Ein Buch, welches damit wirbt, zu "enthüllen" und mir die "wahre Geschichte" aufzuweisen, stößt bei mir prinzipiell auf Skepsis. So auch das Buch von Jonathan Miller, in welchem er sich auf fast 600 Seiten Depeche Mode widmet. Zu dieser Band fällt dem Laien ja spontan schon viel ein. Man hört und liest ja seit über 20 Jahren von der ewigen Synthie-Band aus Essex, Großbritannien. Hier nun wird versucht, sozusagen peu a peu, die gesamte Geschichte aufzurollen. Glücklicherweise nicht im Paperback-Format, das hätte meine Vorurteile noch bestätigt. Stattdessen finde ich als Pseudo-Fan (vier Alben machen bei Depeche Mode noch keinen wirklichen Fan) Daten und Fakten, die ich vielleicht nicht unbedingt alle wissen wollte, aber nun weiß.
Die Biographie der Band beginnt wirklich beim Anfang, der Kindheit - danach wird jedes Jahr, jedes Album intensiv betrachtet. Bilder aus der Vorschulzeit, ein großes "Wie alles begann", peinliche Fotos aus der Anfangsphase und immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Weggehen von Vince Clarke (noch bevor Depeche Mode richtig berühmt wurden) und dem ewig diskutierten Liebesleben Martin Gores, welcher diese Debatten durch seine im Buch so schön als "Leder-Fetisch" beschriebenen Vorlieben selbst provozierte. Soviel also zu den Achtzigern: endlose Erfolge überall in Europa, Groupies, Sinnkrisen, das Wiederfinden nach jedem neuen Album, die Endlos-Tourneen ...
Das darauffolgende Jahrzehnt ist eher düster. Für die Band, die Musik und natürlich vor allem für Dave Gahan. Seine Heroinsucht, sein zweiminütiger Herzstillstand, seine äußerliche Veränderung zum "Rockstar" - all dies machte Schlagzeilen und wird auch denjenigen, welche sich nur oberflächlich mit Musik auseinandersetzen, noch bekannt vorkommen. Jonathan Miller greift diese Themen auf - verständlicherweise. Aber auch über die anderen Mitglieder der Band wird intensiv berichtet, über deren physischen und psychischen Problemen wird jedoch nicht ihre Freude und Enthusiasmus am Projekt/Lebenswerk Depeche Mode vergessen.
Das Buch ist gut geschrieben, stellenweise so intensiv und intim, dass die Band als die Freunde von nebenan erscheinen. Zu jedem noch so kleinen Detail gibt es Zahlen, Fakten, Statements der jeweiligen Bandmitglieder. Ausführliche Interviews mit dem Gründungmitglied Vince Clarke, dem Produzenten Gareth Jones, Nebenprojekte von Gahan und Gore, Clarkes weiterer musikalischer Weg sowie angeblich noch nie veröffentlichte Interviews mit den Bandmitgliedern runden das Ganze ab. Durchaus lesbar, informativ und unterhaltsam. Viele Fassetten wurden neu beleuchtet und dargestellt und irgendwie hat man nach der Lektüre des Buches das Bedürfnis loszugehen und sich alle Alben der Band zu kaufen. Einziger Wermutstropfen sind die recht wenigen Fotos. Viele davon sind Pressefotos, andere wieder scheinen aus den Privatalben der Jugendlieben entwendet.

Jonathan Miller: Enthüllt: Depeche Mode - Die wahre Geschichte. 575 Seiten. ISBN 3-937041-43-5. Bosworth Music GmbH 2004. 29,95 Euro.

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