www.Crossover-agm.de
Peter Krumbiegel/Clemens Prokop: Jauchzet, frohlocket: Du musst kein Schwein sein
von ta anno 2004

Peter Krumbiegel/Clemens Prokop: Jauchzet, frohlocket: Du musst kein Schwein sein

Man sollte sich nicht davon täuschen lassen, dass Krumbiegel auf dem Buchdeckel steht und der rothaarige Prinzen-Barde das Cover zierend auf dem Bachdenkmal vor der Thomaskirche zu Leipzig sitzt. "Jauchzet, frohlocket: Du musst kein Schwein sein" ist geschrieben von Peter Krumbiegel und überarbeitet von Clemens Prokop. Während zweiterer im Regelfall den journalistischen Bereich beackert, handelt es sich bei ersterem um den Vater des nicht nur sachsenweit bekannten Sebastian Krumbiegel. Der Titel deutet es an: "Jauchzet, frohlocket ..." ist ein Buch auch über die Prinzen. Tatsächlich aber füllt der Artikel über Entstehung und Geschichte des singenden Fünfergespanns nur 22 von 164 Seiten. Denn "Jauchzet, frohlocket ..." ist ein Buch über die ganze Familie Krumbiegel, in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts mit Philine Fischer, der Großmutter von Sebastian Krumbiegel, beginnend, und in der Gegenwart eben mit den Prinzen endend; eine Sammlung persönlicher, witziger, nachdenklicher Anekdoten aus dem Leben einer Familie. Doch "Jauchzet, frohlocket ..." ist auch ein Buch über Musik, Musikmachen, Musiklieben, Musiksuchen und Musikfinden. Denn die Familie Krumbiegel, die sich hier präsentiert, besteht (fast) ausschließlich aus Menschen, die Musik machen (Operngesang, professioneller Chor- und Sologesang, Pop) und/oder erforschen (Musikwissenschaft). Dabei tritt die analytische Seite des Musizierens ganz klar zugunsten eines Musikbildes in den Hintergrund, das sich ganz selbstgenügsam von theoretischem Ballast befreit hat. Nicht-Spezialisten müssen also keine Angst haben, das vorliegende Schriftstück zu konsultieren. Im Vordergrund steht klar kontrastiert die Freude daran, sich musikalisch zu äußern, musikalische Äußerung wahr- und ernstzunehmen und darüber zu schreiben. Dass es dabei nur um die Musik geht, die bei Krumbiegels gemacht wurde und wird (also weder Techno noch Metal noch gregorianische Responsorik auch nur erwähnt werden) (wobei man die krachige Hardrockversion von "Alles nur geklaut" mit einem der coolsten parodistischen Videos aller Zeiten nicht vergessen sollte - Anm. rls), ist dabei nicht weiter tragisch. Statt dessen liest man von Bach im Speziellen und Leipziger Chorarbeit im Semi-Speziellen, vom Singen im Allgemeinen. Dies alles aber ist geschrieben überaus flockig und so locker-leicht, dass "Jauchzet, frohlocket ..." auch als Ganzes und nicht brockenweise konsumiert unterhaltsam und unverfänglich bleibt, sieht man von politischen Meinungsäußerungen einmal ab. Tatsächlich spielt der größere Teil des Erzählten in der Zeit des real existierenden Sozialismus, so dass nicht nur einmal der Rand des Familienalbums unter der Perspektive musikalischen Schaffens sanft überschritten wird und in eine Verquickung mit der (hier nicht gänzlich unerfreulichen) DDR-Wirklichkeit tritt, etwa, wenn Thomaner- und Universitätschor zum einzigen Fluchtpunkt vor ideologischen Impfungen werden (S. 26 ff) oder das sakrale "Dona Nobis Pacem" die Montagsdemonstrationen in Leipzig konsensschaffend begleitet. Ja, "Jauchzet, frohlocket ..." ist auch ein Buch über Leipzig. Nicht zentral, aber allgegenwärtig überleuchtet die Stadt Leipzig die Kleine-Geschichten-Prosa von Krumbiegel und Prokop, denn hier geht es nicht um irgendeine Familie, sondern um eine Leipziger Familie, nicht um irgendeinen Chor, sondern um den Thomanerchor, nicht um irgendeinen Komponisten, sondern den altehrwürdigen Thomaskantor J.S. Bach, nicht um irgendein Kapitel DDR-Geschichte, sondern um das Kapitel "Leipzig". OBM Wolfgang Tiefensee wird's freuen, denn seine/unser aller/Leipzigs Bewerbung für die olympischen Spiele mit Betonung von Musik- und Politikkultur hatte die identische Richtung. Hamburger oder New Yorker dürfen das Buch aber neben Prinzen-Fans (Sebastian K. ist immerhin für ein Vorwort zuständig gewesen), Musik-Interessierten, Musik-Uninteressierten, Biographie-Sammlern und Zeitzeugenberichterstattungs-Suchern auch lesen. Leute, die (noch) nicht lesen können, werden mit teils lustigen, teils ernsten Bildern beglückt, die zum Teil aus dem Privatfundus der Krumbiegels stammen (unerreicht: Stasi-Unterlagen-Nonsens (S. 85), ideologisch (fehl-)geprägter Geburtstagswunschzettel (S. 123)) und den Fließtext weiter auflockern. Minuspünktchen gibt es für einige chronologische Unordnung, besonders im Kapitel "Westwärts der Blick, ostwärts das Schiff", Pluspunkte für übersichtliche Gliederung und Personenregister im Abspann. Für 14,95 Euro lässt sich ein kurzweiliges Stück Unterhaltung über ISBN 3-7618-1735-5 bestellen.

Peter Krumbiegel/Clemens Prokop: Jauchzet, frohlocket: Du musst kein Schwein sein. Kassel et al: Bärenreiter Verlag 2004. ISBN 3-7618-1735-5. 14,95 Euro



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver