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Christian Kaden: Das Unerhörte und das Unhörbare
von *tf anno 2004

Christian Kaden: Das Unerhörte und das Unhörbare

Das jüngste Werk des Musiksoziologen Christian Kaden macht schon durch den geschickt gewählten Titel neugierig. Im Untertitel des Buches wird dann der Hinweis darauf gegeben, über was der geneigte Leser informiert werden soll, nämlich über das, "was Musik ist, was Musik sein kann". Dies auf gut 300 Seiten abzuhandeln, scheint zumindest gewagt. Und so gibt das Buchcover einen nächsten, entscheidenden Hinweis: neben griechischen und lateinischen musikbezogenen Darstellungen und Abbildungen historischer Provenienz finden sich die Portraits von Tina Turner und Madonna. Also Musik in populärwissenschaftlicher Perspektive, der Inhalt zeitgeistgemäß kurzweilig, knackig und aufs Wesentliche reduziert. Diesem Trend folgend sind die vier Teile des Buches in musikalischen Beziehungen miteinander verwoben, unterteilt in einzelne Kapitel. Systematische und ästhetische Trennlinien also, die das turbulente inhaltliche Geschehen miteinander verbinden. Und hier wird miteinander verbunden, was auf den ersten, gar auf den zweiten Blick nicht zusammenzupassen scheint. Magische Praktiken und ihre musikalische Entsprechung, historische Sozialanalysen und ihre Wiederkehr in klanglicher Gestalt, geistliches Potenzial von Musik in kirchenhistorischer und religionssoziologischer Deutung: all dies verwirrt den Suchenden eher, als dass sich Erkenntnis einstellt. Was bleibt, ist die durch den Verfasser angestachelte Vermutung, dass es zwischen dem Weltganzen und dem Atomistischen, dem Historischen und Systematischen, dem Allgemeinen und dem Besonderen, dem Göttlichen und dem Menschlichen Zusammenhänge geben muss, die man nur beim ersten Lesen ob der Schnelligkeit des Parcours nicht verstanden hat. Verstanden hat man bis dahin allerdings schon den Pessimismus des Verfassers, die musikalische Entwicklung der Jetztzeit und ihren weiteren Verlauf betreffend. Und so fällt es auch den nicht expliziten Kulturpessimisten sicher nicht schwer, einen Satz zu unterschreiben, der Casting-Shows als Endzeitphänomen einer zivilisierten, sinngeprägten Gesellschaft ausweist. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das hier vorgelegte Buch von Kaden einem interessanten, nicht immer verständlichen aber ästhetisch unglaublich raffiniert gemachten Stück zeitgenössischer Musik gleichkommt: provokativ, widerspruchsfördernd, ungebändigt - und gerade aus diesen Gründen mehrfach und dazu noch mit steigendem Gewinn rezipierbar.

Christian Kaden: Das Unerhörte und das Unhörbare. Kassel et al: Bärenreiter/Stuttgart: Metzler 2004, ISBN 3-7618-1513-1 (Bärenreiter) und ISBN 3-476-01984-5 (J.B. Metzler), www.baerenreiter.com, www.metzlerverlag.com






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