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Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Der Amoklauf von Erfurt
von Janet anno 2003

Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Der Amoklauf von Erfurt

Fünf Autoren haben sich hier den verstörenden Ereignissen im Erfurter Gutenberg-Gymnasium vom 26. April 2002 gewidmet und versuchen, Licht in das Dunkel zu bringen, Antworten auf Fragen zu finden, die direkt nach der Tat (jetzt leider nicht mehr so) überall auf der Tagesordnung gestanden haben. Vorher kommen Michael Siegel, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen, dessen Sohn aufs Gutenberg-Gymnasium ging und am betreffenden Tag nur knapp einem schlimmeren Schicksal entkam, sowie die Schulleiterin, die Schulsprecherin und ein Lehrer und Psychotherapeut zu Wort. Ihren erinnernden Worten an den Mord Robert Steinhäusers an 12 Lehrern, 2 Schülern und schließlich sich selbst ist die Ratlosigkeit nachzufühlen, die die ganze Gesellschaft damals für Augenblicke gelähmt hatte.
Reinhard Kahl stellt anschließend "Fragen an das System Schule". Er vergleicht über weite Strecken das Schulsystem in Deutschland mit dem in Finnland, einem der PISA-"Sieger"länder. Seine erstaunlichen Beobachtungen regen enorm zum Nachdenken an, nicht nur im Bereich Schule, sondern auch über Menschlichkeit, Wertschätzung und Vertrauen. Kahl läßt wenig gute Haare an der deutschen Bildungsmentalität; zu Recht, wie man gern glauben mag.
"Amok in der Mediengesellschaft" betitelt Lothar Mikos seinen Beitrag. Er schreibt über das Aufwachsen in der Mediengesellschaft, über Gewalt in den Medien. Er legt eine kluge Abhandlung über den Zusammenhang zwischen der Gewalt in den Medien (Filme, Musik, PC-Spiele) und dem Amoklauf von Erfurt vor, die herausstellt, dass diese Medien nicht Auslöser für solche Taten sein können. Dieser Beitrag ist sehr wichtig für das Verständnis der Multikausalität der Tat; er sollte all jenen den Wind aus den Segeln nehmen, die Gründe für das Massaker allzu schnell parat hatten.
Auch Susanne Eichner schlägt in diese Kerbe, wenn sie im Anschluss die Computerspiellandschaft genauer durchleuchtet, die Gruppen von Spielen voneinander abgrenzt und die Psychologie, die hinter jedem Spielen steckt, umreißt.
Leider werden die in den vorhergegangenen Beiträgen gefundenen Erkenntnisse im letzten Kapitel zum Teil wieder zunichte gemacht. Max Hermanutz und Joachim Kersten unternehmen mit "Amoktaten aus kriminalpsychologischer Sicht" den Versuch, sogenannte Amoktaten zu definieren und zu erklären. Unglücklicherweise bleiben sie dabei mitunter in der grauen Theorie stecken, formulieren wichtige Tatsachen für den Leser nicht ganz eindeutig und kratzen oft genug auch bloß an der Oberfläche der zugegebenermaßen komplexen Materie.
Erhältlich ist das insgesamt äußerst informative Büchlein, das nicht (nur) anklagt, sondern auch ganz konkrete Ansatzpunkte für Lösungen liefert, unter www.jugendkulturen.de und im Buchhandel.

Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Der Amoklauf von Erfurt. ISBN 3-936068-64-X. Berlin: Archiv der Jugendkulturen / Bad Tölz: Verlag Thomas Tilsner 2003. 108 Seiten, 15 Euro
 



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