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Martin Elste (Hrsg.): Ausgezeichnet!
von gl anno 2004

Martin Elste (Hrsg.): Ausgezeichnet!

Vorliegendes Buch fasst die Preisträger des Preises der deutschen Schallplattenkritik der letzten 40 Jahre aus den verschiedenen Genres zusammen und gleich im Vorwort wird ein interessantes Statement von dem Vorsitzenden des Gremiums getätigt, nämlich "dass jede Audio Compact Disc eine SCHALLPLATTE ist". Hach, ist das schön, wir können den Namen also auch weiterhin benützen. Liest man das Vorwort weiter, fragt man sich, welcher Normal-Sterbliche kann mit einem Wort wie "pejorativ" schon was anfangen? Was soll das Fachgeschwafel, wie auch in den Kritiken zu klassischen Konzerten, bei denen ich bisweilen zugegen bin, da kann man dann auch rätseln, was das Benützen möglichst unbekannter Fremdwörter soll! Also weitergeblättert (auf Seite 13 eine Werbe-Anzeige für Spanischkurse in Berlin!?!?) ... wer hat z.B. dieses Jahr die begehrten Preise gewonnen: Reinhard Mey hat 'ne Ehrenurkunde erhalten, ok; Wayne Shorter für seine letzte Veröffentlichung "Alegria". Dann (ha, jetzt kommt's:) das Klassiklabel, bei dem unser rls arbeitet (deswegen hat er ggf. auch das Buch an mich weitergeleitet), ist auch dabei, sie haben 2003 einen Preis für die 8-CD-Serie "Die Orgeln von Gottfried Silbermann" bekommen. Des weiteren Aimee Mann für "Lost in Space" und dann hätte ich das Buch am liebsten in die Ecke gepfeffert: Der unsägliche Dirk Bach, der ja zur Zeit zur Volksverdummung bei einer Fernsehshow auf unterstem Niveau beiträgt, diesem Typen wird für das Vorlesen von Walter Moers' "Die 13 Leben des Käpt'n Blaubär" eine Laudatio gewidmet! Wieviel Promille hatten die Juroren intus bei der Preisvergabe?!? Doch wir sind erst auf Seite 21 im Buch, weiter geht's mit "Maßgeblich! Die 40 wichtigsten Jahrespreisträger aus 40 Jahren" (vorher auf Seite 33 wieder eine Anzeige, bei der Sony Classical eines ihrer Produkte bewirbt, ist das hier ein Buch oder ein durch Werbung finanziertes Produkt!?).
Später werden dann sämtliche Jahrespreisträger von 1963 bis 2003 aufgezählt und ich immer konsternierter ... besitze ich doch unter ca. 4000 Tonträgern keine einzige (!) gewürdigte Produktion! Hm, sollte ich mir da ernsthaft Gedanken machen und evtl. noch schnell z.B. TINA TURNERs "Private Dancer" (gähn!) oder Langweiler STINGs "The Dream Of The Blue Turtle" (Platten von THE POLICE hingegen erhielten keinen Preis?!?) nachkaufen und schnell in die Sammlung stellen?! Oder die vermeintlich korrekten Betroffenheits-Musiker R.E.M. mit "Up"!? Ha ha, deren Gitarrist erhielt letztes Jahr bei einer Airline lebenslang Flugverbot, weil er derart ausfallend im Flugzeug randalierte und die Stewardess belästigte. Nee, nee, da halte ich es lieber mit Nick Hornby und einer tollen Szene aus dessen Buch/Film "High Fidelity": "Wie kannst Du nur mit einer Frau befreundet sein, die TINA TURNER-Platten besitzt!?" Vielleicht würde mir meine Schwester auch mal rückwirkend BAPs "Von drinne noh drüsse" ausleihen - zum Repräsentieren so nach dem Motto "Guck mal, diese Platte wurde 1982 mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet!" Jetzt mal ernsthaft, ganz wenige der ausgezeichneten Platten (z.B. THE BEATLES - White Album, TRAVIS - The Invisible Band, RY COODER - Buena Vista Social Club) kann man nachvollziehen, bei anderen bleiben Fragezeichen, so wie im Falle THE NOTWIST - Neon Golden, CHRISTINE McVIE - dto (ihre Hauptband FLEETWOOD MAC erhielt kurioserweise für "Rumours" hingegen keinen Preis?!), UDO JÜRGENS - "Ein ehrenwertes Haus" oder auch Singles wie Peter Maffay - "Und es war Sommer" oder SAILOR mit "Girls, Girls, Girls"! (hä?). Härtere Musik scheint sowieso von vorneherein absolut keine Chance zu haben, auch nur nominiert zu werden: Wo bleiben allgemein anerkannte Klassiker wie DEF LEPPARDs "Pyromania" und METALLICAs "Master Of Puppets" - oder aber - noch nachvollziehbarer - irgendwas von RUSH, DREAM THEATER oder LED ZEPPELIN?!? (Es steht doch auch ROCK auf dem Buch, oder?) Fehlanzeige - dafür huldigen manche Juroren lieber ihren Lieblingen: Keith Jarrett beispielsweise wurde gleich 4-mal prämiert.
Bei den zahlreichen Preisträgern der klassischen Musik bin ich nicht bewandert genug, um diese kommentieren zu können.
Moment mal, da war doch was: Wurde nicht LILA DOWNS, die mexikanische (Welt-Musik) Künstlerin für ihr grandioses Album "The Border" ausgezeichnet?! Dort nachgesehen, tatsächlich: sie erhielt 2002 den Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik, ist aber weder hier in diesem Buch aufgeführt, noch erscheint ihr Label Peregrina Music im Index! Inzwischen wurde mir mitgeteilt, dass nur sämtliche Jahrespreisträger, nicht jedoch die Vierteljahrespreisträger aufgelistet wurden, leicht verwirrend das Ganze. (Alles andere hätte aber auch den Rahmen gesprengt. Immerhin gibt es viermal so viele Vierteljahrespreisträger wie Jahrespreisträger. - Anm. rls)
Im Abspann werden die Juroren noch vorgestellt, vor solch geballter Kompetenz kapituliere ich kleiner unbedarfter Musik-Fan natürlich, aber da gibt's ein Deja-Vu: Einer der Herren, kann mich noch gut an den Namen erinnern, hatte damals, Mitte der 80er jeden Sommer auf dem Flohmarkt in meiner Heimatstadt immer seine Promo-LPs verkloppt. Seinerzeit war's mir recht, die Platten waren neu, gut erhalten und billig (3-4 DM), so dass ich immer stapelweise zuschlug. Er durfte dies aber trotzdem nicht, denn da waren oft so kleine Aufkleber drauf: "Promo-copy - Not for sale!"
Unnötiges Buch, das keiner braucht.

Martin Elste (Hrsg.): Ausgezeichnet! Klassik, Jazz, Rock und Pop. Die besten CDs und LPs. 40 Jahre Preis der deutschen Schallplattenkritik. Berlin: Henschel 2003. 176 Seiten. 12,90 Euro. ISBN 3-89487473-2
 



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