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Philip Akoto: Menschenverachtende Untergrundmusik
von *tf anno 2006

Philip Akoto: Menschenverachtende Untergrundmusik

Die der Veröffentlichung zu Grunde liegende an der Universität Münster im Fachbereich Soziologie eingereichte Magisterarbeit trägt den programmatischen Untertitel "Todesfaszination zwischen Entertainment und Rebellion am Beispiel von Gothic-, Metal- und Industrialmusik". Auf knapp einhundert Seiten gibt der Autor nicht nur Einblicke in die Beweggründe von Protagonisten der genannten Genres, sondern zeichnet zudem auch die Historie der medialen Inszenierung des Todes sowie wissenschaftliche Diskussionsverläufe zum Begriff der Subkultur nach. Dass innerhalb dieses breit gefassten Themenspektrums nicht alles in gleicher Tiefe behandelt werden kann, versteht sich von selbst. Es gelingt Akoto jedoch, die wesentlichen Linien der einzelnen Handlungsstränge aufzuzeigen und miteinander zu verbinden. Den Opener des Büchleins bildet neben einer allgemein gefassten Einleitung auch das Aufzeigen des Forschungsansatzes des Autors. Ist der Beweggrund des Schreibens vor allem durch eine Verteidigung der Zulässigkeit extremer Genres mit dem Hinweis auf ein ästhetisches Primat und implizite Gesellschaftskritik charakterisiert, ist das methodische Interesse durch die interdisziplinäre Zusammenschau konkurrierender sozialwissenschaftlicher Theorieansätze gekennzeichnet. Bemerkenswert ist, dass Akoto dieser Spagat gelingt, wenn auch zu Lasten einer genaueren Analyse. Einer Magisterarbeit ist dieses Verfahren durchaus als angemessen anzuerkennen, gibt doch der Autor zudem eine Fülle weiterführender Hinweise. Das folgende Kapitel befasst sich mit der medialen Darstellung des Todes ausgehend vom Mittelalter bis zur Jetztzeit. Auch hier könnte sich der Leser eine intensivere Darstellung wünschen, was allerdings mit Sicherheit eine Reduktion des guten Leseflusses zur Folge hätte. Der dritte Anschnitt der Lektüre ist dem Einblick in Subkulturtheoriediskussionen soziologischer Prägung vorbehalten. Mit dem Begriff der Kulturwelten ist dem Autor mit Sicherheit ein guter Griff gelungen, der sich vor allem für strukturelle Erklärungen anbietet. Dem zur Seite stellt Akoto im nächsten Abschnitt den Einblick in die ästhetische Praxis "randständiger Musikkulturen". Es wird schon beim Lesen der Überschrift klar, dass die Frage nach der wissenschaftlichen Gültigkeit des Subkulturbegriffs vom Autor klar mit "ja" beantwortet wird. Diese Festlegung versucht er im Folgenden mit empirischen Fakten über Protagonisten dieser Musikkulturen zu legitimieren. Neben Benjamin Richter von der Berliner Gothicband Thanateros kommen die britische Industrialcombo The Grey Wolves, die amerikanische Thrashkapelle Sacred Reich, die Death-Metaller Misery Index und Cattle Decapitation und die Black-Metal-Mannen von Dissection zu wissenschaftlicher Ehrung. Es fällt auf, dass Akoto in diesem Abschnitt zunehmend auch eine teilnehmende, wertende Rolle einnimmt. Das geht teilweise zu Lasten wissenschaftlicher Distanz und verleiht der Argumentation eher journalistischen Charakter. Auch hier aber ein Vorteil im Nachteil: der Leser wird emotional mit hineingenommen in die Auseinandersetzung um Ästhetik und Ideologie und wird zum Diskussionsbeteiligten. Das als Anhang beigefügte MLO-Infosheet scheint ebenso wie der MLO Satanic Aphorismus und das Cultural Terrorist Manifesto entbehrlich, die aufgeführten Links neben dem Literaturverzeichnis dagegen wohlgeraten. Das am Buchanfang platzierte Abkürzungsverzeichnis hätte aus meiner Sicht ebenfalls weggelassen werden können. Als Zugabe gibt's dafür die Seiten 79 und 80 gleich doppelt, wobei das auf Seite 79 abgebildete Bandfoto von Sacred Reich einmal in der Color- und einmal in der Schwarz-Weiß-Version zu finden ist. Mein Fazit: Ein lesenswertes Büchlein zu erschwinglichem Preis, das angesichts der Medienrelevanz des Themas sicher seine Leser finden wird.

Philip Akoto: Menschenverachtende Untergrundmusik, Telos Verlag, Münster 2006, ISBN 3-933060-21-4, 13,80 Euro
 






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