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Stephen Miller: Johnny Cash. Das Leben einer amerikanischen Ikone
von ta anno 2004

Stephen Miller: Johnny Cash. Das Leben einer amerikanischen Ikone

Am 12. September 2003 wagte Cash den Schritt in die ewigen Jagdgründe, da war die vorliegende Biographie schon fertiggestellt. Wir haben es tatsächlich mit einer Biographie im ursprünglichen Sinne zu tun. Stephen Miller, amerikanischer Journalist bei Scot FM, schreibt über das Leben eines Country-Stars, der nach ganz oben kletterte und nicht nur einmal kurz davor stand, nach ganz unten zu stürzen. Die musikalischen Veröffentlichungen Cashs, derer es eine ganze Menge waren, flammen dabei immer als kurze Episoden in einem Ganzen auf, welches beileibe nicht hinter der Musik Cashs Schluss macht. "Johnny Cash. Das Leben einer amerikanischen Ikone" beginnt mit der ländlichen Kindheit Cashs und endet mit seinem letzen Atemzug. Dass Miller dabei statt auf die vorliegenden 470 Seiten (inkl. Auswahldiskographie, Quellen- und Namensregister) nicht auf 800 Seiten gekommen ist, liegt nur daran, dass das Tempo des Schreibstils gegen Ende des Buches zunimmt, während gerade die Anfangsphase des musikalischen Schaffens Cashs in den 50ern und 60ern von Miller in aller Ausführlichkeit, für den Nicht-Fan vielleicht zu ausführlich, vorgestellt wird: für den Leser auf jeden Fall eine höchst informative Reise durch ein an Höhen und Tiefen, Widersprüchen und Harmonien reiches Leben. Auf Cashs Musik geht Miller (beinahe im Rezensions-Stil) ebenso ein wie auf dessen oft gespaltene Psyche, Drogenprobleme und besonders die tiefe Religiösität des Sängers, wobei sich eine kritische, allerdings niemals abwertende oder polemische Distanz des Autors nicht überlesen lässt. Fragen bleiben eigentlich nach der Lektüre dieses Buches kaum offen, der Mythos "Cash" wird schrittweise entmystifiziert und Miller versucht explizit, die Paradoxien im Leben der "amerikanischen Ikone" in ein harmonisches Ganzes zu bringen. Lediglich der Patriotismus Cashs wird dem Europäer nicht ganz durchsichtig gemacht, aber vielleicht fehlt es einem amerikanischen Autor hier an möglicher Distanz (was an der Stelle gar nicht diffamierend oder anklagend gemeint ist). Miller schreibt seine Biographie gut, weder sensationsgeil noch wissenschaftlich, sondern ernst im Ton und nüchtern in der Darstellung, aber mit der nötigen Anschaulichkeit dargebracht, sich selbst dabei bis auf einige Ausnahmen, Momente der Handlungs- und Aussagenbewertung, vollkommen zurückstellend. (Die erste Person Singular taucht nicht einmal auf!) Stattdessen sprechen hier vorrangig die Fakten, welche in großer Zahl versammelt sind. Miller hat Personen aus dem privaten und geschäftlichen Dunstkreis Cashs (soweit diese Trennung bei einem Musiker wie Cash überhaupt möglich ist) interviewt, Zeitzeugnisse en masse herangekarrt und die reichhaltige bis dato veröffentlichte Cash-Literatur (sowohl über Cash aus zweiter Hand als auch dessen Autobiographien von 1977 und 1997) studiert. Ergänzt wird der beeindruckende, in fünf Kapitel geteilte Informationsschub von einigen Bildern aus öffentlichen Archiven, die gottlob nicht auf Paparazzi-Jagd und peinlichen Journalistenfehlleistungen beruhen. Das macht "Johnny Cash. Das Leben ..." zu einer ebenso spannenden wie seriösen Angelegenheit für den geneigten Cash- und/oder Country- und/oder Musik- und/oder Biographiefan.

Stephen Miller: Johnny Cash. Das Leben einer amerikanischen Ikone. Berlin: Bosworth Edition 2004. ISBN 3-937041-63-X. 470 Seiten



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