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Carsten Lange (Hrsg.): Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum - Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines Magdeburger Areals
von rls anno 2007

Carsten Lange (Hrsg.): Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum - Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines Magdeburger Areals

Es hätte wahrlich nicht viel gefehlt, und statt eines Dorfes namens Berlin wäre Magdeburg zur Metropole Deutschlands geworden. Zumindest sahen das die frühen Pläne der ottonischen Kaiser vor (in denen Berlin noch keine Rolle spielen konnte, weil dessen Areal damals noch weit im Slawengebiet lag und allenfalls dünn dörflich besiedelt gewesen sein dürfte), und auch in den Folgejahrhunderten sollte die Stadt an der Elbe immer wieder zentrale Rollen in der deutschen Geschichte spielen, bevor die Geschichte ihr eigenes Spiel mit der Stadt zu treiben begann und sie zumindest partiell von der großen Entwicklung abkoppelte, so daß Magdeburg es bis heute "nur" zur Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts gebracht hat, der zudem das unnachahmliche Flair Dresdens, die Weltläufigkeit Hamburgs oder die Pulsation Münchens abgeht. Auch im kulturellen, speziell historisch-musikalischen Vergleich steht Magdeburg im mitteldeutschen Ranking international noch verbesserungswürdig da: Leipzig hat seinen Bach, den bis ins letzte japanische Dorf jeder kennt, Halle hat seinen Händel, den es ebenfalls recht erfolgreich vermarktet - Magdeburg nun hat seinen Telemann, und trotz aller Anstrengungen ist dieser unter den großen barocken Drei immer noch die graue Maus, trotz oder vielleicht auch wegen seines immens hohen Kompositionsausstoßes. Diesen Zustand zu ändern bemüht sich seit geraumer Zeit das Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung im Kulturamt der Landeshauptstadt Magdeburg, und dieses residiert seit 2002 in einem historisch geprägten Magdeburger Areal, nämlich dem des ehemaligen Benediktinerklosters St. Johannes auf dem Berge - Grund genug zur Veranstaltung eines Kolloquiums am 29. und 30. August 2003, das sich mit Vergangenheit und Gegenwart dieses Areals auseinandersetzte und dessen Referate als Heft 35 der Reihe "Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts" im Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. vorliegen.
Insgesamt 13 Referenten rollen die Geschichte des Areals auf, beginnend mit der Klostergründung im 10. Jahrhundert und endend mit der Wiedereinweihung der teilrekonstruierten Ritter-Reubke-Orgel im Schinkel-Saal des heute noch stehenden Gesellschaftshauses, in dem das Telemann-Zentrum seine Räumlichkeiten hat. Erfreulicherweise schaffen es fast alle Autoren, trotz teilweise recht spezieller Sujets ihre Erkenntnisse auch dem interessierten Laien verständlich darzulegen, wenngleich zur vollständigen Erschließung etwa gerade des Orgelkapitels ein wenig Fachwissen organologischer Natur nicht unnütz ist und auch in Bernhard Mais Festungsbeitrag die Erläuterung fortifikatorischer Fachtermini einen unabdingbaren Zusatz für Nichtmilitärexperten darstellt. Selbst wenn themenbedingt ein Beitrag mal in fast völlige Kaffeesatzleserei ausartet (etwa Christof Römer bei seinem Versuch der In-Zusammenhang-Setzung verschiedener Baunachrichten aus der Klosterzeit bis zur kompletten Zerstörung 1546, der recht häufig mit Worten wie "wohl" arbeiten muß), liest sich das Ganze immer noch spannend und zumindest für den Nichthistoriker auch logisch (eine fachliche Diskussion sei an dieser Stelle nicht angefacht, das sollte entsprechenden Fachkreisen vorbehalten bleiben). Zwei Beiträgen über die alte Klosterzeit folgen zwei über kulturhistorisch bedeutsame Ereignisse der späteren Periode, nämlich die Veröffentlichung der "Formula Concordiae", einer wichtigen grundlegenden evangelischen Artikelsammlung, sowie den Klosterbergischen Vergleich von 1666, mit dem die Stadt endgültig zu Preußen kam (ein Fakt, der in mehreren Beiträgen eine Rolle spielt und durchaus unterschiedlich bewertet wird, von "Knebelvertrag" bis zu "das Beste, was der Stadt passieren konnte"). Gleich vier Beiträge befassen sich mit der Klosterschule bzw. einzelnen bedeutenden Schülern und Lehrern nach der Reorganisation des Schulwesens 1686, der Klosterbergegarten, der nach der abermaligen grundlegenden Zerstörung der Klostergebäude nach den Napoleonischen Kriegen angelegt wurde, ist ebenso ein Thema wie das in ihm errichtete Gesellschaftshaus, und Wolf Hobohm zieht in einem grundlegenden Beitrag die Traditionslinie der Musik in diesem Areal von seinen Anfängen bis eben hin zur aktuellen Nutzung als Telemann-Zentrum nach. Eine Zeittafel ergänzt die Beiträge nützlich (man hätte sie allerdings noch ganz konsequent chronologisch sortieren können), und eine für den nichtmagdeburgischen Leser ebenso nützliche Zutat wären noch überblicksartige (neu skizzierte, auf das Wesentliche reduzierte) Lagepläne gewesen, die bestimmte Entwicklungsstufen verdeutlichen und damit die Vorstellungskraft des Lesers besser bündeln können, die durch teils recht gute und geschickt ausgewählte Abbildungen bereits auf ein gutes Level gebracht worden ist, wenngleich auch auf diesem Sektor Wünsche offenbleiben müssen, wie speziell Heidemarie Titz' Gartenbeitrag zeigt, da die Aussagekraft der dort abgebildeten historischen Lagepläne formatbedingt teils arg beeinträchtigt ist. Aber das geht in diesem Fall als Jammern auf hohem Niveau durch. Insgesamt sind die 240 Seiten äußerst lesenswert und verdeutlichen, was man auch dann an historischen Stringenzlinien noch evozieren kann, wenn der rote Faden unterwegs mehrmals hoffnungslos zerschnitten worden zu sein scheint. Pflichtlektüre für den an sachsen-anhaltinischer Geschichte Interessierten ist es sowieso - und für den hält die Buchserie des Landesheimatbundes auch noch etliche andere Schmankerl bereit.

Carsten Lange (Hrsg.): Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum - Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines Magdeburger Areals. Halle: Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. 2004. ISBN 3-928466-73-9. 240 Seiten. 5,00 Euro. http://neu.heimat.de/home/lhb, www.telemann.org
 






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