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Günther G. Bauer: Was Sie schon immer über Mozart wissen wollten
von rls anno 2011

Günther G. Bauer: Was Sie schon immer über Mozart wissen wollten

Publikationen der Marke "Lexikon des unnützen Wissens" erfreuen sich seit längerer Zeit großer Beliebtheit auf dem Buchmarkt, und das zumindest partiell nicht ohne Grund, findet man darin doch oft amüsant aufbereitete Anekdoten, die sich zwar nicht zur Bildung oder Festigung eines Weltbildes eignen, aber durchaus auch mehr sein können als nur simples Amüsement, indem sie manch Wissensgebiet noch mit bisher ungekannten Aspekten abrunden. Natürlich ist auch gegen simples Amüsement nichts einzuwenden, und man kann sich mit geschickt eingestreuten "wissenden" Bemerkungen auf Partys oder anderen gesellschaftlichen Ereignissen durchaus auch als interessante Person zu inszenieren versuchen. Das vorliegende Buch allerdings gehört zur anderen Kategorie, indem es "Wissen aus der zweiten Reihe" über Wolfgang Amadeus Mozart zusammenträgt und damit über den simplen Amüsementfaktor hinaus auch noch das Mozartbild im Hirn des Lesers und vor allem das der Zeitumstände, in denen der große Komponist lebte, abzurunden in der Lage ist. Musikalisches Fachwissen braucht man für die Lektüre dabei eigentlich nicht, statt dessen sollte man sich aber in der Grundstruktur der Biographie des Komponisten einigermaßen auskennen, denn das setzt Günther G. Bauer, jahrzehntelang Professor und Rektor des Mozarteums Salzburg, beim Leser voraus. Seine einzelnen Schilderungen, alle etwa eine halbe Seite lang, hat er dabei in neun Großkapiteln zusammengefaßt: "Vom Schreibtisch im Kabinett", "Mozarts Papiersachen", "Mozarts Zettel", "Mozarts Galaröcke", "Mozarts Möbel", "Mozarts Hausrat", "Mozarts Spiele", "Mozarts Tiere" und schließlich "Mozarts Reisesachen". Innerhalb dieser Großkapitel handelt er dann allerlei einzelne Dinge ab, von denen entweder bekannt ist, daß Mozart sie besessen hat, oder von denen anzunehmen ist, daß er sie besaß, weil ein Haushalt zu seiner Zeit sie üblicherweise besessen hat. Die letzteren sind dabei in der Mehrzahl, und ein Standardsatz in den Abhandlungen lautet daher "Mozarts ... hat sich nicht erhalten." Reale Mozart-Gegenstände sind überhaupt nur sehr wenige überliefert, vom Vorhandensein vieler anderer Dinge weiß man aber aus dem Nachlaßverzeichnis oder aus Mozarts Briefwechsel; ergänzend zieht Bauer auch das Nachlaßverzeichnis von Vater Leopold heran. Angesichts vieler auch wertvoller Dinge, die Wolfgang in den letzten Lebensjahren besessen haben muß oder nachweislich auch besessen hat, die aber in seinem Nachlaßverzeichnis nicht auftauchen, stellt der Autor häufig die Frage, wie es Witwe Constanze in den vier Tagen zwischen dem Ableben und dem Aufstellen des Verzeichnisses geschafft hat, so mancherlei "beiseitezuschaffen" - auch damals waren die Leute eben schon einfallsreich. Ansonsten erfährt der Leser hier viel über Mozarts realen oder planmäßigen Besitz vom Klavierhocker bis zur Mausefalle, vom Stiefelknecht bis zum Reitpferd, oft auch mit Wertangaben, für deren Einordnung im Anhang eine Umrechnungstabelle eingefügt wurde. Nachteil des Ganzen: Irgendwann scheint das Lektorat ermüdet zu sein (oder diese Position war von vornherein unbesetzt), denn mit zunehmendem Voranschreiten beginnen sich die Doppelungen zu häufen, sowohl zwischen dem Schreibtischkapitel und diversen hinteren Kapiteln als auch innerhalb der Kapitel selbst; wenn der Autor nicht davon ausgegangen sein sollte, daß der Leser nur als Betthupferl jeden Tag eine der halbseitigen Minischilderungen (zumeist aus etwa fünf Sätzen bestehend) liest, beginnen diese Doppelungen, zumal wenn sie in unmittelbar aufeinanderfolgenden Abschnitten auftreten, irgendwann lästig zu werden, und ärgerlich sind sie dann, wenn sie inhaltliche Widersprüche enthalten. So kostet ein Hund auf S. 180 oben je nach Rasse noch 30 Kreuzer bis 5 Gulden (laut Umrechnungstabelle 15 bis 150 Euro), auf S. 181 in der Mitte (dort ein "guter Hund", aber den schließt S. 180 ja keineswegs aus) jedoch 10 bis 15 Dukaten, also 1350 bis 2025 Euro. Ein gewissenhaftes Lektorat (oder überhaupt eins) hätte solche Problemfälle, die zugleich ein negatives Licht auf die Verläßlichkeit all der anderen Angaben, die man ohne intensives Literaturstudium nicht nachprüfen kann, werfen, eliminieren müssen. Sieht man von diesem Grundproblem ab, bietet dieses Buch aber vergnügliche Lektüre.

Günther G. Bauer: Was Sie schon immer über Mozart wissen wollten. St. Pölten: Residenz Verlag 2011. 224 Seiten, Festeinband, ISBN 978-3-7017-3226-5. 19,90 Euro
 






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