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Susanne El-Nawab: Skinheads, Gothics, Rockabillies: Gewalt, Tod & Rock'n'Roll. Eine ethnographische Studie zur Ästhetik von jugendlichen Subkulturen
von san anno 2011

Susanne El-Nawab: Skinheads, Gothics, Rockabillies: Gewalt, Tod & Rock'n'Roll. Eine ethnographische Studie zur Ästhetik von jugendlichen Subkulturen

Der Deutsche Duden definiert die Subkultur als eine "besondere Kulturgruppierung innerhalb eines übergeordneten Kulturbereiches". Dabei findet dieser Terminus seit den 1940ern Verwendung in der Soziologie, einer Wissenschaft, die sich stark vereinfacht ausgedrückt mit der menschlichen Gesellschaft beschäftigt. Häufig haftet dem Begriff Subkultur u.a. auch medial bedingt ein negativer Beigeschmack an, dem wiederum eine Faszination aus dem Erscheinungsbild heraus entgegensteht. Was macht Subkulturen also so interessant und gleichzeitig so umstritten? Mit dieser Frage setzte sich die 1973 geborene Autorin Susanne El-Nawab im Rahmen ihrer Dissertation als Stipendiatin der Universität Hannover unter Betreuung der Doktormutter Prof. Dr. Barbara Duden auseinander und untersuchte dabei im Speziellen die bislang weniger erforschte Subkultur der Skinheads, Gothics und Rockabillies und ihre Anziehungskraft für Jugendliche. El-Nawab, Dr. phil., Sozialpsychologin M.A., ist freie Autorin, Fotografin und Künstlerin. Ihre Dissertation wurde 2007 vom Archiv der Jugendkulturen e.V., einem 1998 gegründeten und sich mit Jugendkultur und -forschung befassenden Berliner Verein, als 375 Seiten und 98 Abbildungen umfassendes Buch herausgegeben.
Anders als einige ihrer wissenschaftlichen Kollegen wollte El-Nawab ein objektives Bild aus den benannten Subkulturen heraus vermitteln - ohne dabei an wissenschaftlichem Anspruch zu verlieren -, indem sie ihre Recherchen in den Szenen, u.a. auf Veranstaltungen, Konzerten etc., vollzog und diese mit Interviews von Szeneangehörigen und umfangreichem Bildmaterial untermauert. Schließlich sollte das Arbeitsergebnis, wie sie betont, keine "distanzierte Verschriftung von Wissenschaftlern für Wissenschaftler" darstellen und falsche Typologisierungen der Subkulturen durch genaues Hinschauen und das Einbringen ihrer gesammelten Erfahrungen, Emotionen und auch Zweifel vermeiden. Aus diesem Anspruch heraus erscheint die Arbeit durchaus gelungen. Der Leser erfährt Wissenswertes über Entstehungsgeschichte, Stil und Ästhetik, Selbstinszenierung, gesellschaftliche Rebellion, Leidenschaft und Geschlechterrollen adoleszenter Skinheads, Gothics und Rockabillies. Dabei werden auch die umstrittenen und klischeebehafteten Themen Gewalt und Tod nicht außen vor gelassen. Vielmehr werden gerade jene in den Interviews aufgegriffen, um hier eine objektive Abkehr vom medial inszenierten Klischeedenken herbeizuführen, ohne dabei jedoch zu verharmlosen. Interessant ist, dass einige InterviewpartnerInnen die Phase der Adoleszenz dabei schon überschritten haben und auch ihren Wandel innerhalb der Subkultur während des Erwachsenwerdens und damit das Festigen eines persönlichen Wertgefüges bei anhaltender Leidenschaft für ihre Subkultur portraitieren. Die umgangssprachliche Dokumentation der Aussagen der InterviewpartnerInnen lockert dabei den soziologisch-wissenschaftlichen Sprachtenor auf. Nachteilig für den Lesefluss ist jedoch die optische Anordnung der für wissenschaftliche Arbeiten üblichen Fußnoten. Leider wird während der Arbeit der Eingangssatz der Doktormutter, dass es sich bei den (jugendlichen) Subkulturellen um Menschen handelt, "die mit einer Akademikerin gewöhnlich nichts zu tun haben", nicht nachhaltig widerlegt. Aus persönlichen subkulturellen Erfahrungen heraus kann dem durchaus widersprochen werden. Wünschenswert wäre weiterhin gewesen, dass das Bildmaterial zur Veranschaulichung mehr Bezug zu den textlichen Erläuterungen hätte erhalten können, insbesondere bei Fachbegriffen dargestellter Sub-Szenen innerhalb der Subkulturen. Dies ist insbesondere bei den Fotoarbeiten zu den Gothics der Fall: Schade ist nämlich, dass sich das Bildmaterial hier nur im Wesentlichen auf zwei bestimmte Festivals beschränkt und das Szene-Mekka, das alljährlich zu Pfingsten in Leipzig stattfindende Wave-Gotik-Treffen, vernachlässigt, womit gerade der vorgenannte Mangel der Darstellung von Sub-Szenen hätte dokumentiert werden können.
Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Buch für neugierige und offene Leser genauso wie für jene, die sich über bekennendes Klischeedenken und den sogenannten Tellerrand hinaus weiterentwickeln wollen, lesenswert ist. Die Autorin selbst bringt dies mit ihrer Schlussbemerkung sehr schön auf den Punkt: "Die Uneindeutigkeiten von jugendsubkulturellen Lebenswelten auszuhalten, ist aus wissenschaftlicher Perspektive sicherlich nicht leicht. Es mag trösten, dass sich damit aber Erkenntniswege öffnen, die sich lohnen."

Susanne El-Nawab: Skinheads, Gothics, Rockabillies: Gewalt, Tod & Rock'n'Roll. Eine ethnographische Studie zur Ästhetik von jugendlichen Subkulturen. Berlin: Archiv der Jugendkulturen Verlag KG 2007. ISBN 978-3-940213-39-6. 375 Seiten. 28,00 Euro. http://www.jugendkulturen.de
 






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