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Wolfgang Beyer/Monica Ladurner: Im Swing gegen den Gleichschritt. Die Jugend, der Jazz und die Nazis
von *tf anno 2011

Wolfgang Beyer/Monica Ladurner: Im Swing gegen den Gleichschritt. Die Jugend, der Jazz und die Nazis

In den Geschichten der Widerständigkeit werden nun auch diejenigen Kapitel erzählt, die im weitesten Sinne mit Jugendkulturen bzw. deren Vorläufern verbunden sind. So auch das vorliegende Buch, das von den "Schlurfs" und "Swingheinis" in Deutschland und Österreich erzählt, aber auch die "Potapkis" aus der Tschechoslowakei und die "Zazous" aus Frankreich nicht vergisst.
Die Szenerie spielt in den genannten Ländern während der 1930er und 1940er Jahre, blendet jedoch des besseren Verständnisses wegen auch die "Goldenen Zwanziger" nicht aus. Die dem Buch vorangestellten Zitate von Albert Einstein ("Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann ... hat er sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen") und der Swing-Legende Coco Schumann ("Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren") markieren die Leitlinie, an der entlang die Geschichte der widerspenstigen Jugend dieser Zeit erzählt wird. Auch wenn nur einige Protagonisten von damals selbst zu Wort kommen, orientiert sich der Erzählstoff an biographischen Momenten, beschreibt das Exemplarische als Teil einer noch größeren Subkultur. Und diese war damals noch gefährlich - in zweierlei Hinsicht. Zum einen für die Schlurfs selbst, die neben Attacken auf ihr längeres Haupthaar auch Arbeitsdienst, gar Gefängnis oder Konzentrationslager riskierten. Zum anderen aber auch für die Gesellschaft, der die kriegsmüden Jugendlichen den Zerrspiegel von Doppelmoral und verlogener Ideologie vorhielten. Was sich Jahrzehnte später mit der Beat-Bewegung gesellschaftlich Bahn brach, wird hier vorgelebt: Nicht-Anpassung, Nicht-Mitmachen, individuelles Freisein, bewusster Norm- und Regelbruch. Dieser Aspekt der Geschichte steht im Mittelpunkt des Buches, wobei die Musik gelegentlich zum Ornament wird. Aber das ist nur konsequent, denn es ging den Aufmüpfigen genau um dies - musikalisch arrangiert und eingefasst. Und so verwundert es auch nicht, dass Swing und Jazz in erster Linie nicht als musikalische, sondern als kulturelle Phänomene den Takt des Erzählten vorgeben. Eine ebenso lehrreiche wie aufklärerische Lektüre, in der nur manchmal die Frage, ob diese jugendkulturell eingefasste Widerständigkeit nun auch "echter" Widerstand gegen Röhm, Hitler, Himmler & Co. gewesen sei, zu penetrant durchscheint. Am Ende des Buches sorgen aufgezeigte Verbindungen des Damals zum Gestern und Heute für die historisch-verbindende Komponente in die Gegenwart hinein, ein Namensregister erleichtert das spätere Nachschlagen. Fazit: ein so lesens- wie empfehlenswertes Buch, das Lesevergnügen mit Erkenntnisgewinn verbindet.

Wolfgang Beyer/Monica Ladurner: Im Swing gegen den Gleichschritt. Die Jugend, der Jazz und die Nazis. St. Pölten: Residenz Verlag 2011. 244 Seiten, 21,90 Euro. www.residenzverlag.at






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