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Michael Bosch, Klaus Döhring, Wolf Kalipp: Lexikon Orgelbau
von M. S. Näther anno 2007

Michael Bosch, Klaus Döhring, Wolf Kalipp: Lexikon Orgelbau

Seit Dom Bedos Werk "L'Art du facteur d'orgues" 1766 erschien, ist der Kreis der Orgelbauer, Organisten und Orgelinteressierten in Bezug auf Fachliteratur zugegebenermaßen qualitativ verwöhnt. Bis heute hat sich im Bereich der Spezialliteratur zu bestimmten Orgelbauern, Orgeln, Stimmungen und des Gleichen mehr an diesem Anspruch nicht viel geändert. Jedoch lässt eine gute, aktuelle Schrift, welche das Fachgebiet grundsätzlich und übersichtlich darstellt, seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, auf sich warten, denn Adelungs "Einführung in den Orgelbau" ist zwar 1991 erneut überarbeitet worden, stammt aber in der Ursprungssubstanz aus dem Jahre 1955.
Mit dem Erscheinen des "Lexikon Orgelbau" im namhaften Bärenreiter-Verlag schien das Warten ein Ende zu haben. Für einen Teil der im Vorwort genannten Adressaten ist der Wunsch mit Sicherheit erfüllt, denn Orgelliebhabern, die sich nicht berufsmäßig mit der Materie beschäftigen, ist das Lexikon eine gute und hinreichende Fundgrube. Es vermittelt dem Laien genau den signifikanten Teil des Wissens über Orgelbau, mit dem sich nach einer Orgelweihe, einem Konzert oder einer Liebhaberexkursion trefflich fachsimpeln lässt. Man wird die Begriffe nachschlagen, die im Vortrag oder im Gespräch mit Fachleuten unklar geblieben sind, sich mit Hörbeispielen in die Klangwelt der Register einhören und gewiss weiterstöbern.
Die im Vorwort genannten "professionell mit der Orgel Beschäftigten", insbesondere Sachverständige, Orgelbauer und Musiker, werden sich jedoch verstärkt nach Zweck und Anliegen des Buches fragen, denn Antworten auf tiefgründige und detailreiche Fragen bleiben aus.
Ungeachtet einiger redaktioneller Fehler, wie z.B., dass Zwillingsladen erst gegen Ende des 18. Jh. entstanden seien (Schnitger, Donat und Hildebrandt bauten sie bereits), und dass das doppelt konkave Pedal in Abb. 78 eigentlich ein dreifach konkaves ist, fehlen jedoch einige für den Orgelbau immanent wichtige Begriffe. So wird man vergeblich nach einer Aufstellung der Intervallverhältnisse, der natürlichen Obertonreihe, des pythagoreischen und syntonischen Kommas, überhaupt der ganzen Intervalllehre suchen. Ein Diagramm der Zinn-Blei-Legierung findet sich nicht, ebenso wie eine Übersicht über die theoretische und praktische Pfeifenlänge fehlt, von Angaben zur klanglichen Auswirkung der einzelnen Mensuren ganz zu schweigen. Auf der anderen Seite wurden nebensächliche Begriffe, wie Einweihung und Kuckucksuhr in die Erklärungen aufgenommen, angesichts derer der Leser an der thematischen Eingrenzung des Lexikons stark zu zweifeln beginnt.
Besonders bedauerlich ist die wiederum stiefmütterliche Behandlung der kompletten technischen und konstruktiven Seite des Orgelbaus. Gewiss wird man heute nicht die wunderschönen Stiche im Stile Dom Bedos antreffen, aber einen Schnitt durch einen mechanischen und einen pneumatischen Spieltisch, Prinzipskizzen der pneumatischen Systeme oder die Darstellung eines Barkerhebels sollte man erwarten können. Vor allem in den Querschnitten der Laden ist die Anleihe bei Adelung sofort zu bemerken. Diese Darstellungen sind weder normgerechte Zeichnung noch übersichtliche Skizze, sondern das unselige unprofessionelle Mittelding, welches im Zeitalter von Computer und CAD in Literatur mit fachlichem Anspruch nicht mehr vorkommen sollte. Beispielhaft ist hier Abb. 55, in der das Kegelventil schlichtweg falsch und unvollständig dargestellt ist. Ebenso verhält es sich mit der zuweilen sehr dürftigen Qualität einiger Photos (z.B. Ladegast-Orgel Schweriner Dom, Abb. 64) und der teilweise unsicheren Quellenlage.
Resümierend ist hier eine für Laien hinreichende und praktikable Informationsquelle zusammengestellt worden. Für den professionellen Gebrauch ist sie weder ein Fortschritt zur bisher existierenden Fachliteratur, noch empfehlenswert, da es an inhaltlicher Vollständigkeit, Genauigkeit und Detailliertheit erheblich mangelt. Vor diesem Hintergrund hätte man von vornherein auf den professionellen Adressatenkreis verzichten und den Preis etwas günstiger gestalten sollen. In der vorliegenden Fassung ist das Lexikon für den Laien zu teuer und für den Profi hält es nicht, was es verspricht.

Michael Bosch/Klaus Döhring/Wolf Kalipp: Lexikon Orgelbau. Mit Audio-CD. Kassel et al: Bärenreiter 2007. 194 Seiten. 34,95 Euro. ISBN: 3-7618-1391-0
 






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