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Josef K: Leicht entflammbares Material
von rls anno 2001
Puh, schwierige Lektüre.
Und das im doppelten, nein, dreifachen Sinne. Erstmal muß man sich
an den Schreibstil gewöhnen, der von simpelsten SPO-Konstruktionen,
die auch ein "Bild"-Leser verstehen könnte, bis zu halbseitigen Konstruktionen
Marke Hegel oder Fichte das komplette Kompliziertheitsspektrum menschlicher
Ausdrucksweisen in Schriftform beinhaltet (was man per Analogieschluß
auch auf die Orthographie übertragen kann). Ferner fällt es nicht
ganz leicht, sich möglichst vorurteilslos an die Lektüre zu machen,
haben doch die Geschehnisse rings um Josef Maria Klumb alias Josef K. alias
Jay Kay in der Szene (ich vermeide an dieser Stelle bewußt eine Eingrenzung)
reichlich hohe Wellen geschlagen. Schlußendlich stellt sich auch
die Sujethäufung in den über 70 Kapiteln als anstrengend heraus,
da man von der Roadstory zur pseudophilosophischen Abhandlung und wieder
zurück geworfen wird, wobei die Übergänge oftmals so abrupt
erfolgen, wie sie manchmal auch das Leben für einen bereithält.
Generell ist das Buch im
Stile einer Bandgeschichte aufgebaut - es geht um die in der Gothic-Szene
recht bekannten Forthcoming Fire, an deren Frontmikro Klumb aktiv ist,
wobei Klumbs andere Bandprojekte wie Circle Of Sig Tiu oder Von Thronstahl
Nebenrollen spielen. Klumb zeichnet den Weg Forthcoming Fires vom lokalen
Act zur Band mit angesprochenem Bekanntheitsgrad nach, zerreißt den
Vorhang vor dem Rock'n'Roll-Traum schonungslos und behandelt gleichwertig
die Erfolge und die schweren Stunden, wobei auffällt, daß es
letztgenannte viel öfter gab, als der Außenstehende bei einer
dem absoluten Underground schon entwachsenen Band vermuten mag. Da ist
das Catering ungenießbar, da schüttet sich der Gitarrist vor
einem Gig frustriert derartig mit Hochprozentigem zu, daß er ungewollt
einen dadaistischen Aspekt in den Auftritt einbringt, da fallen Konzerte
gleich dutzendweise aus, da gibt es verschiedentlichen Ärger mit den
lokalen Behörden, da kommt es zu einer wahren Proberaum-Odyssee ...
die Liste ließe sich verlängern. Bis zu diesem Punkt tun sich
frappierende Ähnlichkeiten des "leicht entflammbaren Materials" mit
Chris von Rohrs "Hunde, wollt ihr ewig rocken"-Schinken auf, wobei Krokus
seinerzeit noch ein paar Stufen weiter auf der Erfolgsleiter nach oben
klettern konnten.
So weit, so gut. Nun gibt
es da aber noch einen weiteren Aspekt, der nicht unter den Tisch gekehrt
werden darf, den politischen. Klumb schildert detailgenau, wie es zu dem
ihm nachlaufenden Ruf, er sei ein beinharter Nazi, gekommen ist. Gleichzeitig
legt er in vielen Passagen sein Weltbild recht detailliert offen, so daß
nach der Lektüre eigentlich keine Fragen mehr offenbleiben sollten.
Eigentlich. Denn Klumbs Gedankenwelt stellt sich als ein gutes Stück
zu komplex heraus, um vom mainstreamangepaßten Durchschnittsmenschen,
der am liebsten andere für sich denken läßt, verstanden
zu werden, und da der angesprochene Personenkreis heutzutage die absolute
Mehrheit nicht nur in Deutschland stellt, hat Klumb zunächst als Nonkonformist
zu gelten, im engeren Sinne aber auch als elitär - und das ist ein
recht gefährlicher Begriff. Nationalsozialistische Ideologie ist per
definitionem elitär, aber nicht jede elitäre Ideologie ist automatisch
nationalsozialistisch - oder kommt jemand ernsthaft auf den Gedanken, Jehovas
Zeugen als Nazis anzusehen (man erinnere sich an die 144000 Gerechten)?
So weit zu denken, ist dem heutigen mainstreamangepaßten Durchschnittsmenschen
allerdings schon nahezu unmöglich. Daß man nationalsozialistisch
orientierten Publikationen wie der Jungen Freiheit ein Interview gibt,
macht einen auch nicht automatisch zum Nazi (eine christliche Black Metal-Band
wird sich mit Händen und Füßen wehren, als satanisch angesprochen
zu werden, nur weil sie dem Ablaze ein Interview gegeben hat). Schwieriger
ist der Gehalt von Symbolen zu bewerten, die Klumb in seiner Weltanschauung
als sehr wichtig erachtet und die schon Jahrhunderte, gar Jahrtausende
alt sind, die aber auch vor oder nach 1933 mit nationalsozialistischem
Ideengut gefüllt wurden. Welcher mainstreamangepaßte Durchschnittsmensch
weiß eigentlich, was es ursprünglich mit der Schwarzen Sonne
(speziell die spielt für Klumb eine herausgehobene Rolle) auf sich
hatte? Klar, wer heute ein Hakenkreuz rumschleppt und sich dann auf das
alte Sonnenrad beruft, der ist kein Denker, nicht mal ein Provokateur -
der ist einfach doof. Aber das macht Klumb nicht. Er muß sich allerdings
vorhalten lassen, barrelweise Öl ins Feuer der Diskussion zu gießen,
indem er nationalsozialistisch klingendes Vokabular (teilweise auch mit
entsprechenden Bedeutungen unterlegt) verwendet, auch wo es eigentlich
nicht nötig ist (muß man seine eigene Bude unbedingt "Wolfsschanze"
nennen?). Diplomatisches Geschick besitzt er nahezu nicht, was seine Situation
nicht entscheidend entspannen hilft (wobei sich gleich anschließend
die Frage stellt, ob er das überhaupt will - bei ihm bin ich mir da
nicht besonders sicher, würde aber auch nicht so weit gehen, ihm einen
Böhse Onkelz-artigen Märtyrereffekt unterschieben zu wollen,
wie es mein Kollege Thor Wanzek im Legacy getan hat, wohingegen sein Bruder
Bernhard, der bei Forthcoming Fire an den Keyboards steht, mehrmals durchblicken
läßt, daß ihn die politischen Querelen einfach nur noch
nerven und er eigentlich nur in aller Ruhe Musik machen will). Andererseits
gibt Klumb selbst zu, nicht mit einer besonders weitreichenden Intelligenz
gesegnet worden zu sein, wagt sich aber dennoch in gedankliche Sphären
vor, aus denen auch schon große Denker sich mehr oder weniger vorsichtig
wieder zurückgezogen haben (ich erinnere an Oswald Spengler, der zu
DDR-Zeiten als "Wegbereiter des Nationalsozialismus" galt, weil man seinen
"Untergang des Abendlandes" gründlich an seinen Intentionen vorbei
interpretierte - erstaunlicherweise wurde er in der Nazizeit kaum instrumentalisiert,
wohl weil Hitler, der schon mit Alfred Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts"
seine Probleme hatte, ihn erst recht nicht verstand) und die er, ohne daß
ich ihm etwas unterstellen will (ich kenne ihn nicht persönlich und
insgesamt auch nicht intensiv genug), meiner Ansicht nach nicht bis ins
letzte Detail geistig durchdringen kann, mag er sich selbst auch für
elitär und berufen halten. Wenn Klumb dann über kosmische Schicksale,
Begriffe wie Ehre und Treue oder auch die 68er Bewegung und deren Folgeerscheinungen
zu dozieren beginnt, dann hat das Ganze keinen feinsinnigen, sondern einen
hölzern-deutschen Touch, der mit einem eisernen Besen kehrt und sich
hinterher über das Ödland wundert, das er hinterlassen hat -
und in hohem Grade mißverständlich sind seine Aussagen noch
dazu. Wenn sich aber eine Gegnerschaft, wie sie Klumb hat (ein lustiges
Konglomerat mit der Antifa an der Spitze, über deren "demokratisches"
Verständnis das Buch an zahlreichen Stellen beredte Auskunft gibt
- manche Leute sind halt so weit links, daß sie rechts wieder rauskommen),
einmal auf einen eingeschossen hat, dann braucht man sich nicht zu wundern,
wenn mißverständliche Aussagen zu komplexen und brisanten Themen
auch mißverstanden werden, eben weil sie mißverstanden werden
wollen (der doppelte Bezug im letzten Nebensatz ist beabsichtigt). Und
das spült im Prinzip Wasser auf die Mühlen aller Seiten, so daß
mit einer Konfliktlösung in absehbarer Zeit wohl nicht zu rechnen
ist.
Einen entscheidenden Nachteil
(neben der partiell vorsintflutlichen Reproqualität der abgebildeten
Fotos, Zeitungsausschnitte und anderer Dokumente) hat das Buch allerdings:
Es bricht die Erörterungen im Mai 1998 ab. (Keine Ahnung, warum es
letztlich bis 2000 gedauert hat, bis es zur Veröffentlichung kam.)
Somit wird der hochinteressante Themenkomplex rings um Weissglut (der aufgrund
des Majordeals Weissgluts bedeutend mehr Aufmerksamkeit erregte als die
vergleichsweise wenig bekannten Forthcoming Fire) nur sehr marginal gestreift,
und die mir zu Ohren gekommene Kooperation Klumbs mit den nun wirklich
jenseits von Gut und Böse anzusiedelnden Kerls von Absurd bleibt ebenfalls
außen vor, obwohl ich darüber gern mehr erfahren hätte.
Aber ich vermute, daß es irgendwann in der Zukunft einen zweiten
Teil von "Leicht entflammbares Material" geben wird, der vielleicht Antworten
auf einige in der Zwischenzeit offengelegte Fragen bietet.
Klumb bekennt unverhohlen,
daß er kein Freund der heutigen politischen Verhältnisse (die
allgemein mit dem Terminus "Demokratie" belegt werden) ist, weshalb man
ihn als auf undemokratischem Boden stehend bezeichnen darf. Ganz abgesehen
davon, daß meiner Ansicht nach der Begriff Demokratie, die Idee dahinter
und die heutige Ausprägung einer kritischen Hinterfragung unterzogen
werden sollten, gilt das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Meinungsfreiheit
für jeden Bürger, mag er auf demokratischem Boden stehen oder
nicht, also auch für Klumb. Und: Nicht jeder, der nicht auf demokratischem
Boden steht, ist deshalb automatisch ein Nazi (wohingegen allerdings wiederum
jeder "richtige" Nazi nicht auf demokratischem Boden stehen darf). Man
sollte sich deshalb davor hüten, Klumbs Thesen und Meinungen unreflektiert
nachzuplappern, aber man sollte sich genauso davor hüten, Klumb automatisch,
vielleicht nur auf Mitteilungen Dritter beruhend pauschal abzuqualifizieren.
Wer sich in Zukunft zum Thema Forthcoming Fire/Weissglut/Klumb äußert,
ohne das Buch vorher gelesen zu haben, muß sich deshalb vorwerfen
lassen, sich (bewußt oder unbewußt) der Gefahr tendenziöser
Berichterstattung (egal in welcher politischen Richtung) auszusetzen. Daß
auch und gerade die per Selbstverständnis demokratische Presse (es
tun sich erneut Parallelen zu den Böhsen Onkelz auf) diese Klippe
in Zukunft umschifft, wird aber wohl leider ein frommer Wunsch bleiben.
Josef K.: Leicht entflammbares
Material. Duisburg: VAWS 2000. 424 Seiten. ISBN 3-927773-38-7. DM 39,90
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