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Lucia Haselböck: Bach-Textlexikon. Ein Wörterbuch der religiösen Sprachbilder im Vokalwerk von Johann Sebastian Bach
von ta anno 2004

Lucia Haselböck: Bach-Textlexikon. Ein Wörterbuch der religiösen Sprachbilder im Vokalwerk von Johann Sebastian Bach

Im Prinzip verrät der Titel des vorliegenden Buches schon seinen Inhalt in beinahe ausreichender Art und Weise. Ein Lexikon zur Erschließung der Texte von Johann Sebastian Bachs Vokalmusik liegt vor uns. Und funktionieren tut das Ganze auch wie ein Lexikon herkömmlicher Art. Jeder Begriff, der in den Texten zu Bachs Musik a) im Verdacht steht, mehr zu sagen als das, was er vordergründig sagt (z.B. Blödigkeit, gießen, süß), b) im 20. Jh. in christologisch wenig gebildeten Gefilden grundsätzlich Fragezeichen hinterlässt (z.B. Ephraim, Hephata, Tabor), c) selbst in christologisch vorgebildeten Kreisen verlegenes Schweigen hervorrufen könnte (z.B. Demantstein, Liberei) oder d) im Laufe der Zeit (Bachs Texte entstanden bekanntermaßen im Zeitalter des Barock) erhebliche Bedeutungsveränderungen erfahren hat (z.B. Witz), ist hier zu finden, insgesamt mehr als 300 Stück. Die gesammelten Erklärungen sind ergo für jeden brauchbar, der nicht zugleich Bach-Forscher, Barock-Spezialist, Bibelkenner und Hermeneut ist. In diese Richtungen bewegt sich auch Lucia Haselböck in ihrer dem eigentlichen Lexikon vorangestellten Einleitung, wenn sie Bachs Arbeitsweise, barocke Texttypik, theologische Hintergrundmotive und seit dem Mittelalter bewährte (inzwischen aber durchaus angezweifelte) Auslegungsverfahren der Hl. Schrift, primär die Texttypologie, vorstellt, insofern diese als relevant für die Interpretation der hochgeistlichen Texte Bachs (bzw. seiner Co-Writer) gelten können und müssen. Besonders die Linien, welche sich von Bachs Texten zur christlichen Mystik ziehen lassen, werden als bedeutsam benannt, wenngleich nur skizzenhaft angedeutet. Etwas ärgerlich, wenngleich verständlich bleibt so die Kürze dieser Ausführungen (31 Seiten inkl. Anmerkungsapparat) im Gegensatz zum Textlexikon selbst (162 Seiten). Zu eingehenden Darstellungen muss also die einschlägige Fachliteratur befragt werden (ein weiterführendes Literaturverzeichnis ist vorhanden).
Soweit, so gut. Prekärerweise finden sich die wirklich offenkundigen Schwachstellen im propädeutischen, begriffsklärenden Anfangsteil. Schon das eingangs (S. 11) angeführte C.G. Jung-Zitat "Ein Wort oder Bild ist symbolisch, wenn es mehr enthält, als man auf den ersten Blick erkennen kann" (marginal: Warum muss zum Erklären eines rhetorischen Stilmittels eigentlich ein Psychologe und nicht etwa ein Literaturwissenschaftler befragt werden?) ist vage, ungenau und unvollständig und auch hernach wurstelt sich Haselböck - Entschuldigung - mehr schlecht als recht durch den Definitionenstall. Besonders die Bestimmung der Allegorie (S. 13) ist so undifferenziert und grob, dass sie eher noch als eine solche der Metapher (man beachte auch die von der Autorin angeführten Beispiele "Herz" für Liebe und "Blitz" für Zorn) gelten kann und selbst dann äußerst dubios ausfällt. Hier wäre - wissenschaftliche Ansprüche gesetzt - ein wenig mehr Feingefühl für sorgfältige Begriffsabgrenzungen angebracht gewesen.
Das Textlexikon selbst bietet neben den zu großen Teilen die intertextuellen Bezüge Bach - Bibel herausstellenden Erklärungen und den unausweichlich bleibenden Interpretationen von Begriffen und ihnen zugehörenden Sätzen jeweils Verweise auf Stellen in den Bach-Kantaten, -Passionen usf., in welchen eben diese Begriffe und Sätze auftauchen - ein umfassender Service also und für bspw. Kirchenmusiker äußerst praktikabel, ebenso die Kurz-Angebundenheit der Autorin: Länger als zwei Seiten fällt eigentlich keine Erklärung aus, was sicherlich auch anders gegangen wäre.
Als Handbuch bei Lektüre und Interpretation des J. S. Bachschen Textguts (und auch anderer barock-geistlicher Texte) ohne ausführliche musik- oder religionswissenschaftliche Exkurse ist das bei Bärenreiter erschienene "Bach-Textlexikon" eine äußerst sinnvolle Stütze und in seiner Komprimiertheit gerade für den Laien geeignet. Dieser begebe sich mit 19,95 Euronen in der Tasche und der ISBN 3-7618-1679-0 im Gedächtnis zum nächsten Buchhandel, wo 225 übrigens mit hübsch-gruseligen, barocken Kupferstichen auch bildtechnisch gut ausgestattete Leseseiten zweifellos erhältlich sind.






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