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Bernd Lutz (Hrsg.): Philosophen (Metzler Kompakt)
von ta anno 2004

Bernd Lutz (Hrsg.): Philosophen (Metzler Kompakt)

Es ist in gewissem Sinne symptomatisch, dass hier nicht ein als Philosophie-, sondern ein als Philosophenlexikon bezeichnetes Schriftstück an mehr oder weniger wohlformulierter Sekundärliteratur vor uns liegt. Philosophieren ist ja alles Mögliche, hört aber im Regelfall dort auf, wo es nur um die Anhäufung von Thesen, hochabstrakten noch dazu, geht. Grundproblem eines Lexikons, das einen Überblick über philosophisches Denken schaffen soll, ist: Wir haben es leicht (aus Platzmangel, Gründen der Übersichtlichkeit und der Intention der Einführung) nur mit einer Anhäufung von Thesen, hochabstrakten noch dazu, zu tun. Gut, das ist kein Mangel nur dieses Lexikons, sondern eine Schwierigkeit, die jeder Herausgeber eines Philosophie- oder Philosophenlexikons bewältigen muss. Im Falle vom vorliegenden Band aus der Reihe "Metzler Kompakt" ist eine solche Bewältigung aber nur bedingt gelungen.
Weil das hier kein Philosophie-, sondern ein Philosophenlexikon ist, handelt es sich 1.) um eine nach Autoren, nicht Sachfragen, Begriffen o.Ä. gegliederte Kompilation verschiedener Beiträge, welche 2.) den kargen Boden der Philosophie noch mit teilweise sehr ausführlichen biographischen Blümlein schmückt. (Wobei zweites m.E. nur bedingt das philosophische Interesse wachrufen sollte, aber das ist eine subjektive Wertsetzung.) Verschiedene Forscher schreiben zu verschiedenen Philosophen, verschiedene Philosophen bekommen verschiedene Beitragslängen zurechtgestellt - den längsten Beitrag erntet mit 14 Seiten überraschenderweise das Duo Marx/Engels (S. 143ff.) -, verschiedene Beiträge sind, wie nicht anders zu erwarten, von verschiedener Qualität. Ein Grundproblem durchzieht m.E. nahezu die gesamte Sammlung: Autoren klammern sich krampfhaft an eine abstrakte Frage und das ist die Frage: Zu welchen Ergebnissen kommt Philosoph xy? Das mag man von einem Lexikon erwarten, von einem handlichen Taschenlexikon (und das liegt ja hier vor) hinzu - nämlich eine komprimierte Zusammenfassung aller Kernthesen. Aber mal ehrlich: Wie weit komme ich mit dem Wissen, dass Hegel die Welt aus Begriffen zu begreifen meint, Aristoteles die Gültigkeit des Satzes per Widerspruch zu beweisen versucht und Existenzphilosophie u.a. Heidegger und Jaspers umfasst? Man entschuldige dem Rezensenten einen polemischen Unterton (und projiziere diesen schon gar nicht auf die angesprochenen Inhalte/Philosophen!), aber ein Artikel zu einem Philosophen, insofern er einen Einstieg, eine Anregung zur näheren Beschäftigung, eine aussagekräftige Nachschlagemöglichkeit und nicht nur abstrakte Weltmeinung bieten soll, sollte doch zuallererst verdeutlichen, welches ernstzunehmende theoretische Anliegen ein Philosoph hat. In dieser Hinsicht steht "Metzler Kompakt" in einem etwas düsteren Licht. Zu viel Abstraktion, schwer zu füllende Formeln - wenn man hier nicht bereits ein gewisses Wissensfundament z.B. begrifflicher Art vorzuweisen hat, wird man es schwer haben, Sätze und Gedankengänge nachvollziehen zu können. Besitzt man dieses Wissensfundament bereits, wird man vermutlich in vielen Fällen kein einführendes Lexikon mehr brauchen - ein tückischer Zirkel also.
Diese möglicherweise harsch anmutende Kritik soll natürlich nicht die Arbeit hinter dem ganzen Unterfangen schmälern oder grundsätzlich vom Kauf abraten, schließlich ist (hoffentlich) deutlich geworden, dass die spezifisch dieses Lexikon betreffenden Probleme, die ich zu sehen glaube, nicht 100%ig abzulösen sind von generellen Problemen autorenorientierter Zusammenfassungswerke im Bereich der Philosophie. Einen ernstzunehmenden Einstieg, eine sinnvolle Nachschlagemöglichkeit bieten aber andere Lexika m.E. in schlüssigerer Form (wobei ich zugegebenermaßen weitere Taschenlexika gleicher Bauart nicht kenne). Anders ausgedrückt: Das Unternehmen einer Taschenbuchphilosophie ist in gewissem Sinne aus Gründen in der Sache selbst generell zum Scheitern verurteilt. Aber dieses Scheitern lässt sich graduell abstufen. Die inhaltliche Fixierung auf eine abstrakte Zusammenfassung einer philosophischen Theorie halte ich für ungeeignet zum Einstieg, darum für niederwertiger als bspw. einen methodischen Zugang, und das ist der einzige Grund, aus dem ich das ganze Unternehmen bzw. seine Umsetzung kritisiere. Wer nur auf der Suche nach möglichen, allgemeinen, unbegründeten Aussagesätzen über die Welt in all ihren möglichen Phänomenen ist, darf ruhig zugreifen.
Diverse auch nach meiner Kritik angemessene Beiträge finden sich natürlich - unter immerhin 60 Artikeln insgesamt - nichtsdestotrotz. Gelungenes Einführungsmaterial bieten m.E. z.B. Thomas Schneider (zu T. Hobbes mit methodisch orientiertem Zugang; S. 97ff.), Wilhelm Schmidt-Biggermann (G. W. Leibniz systematisch aufgerollt; S. 130ff.), Traugott König (zu J.-P. Sartre sehr klar; S. 210ff.), Lore Hühn (A. Schopenhauer komprimiert und kernig; S. 229ff.) und Georg Scherer (T. v. Aquin in flüssiger, lebendiger Schilderung; S. 254ff.). Auch die Auswahl der vorgestellten Philosophen ("Metzler Kompakt" stellt eine Kollektion auf Grundlage des Metzlerschen "Philosophen-Lexikon" (3. Aufl. 2003) dar) ist gelungen. Von der Vorsokratik über die Antike, den Neuplatonismus, das Mittelalter in all seinen Phasen, Renaissancephilosophie, den Rationalismus des 17./18. Jh., das Zeitalter der Aufklärung, den Dt. Idealismus bis zum Existenzialismus und der analytischen Philosophie des 20. Jhs. sind wesentliche und epochemachende Vertreter und sogar ein paar "philosophide", aber nicht unbedingt philosophische Denker wie Montaigne (S. 159ff.) erfasst. Und in diesem kleinem Format lassen sich (trotz Lexikon-typisch an der Minimalgrenze befindlicher Schriftgröße) auch 276 Seiten recht flott lesen (wenn man nicht nur Infos zu einem konkreten Philosophen sucht), zumal, wie oben erwähnt, auch Biographieschilderungen für eine Auflockerung des ganzen Gedankengerüsts sorgen.
Zum Fazit noch einmal: Ernsthafte Philosophie mit einführender Hinsicht sehe ich andernorts besser angegangen, wenngleich weniger kompakt. Wer ein wenig begrifflich-sachliches Hintergrundwissen mitbringt, jedoch autorenspezifisch keinen blassen Schimmer hat, kann mit "Metzler Kompakt" durchaus glücklich werden. Vielleicht ist der vorliegende Band ja gerade für diese Personengruppe gedacht. Das weiß ich aber keineswegs. Ein einführendes Vorwort ist leider nicht mehr drin gewesen. ISBN: 3-476-02026-6; 12,95 Euro; erschienen im Verlag Metzler (Stuttgart et al).






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