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Ralf Hinz: Cultural Studies und Pop
von *tf anno 2003

Ralf Hinz: Cultural Studies und Pop

Was auf den ersten flüchtigen Blick wie ein hipper Paperbacktitel daherkommt, erweist sich beim zweiten Seh als philosophischer Ur-Ur-Enkel. Im Untertitel heißt es da: "Zur Kritik der Urteilskraft wissenschaftlicher und journalistischer Rede über populäre Kultur". Wem kommt da nicht sofort Väterchen Kant in den Hinterkopf? Sinngemäß könnte man das WhatWouldJesusDo-Motto abändern in: WhatWouldImmanuelSay? Und wäre damit in bester popjournalistischer Gesellschaft. Aber die gilt es ja unter anderem zu betrachten.
Folgen wir dem Vorschlag des Buchtitels und beginnen zunächst mit der wissenschaftlichen Rede. Und wie jede solche beginnt sie mit einem Vorwort. Etwas mystisch zunächst, wenn es heißt: "Musik war und ist für mich kein abstraktes Hobby, sondern das elementare Vergnügen an bestimmten Platten, die Aufnahme und Umwandlung jener Energien, die von der Musik in alltägliche Situationen hineinstrahlen." Da hat man schon auf der ersten Seite Gelegenheit, ausgiebig über eine Textstelle zu meditieren, die sowohl Wahrheit als auch Esoterik als auch Poesie enthält. Wir erinnern uns: "Zur Kritik der Urteilskraft" hieß das Buch, knappe 300 Seiten übrigens stark. Und darüber hinaus ist dem Autor daran gelegen, ganz im Sinne Brechts Perspektiven zu verfremden und als Bonbon noch kulturpädagogisch mit seiner Arbeit "auf die eine oder andere Musik neugierig zu machen". Ganz schön viel, was sich Meister Hinz da vorgenommen hat. Nur soviel vornweg: Den Titelanspruch löst er voll und ganz ein, den pädagogischen für mich eher weniger. Aber das ist sicher Ansichtssache. Zurück zur Materie. Und die startet mit Vollgas in einen theoriegeschichtlichen Abriss über den Begriff der "Cultural Studies", der Chancen und Potentiale ebenso aufzeigt, wie Angriffspunkte und Schwächen. Sehr komplex, sehr lesenswert. Im zweiten Kapitel wird's dann sehr sozialökonomisch und man merkt dem Autor an, wo sein Herz schlägt. Links. Aber das scheint ja ein Merkmal für diejenigen zu sein, die sich mit Themen beschäftigen wie "Cultural Studies und Pop". Ein Hauch 68 hängt da immer noch am Horizont. Man kann ihn lieben oder nicht, leugnen kaum.
Weiter. Ein Kapitel mit jugendsoziologischem Schwerpunkt, bevor es so richtig zur Sache geht. Das Kapitelthema heißt "Cultural Studies" und hier findet sich von musiksoziologisch über linguistisch und ökonomisch bis kulturanthropologisch alles. Neben-, mit- und gegeneinander. Gut dargestellt und systematisch in Zusammenhänge gebracht. Mein Lieblingskapitel. Folgendes beschäftigt sich mit Fanzines und mit der Begründung für die getroffene Auswahl derselben, bevor sich Hinz dann ganzkapitelig den Magazinen "Sounds" und "Spex" widmet. Meiner Meinung eher was für Leser, die sich selber schon ein umfassendes Bild jeweiliger Lektüren gebildet haben als für den ungeübten Blick. Aber nach Kapitel vier war ich so versöhnlich gestimmt, dass mir nun nichts mehr etwas anhaben konnte. Und so schließe ich mit Wohlwollen und Anerkennung.

Ralf Hinz: Cultural Studies und Pop. Westdeutscher Verlag 1998. ISBN 3-531-13199-0






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