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Markus Aretz/Karsten Kellermann/Michael Lessenich: Borussias Legenden - 11 Torhüter
von rls anno 2017

Markus Aretz/Karsten Kellermann/Michael Lessenich: Borussias Legenden - 11 Torhüter

Da sich Kollege Georg seit geraumer Zeit eher politisch betätigt, als sich mit seinen alten Lieben zu beschäftigen, obliegt es dem hier tippenden Rezensenten, passende Worte zum vorliegenden Buch zu finden. Sein Bezug zu Borussia Mönchengladbach ist natürlich ein völlig anderer und entspricht vom Ursprung her dem Zugang, den viele andere DDR-Fußballanhänger zu den Westvereinen hatten: Man hielt natürlich weiter auf seinen jeweiligen Heimatverein und verfolgte dessen Werdegang in der Oberliga oder Liga aufmerksam - aber man saß, sofern man nicht in einem diesbezüglich unterprivilegierten Areal der DDR wohnte, samstags auch regelmäßig vor dem Fernseher und verfolgte das Treiben in der Bundesliga, über das die ARD-Sportschau mit Heribert "Ein Auftakt nach Maß" Faßbender und "Das aktuelle Sport-Studio" im ZDF informierten. Im Haushalt vieler DDR-Fußballanhänger standen auch die Bücher aus der "Europameisterschaft/Europacup"-Serie, und da hatte Borussia Mönchengladbach in der ersten Runde des UEFA-Cups 1981/82 gegen den 1. FC Magdeburg anzutreten, zuerst in der Elbestadt, wo sie dem Gastgeber mit 1:3 unterlagen. Im zugehörigen Band genannter Buchserie gibt es dazu nicht nur einen verbalen Bericht, sondern auf S. 194 auch ein Bild mit folgender Unterschrift: "Hoffmann bejubelt das 3:1 des 1. FCM, Mönchengladbachs Schlußmann Kleff ist geschlagen". Als der heutige Rezensent dann ein Alter erreicht hatte, in dem er sich selber aktiver für die Bundesliga interessierte, da stand Uwe Kamps zwischen den Pfosten und verband sich mit dem Namen Borussia Mönchengladbach ebenso wie diejenigen von Christian Hochstätter oder Kalle Pflipsen.
Kleff und Kamps sind logischerweise zwei der elf Torhüter, deren Schaffen das Autorentrio Aretz/Kellermann/Lessenich (erst- und letztgenannter in der Öffentlichkeitsarbeit Borussias tätig, zweiterer Sportredakteur bei der Rheinischen Post und standardmäßiger Spielberichterstatter der Borussia-Partien) im vorliegenden Buch beleuchtet. Die Reihe beginnt mit Reinhold Grunert, der in den 1950er Jahren am Bökelberg zwischen den Pfosten stand, und endet mit Marc-André ter Stegen, dem bis heute einzigen aus der eigenen Jugend erwachsenen Profitorhüter, der im Borussia-Kasten arbeitete und im Sommer 2014 dort seine Zelte abbrach, um zum FC Barcelona zu wechseln. Dazwischen finden sich Kapitel über noch neun weitere Schlußleute, von denen die über Wolfgang Kleff und Uwe Kamps naturgemäß die ausführlichsten sind, hatten diese beiden doch die längste Verweildauer auf diesem Posten und zugleich mit die größten Erfolge der Vereinsgeschichte errungen. Jeder der Torhüter bekommt ein komplettes Porträt, das also nicht nur seine Zeit in Mönchengladbach, sondern, soweit bekannt, auch sein "Vorleben" beleuchtet und einen Ausblick gibt, was nach seinem Abschied aus dem Bökelberg-Kasten aus ihm geworden ist. Dazu kommt am Ende jedes Kapitels ein Statistikkasten mit einem Überblick über diverse Aspekte der Karriere, die Einsatzzahlen, das erste und letzte Spiel in Mönchengladbacher Diensten und weiteres Wissenswertes. Die Kapitel sind zumeist chronologisch aufgebaut, bisweilen aber auch mit einer Art Rahmenhandlung versehen (z.B. das von Uwe Kamps, das mit seinem letzten Bundesligaeinsatz beginnt). Eine reiche Bebilderung erhöht den Anschauungswert und hat nur den Nachteil, daß die Bildunterschriften bisweilen eher aussagelos sind oder bei ganzseitigen Bildern auch ganz fehlen - gerade bei den historischen Aufnahmen würde man aber doch gerne wissen wollen, wie sie einzuordnen sind, nicht zuletzt eben aufgrund ihres Raritätenwertes: Feldspieler wurden früher normalerweise eher in positivem Zusammenhang fotografiert, und wenn sie ein Tor schossen, dann ist der Torwart allenfalls negativer Beteiligter, während Glanzparaden des Torwarts viel seltener als Bildsujet dienten. Jedes Kapitel wird mit zwei, drei Sätzen zur grundsätzlichen Einordnung des jeweiligen Schlußmannes auf einer sonst bildbestandenen Doppelseite eingeleitet - in den Kellermann-Kapiteln tritt der unglückliche Umstand auf, daß genau diese Sätze gegen Anfang des Haupttextes noch einmal vorkommen, was man sicher hätte anders strukturieren können. Daß sich bestimmte Aspekte in den Kapiteln überschneiden, ist normal und ermöglicht, da es kein Gemeinschaftswerk ist, sondern jeder der drei Autoren für eine bestimmte Anzahl Kapitel alleinverantwortlich zeichnet, bisweilen interessante Blickwinkelunterschiede auf die Phasen der Torhüterwechsel, die aufgrund ihrer relativen Seltenheit ja immer einen speziellen Status haben. Die Autoren kennen sich im Thema bestens aus, verschweigen auch die eine oder andere dunklere Stunde nicht, zitieren zudem ausführlich aus der jeweils aktuellen Tagespresse und bisweilen auch aus Interviews mit Menschen aus dem Umfeld der jeweiligen Torhüter, schreiben gut lesbar, informativ und unterhaltsam (die schreiende Marketingschreibweise BORUSSIA-PARK für das neue Stadion hätte trotzdem nicht sein müssen) und schaffen es zudem, eine (soweit es dem Rezensenten zu erkennen möglich ist) erfreulich geringe Fehlerdichte hinzubekommen. Nur hätten sie sich noch einig werden sollen, ob der Konditionstrainer der Borussia Drygalski oder doch Drygalsky heißt, und Klaus Augenthaler wird auch nicht ganz froh sein, daß er auf ein und derselben Seite einmal so und einmal Augentaler heißt ...
Der Schlußteil des Buches gehört einem Überblick über all die anderen Menschen, die außer den elf der Einzelkapitel noch das Borussia-Tor gehütet haben, einer Kurzvorstellung von Yann Sommer, der Marc-André ter Stegen seit Saisonbeginn 2014/15 als neuer Stammkeeper beerbt hat, sowie Gesamtstatistiken teilweise seit 1949, teilweise auch seit dem erstmaligen Bundesliga-Aufstieg 1965. Das große Format eröffnete die Möglichkeit, auch Vielpersonenbilder in einer Größe einzufügen, daß man die Personen darauf noch erkennt, während einige historische Bilder dadurch an ihre reproduktionstechnischen Grenzen stoßen, was freilich den Aussagewert kaum beeinträchtigt. Ein interessantes Buch primär natürlich für Anhänger des Vereins, aber auch für andere Fußballfreunde, die aus irgendwelchen Gründen in näheren Kontakt mit diesem gekommen sind oder sich einfach für das Auf und Ab von Torhütergeschichten im Kasten eines Vereins während der letzten 70 Jahre interessieren - und auf dem Cover ist als Hauptmotiv natürlich Uwe Kamps zu sehen, mit 390 Einsätzen Rekordtorhüter von Borussia Mönchengladbach. Ach so, und wie ging das 1981er Duell mit dem 1. FC Magdeburg aus? Nun, Wolfgang Kleff blieb im Rückspiel unbezwungen, und da nach Kurt Pinkalls 1:0-Führungstreffer Lothar Matthäus fünf Minuten vor Abpfiff einen Freistoß im Magdeburger Gehäuse unterbringen konnte, gewann der Gastgeber mit 2:0, kam aufgrund der Auswärtstorregel weiter und in der nächsten Runde bei Dundee United nach einem abermaligen 2:0-Heimsieg mit 0:5 unter die Räder, wobei Kleff laut der Rheinischen Post mit seinen Paraden eine noch höhere Niederlage verhindert habe.

Markus Aretz/Karsten Kellermann/Michael Lessenich: Borussias Legenden - 11 Torhüter. Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2014. Festeinband, 156 Seiten, ISBN 978-3-89533-899-1. 19,90 Euro. www.werkstatt-verlag.de
 






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