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Jakob Kandlbinder: Halbstark und Cool - Ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren
von *tf anno 2005

Jakob Kandlbinder: Halbstark und Cool - Ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren

Dieses Büchlein mit reichlich 100 Seiten stellt die Veröffentlichung der Kandlbinderschen Diplomarbeit im Telos-Verlag dar. Dadurch erklärt sich einiges. Es ist eine Diplomarbeit - nicht mehr und nicht weniger. Schon der sparsame Seitenumfang der Lektüre macht deutlich, dass es inhaltlich nur zu stark verkürzten Darstellungen von Jugendkulturen kommen kann. Das ist Nachteil und Vorteil zugleich. Nachteilig natürlich der oft holzschnittartige Charakter der Darstellungen und ein wilder Galopp durch Zeiten, Stile und Besonderheiten, vorteilig dagegen die Beschränkung aufs Wesentliche. Dies ist meiner Meinung nach zum Teil gelungen, wenn auch kritisch angemerkt werden muss, dass es zuallererst eine Zusammenfassung fremder Meinungen ist, die Kandlbinder hier resümiert. Als Beleg dafür kann gelten, dass der Autor es schafft, den 102 Seiten inhaltlicher Füllung immerhin 563 Fußnoten zur Seite zu stellen. So muss eigene Argumentation notgedrungen im Gestrüpp herbeizitierter Lehrmeinungen, die dazu noch einem begrenzten Repertoire zitierter Autoren entstammen, hängen bleiben.
Nachdem der Autor zunächst Grundsätzliches zu den Begriffen "Jugend", "Kultur" und "Jugendkulturen" ausführt (dieser Teil umfasst immerhin die Hälfte des Buches), widmet er sich im Folgenden den mit Beat, Folk, Techno, Oi-Musik, und Rap/HipHop verbundenen Jugendkulturen. Beide Teile der Arbeit weisen allerdings nach meinem Dafürhalten erhebliche Mängel auf. Zum einen schafft es Kandlbinder nicht, seine eigenen Argumentationsstränge konsequent durchzuhalten (so lehnt er beispielsweise den Begriff der Jugendsubkultur auf Seite 26 ab, um ihn bereits auf der Folgeseite durch die Hintertür des zweiten Anstrichs wieder einzuführen), zum anderen fehlt eine durchgängige Systematik, die frei von persönlichen Ansichten und Vorlieben ist. Und dass der Kulturbegriff in ein zwanzigzeiliges Zitat zu pressen ist, auch wenn es einem Buch des hoch geschätzten Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen entnommen wurde, und es bei der Darstellung dieses Zitats belässt (nächstes Thema bitte ...) grenzt geradezu an Verweigerung, sich einem Begriff respektvoll zu nähern. Bei einer derartigen Reduktion auf einen Wesenskern, der nichtssagend bleiben muss, ertappen wir den Autor auch beim Thema "Rap/HipHop". Zwei Seiten müssen hier reichen. Dann, lieber Herr Kandlbinder, würde ich raten: lassen Sie's doch einfach weg, bitteschön. Der Minimalismus steigert sich im letzten Punkt - Ordnungsnummer 5. - mit der Überschrift: Ausblick. Zwölf Zeilen. Dazu lohnt es sich nicht einmal, die Lesebrille auszupacken.
Neben diesen deutlichen Mängeln, die das Büchlein aufweist, gibt es jedoch auch einiges, was für einen Erwerb spricht. So ist der Fokus auf die Halbstarken-Bewegung mit der Berücksichtigung historischer Prozesse und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen schon deshalb empfehlenswert, weil er neben dieser nicht zu häufigen Thematisierung reichlich Angaben zu weiterführender Literatur enthält. Auch der Verweis auf lokal gebundene Jugendkulturen und die Benennung exemplarischer Bewegungen liest sich mit Gewinn.
Fazit: ein Werk mit Licht und viel Schatten, welches den Erwartungen des Einsteigers genügen dürfte; diesem allerdings wäre ein vertiefendes Studieren der angegebenen Quellenliteratur unbedingt anzuraten. Das Preis-Leistungs-Verhältnis kann mit "gerade noch angemessen" bewertet werden.

Jakob Kandlbinder: Halbstark und Cool - Ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren. Münster: Telos-Verlag 2005. 120 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 3-933060-18-4, www.telos-verlag.de
 






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