Christen bleibt aber eher die Starre seines entworfenen Bibelmodells. Weil Belegstellen, die sich auf die Gegenwart beziehen, für die massiv als lehrhaft angeführten Bibelzitate ausbleiben, macht der Autor in "Die Passion Jesu Christi" beinahe den Eindruck, als sei es nicht möglich, über die bibelinternen Beispiele - denen er sich immerhin in einzelnen Thesen widmet - hinauszugehen; vermutlich ein Akt der Vorsicht und ein Mitbringsel seiner bewusst gewahrten Bibelnähe (die er mit Recht ausübt. Denn an der einzigen Stelle, an der er sich an Weiterführungen biblischer Aussagen versucht, nämlich mit der These, der Mann solle für und ggf. unter der Ehefrau leiden wie Christus für/unter den Menschen (vgl. S. 88/89), was angeblich das biblische Ehemodell nach der Kreuzigung darstelle, wie er aus dem Epheserbrief 5, 25 gewinnt, überliest er offenbar, dass der Vergleich von Ehe und dem Verhältnis von Jesus und dem Menschen sich auch auf eine Unterordnung der Frau unter dem Mann bezieht (Epheser 5, 22), was Piper nicht einmal erwähnt.) Weitere Kritikpunkte lösen sich im Laufe der Lektüre gekonnt auf, weil Piper Lücken und Leerstellen, die sich aus einzelnen Kapiteln ergeben, mit anderen Kapiteln an späterer Stelle füllt, was ein strategisches Vorgehen verrät und auf eine gewisse (rein formale) gesunde Distanz des Autors zum Gesagten schließen lässt, ein Prädikat, mit dem sich nicht alle Autoren der CLV schmücken können. Mit inhaltlicher wie formaler Sauberkeit über weiteste Strecken macht John Piper schlussendlich sein Buch zu einer guten Vertiefung für Christen, die, sofern die Autorität und Wahrheit der Bibel nicht bezweifelnd, alle Konsequenzen für den Menschen und sein Schicksal nach Christi Passion ergründen wollen, aber auch zu einer guten Einführung für mit christlichem Sein Unvertraute, die ein paar informative Worte zur Mitte des Glaubens brauchen - sofern die Tatsache, dass quasi "parteiisch" berichtet wird ("Die Passion Jesu Christi" endet mit einem Gebet ...), nicht allzusehr stört. Die Thesen 1, 25, 38 und 50 bieten hierbei einen brauchbaren Einstieg, weil sie den Raum abstecken, den Piper schreibend (erwähnte ich schon den guten Ausdruck, die leichte Verständlichkeit?) betritt. Natürlich darf auch einfach von vorne durchgelesen werden. Unter der ISBN-Nr. 3-89397-534-9 ist das gute Stück zu haben, die Adresse des Verlags lautet: Christliche Literatur-Verbreitung, Postfach 110135, 33661 Bielefeld.

John Piper: Die Passion Jesu Christi. Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung 2004. ISBN 3-89397-534-9. 128 Seiten, 1,90 Euro



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