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Jürgen Kaiser: Warum Schwaben alles können - wenn sie wollen. Historische Streifzüge in Schwaben
von mh anno 2006

Jürgen Kaiser: Warum Schwaben alles können - wenn sie wollen. Historische Streifzüge in Schwaben

Woher kommt der Ausdruck "Heiligs Blechle" oder "unter die Haube kommen"? Was war eigentlich der "Stuttgarter Brotkrawall"? Wie hat man im 17. Jahrhundert Salpeter hergestellt? Was sind die Wurzeln diakonischer Einrichtungen, wie zum Beispiel der Bahnhofsmission?
In diesem Buch können Sie es nachlesen. Erzählt wird von der "guten alten Zeit" im Ländle, die gar nicht so gut war, und von den Schwaben und ihrem Ruf als Tüftler, sparsamen Menschen und Eigenbrödler.
Der begierig lesende "Rei'gschmeckte" erfährt, dass der kleinste Fluss der Überfluss ist, dass die Überlebensstrategie in der früheren schwäbischen Mangelgesellschaft die patrialistische Gesellschaftsordnung war und die gängigste Strafe im Elternhaus und in den Schulen in "Oine and Gosch no langa" (Ohrfeigen) bestand.
Es ging ums Überleben, Arbeit suchen, den Broterwerb sichern, in der "guten alten Zeit" im Schwabenland, um Sprachunterschiede, die für Einheimische klar aussagten, welcher Konfession der Neuling angehörte.
Als ganz besonders hart wird im Buch das Leben der Kinder in Schwaben beschrieben. Aber ihnen ging es noch gut, wenn man die Erzählungen über die Tiroler Kinder, die sich aus Not in Schwaben "verdingen" mussten, wie es ältere Leute auch heute noch zu erzählen wissen, hört. Schulunterricht war eine Ausnahme für die Kleinen, Arbeiten angesagt. "Oft war ein frischer Kuhfladen im Frühjahr und Herbst kurzfristig die einzige warme Fußbekleidung, in dem die Jungen und Mädchen ihre Füße bei der ganztägigen Feldarbeit aufwärmen konnten", wie mir ein ehemaliger Tiroler Bub erzählte.
Einen besonderen Stand nahm damals auch die Ehe ein. Wo Liebesheirat eine Seltenheit ist und ein Heiratsantrag so lautet: "Dätsch du mi au mega, in dem Fall, das i die megadät?" (Würdest du mich haben wollen, wenn ich dich haben wollte?), ist das Alltagsleben nicht gerade rosig.
Im Buch wird so gut wie keine Situation "von der Wiege bis zur Bahre" ausgelassen. Eine Einheirat in eine schwäbische Familie ist, wie der Lesende sich selbst zusammenreimen kann, zwar nicht unmöglich, verlangt dem Zugezogenen aber ungebührlich viel Einfühlungsvermögen ab. Wer investiert schon gerne in Gefühle, die indifferent erwidert werden, oder in Arbeit, deren einziger Lohn oft das "nit gescholda" (nicht ausgeschimpft) ist?
Was sich im Fernsehen so unsäglich lustig ansieht und -hört, wird im Alltag schnell zur Verbitterung. Es sind fast nur Menschen mit einem sonnigen Gemüt, die sich unter solchen Lebensumständen nicht "unter kriegen lassen".
Jürgen Kaiser versteht es blendend die Tatsachenberichte und Anekdoten nicht in eine bodenlose Jammerei ausklingen zu lassen und so den nicht-schwäbischen Leuten den Weg zu eigenen Erlebnissen zu versperren.
Überlebenskünstler sind sie, die Schwaben, die unter sehr widrigen Lebensumständen als Volk überlebten, die mit Begeisterung von den übrigen Deutschen verlacht wurden und sich trotzdem nicht unterkriegen ließen.
Man tut gut daran beim Umzug in das Schwabenland "Warum Schwaben alles können - wenn sie wollen" als Sprachübersetzer mitzunehmen und sich vorher gut und gründlich in die Gepflogenheiten von Land und Leuten einzulesen. Denn wie Jürgen Kaiser feststellte, stimmt ebenfalls: "Wer einen Schwaben zum Freund hat, hat einen treuen und zuverlässigen Lebensgefährten." Wenn man sich persönlich kennen gelernt hat, dann kann man auch über die Eigenarten hinwegsehen, die ein Zusammenleben nicht einfach machen.
Um sich als "Rei'gschmeckter" besser zurecht finden zu können, um zu wissen wie eine Redewendung zu verstehen ist, ist es gut das Buch von Jürgen Kaiser immer dabei zu haben. Es erleichtert das Zusammenleben, entschärft brenzlige Situationen. Allerdings weiß man am Ende des Buches nicht so recht, ob man anhand der so naturgetreuen Nacherzählung herzhaft lachen oder in haltloses Weinen ausbrechen soll.
Der Autor Jürgen Kaiser ist seit 1999 Geschäftsführer der Evangelisches Medienhaus GmbH Stuttgart. Er wurde 1953 geboren, absolvierte sein Studium der Evangelischen Theologie in Tübingen, Göttingen und Edinburgh/Schottland, studierte Kommunikationswissenschaft an der Uni Hohenheim und ist Diplom-Journalist. 1987 baute er die Evangelische Rundfunkagentur Württemberg (ERA) mit auf. 1993 wurde er Geschäftsführer der Imatel Mediengesellschaft mbH in Stuttgart. Ab 1994 übernahm er die Fernsehredaktion der Evangelischen Landeskirche.

Jürgen Kaiser: Warum Schwaben alles können - wenn sie wollen. Historische Streifzüge in Schwaben. Stuttgart: Edition Gemeindeblatt 2006. 112 Seiten. ISBN 3-920207-12-2






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