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„Wie ein Stümper stimmen
lernte und in Stimmung kam“
Bericht vom Gitarrenseminar
für hauptamtliche Mitarbeiter der Ev.-Luth. Landeskirche vom 1. bis
3. April 1998 in Dresden mit Wolfgang Tost
von
Uwe Haubold
Mit einigem Bammel, gutem Willen
und meiner Klampfe, die bald Silberhochzeit - und doch noch keine Falten
- hat, machte ich mich auf nach Dresden zu obigen Seminar.
Die Familie unkte beim Abschied:
„Na dann, bis heute abend! Wenn sie dich wieder nach Hause schicken, weil
du keine Noten kennst und mit Rhythmen auf Kriegsfuß stehst.“ Trotzdem
fuhr ich los, hatte ich doch den Konfirmanden versprochen: „Ich mach’ eine
Weiterbildung. Dann klingt’s vielleicht nicht mehr so eintönig und
schief.“ Nun schon drei Jahre hatten sie ob dieses Versprechens treu mitgesungen
und nur gelegentlich moniert: „Herr Haubold, in Musik, in Religion haben
wir das Lied anders gesungen. Aber wenn Sie’s so singen wollen, singen
wir es eben so mit.“
In Dresden angekommen, ging
es Schlag auf Schlag: Handschlag von Wolfgang Tost und Michael Pietras
samt herzlicher Begrüßung. Dann der erste Tiefschlag für
manchen Teilnehmer: Der Gitarren-TÜV bei Wolfgang. Seinem kritischen
Auge entging kein verzogener Hals, kein flattriger Unterboden; seinem Ohr
keine Mißstimmung und Bundunreinheit. Nur beim Alter der Saiten verschätzte
er sich schon mal. Ich hatte noch die von vor 20 Jahren drauf. (Fast 17
Jahre hatte ich sie ja in Ruhe gelassen.) Mancher konnte sich herausreden:
„Ich hab’ ja nur ein Leihinstrument mit.“ Trotz erheblicher Mängellisten
durften wir es alle wagen. Und die anfangs abkassierten 12,- DM waren für
die Gitarrenschule und nicht als Anzahlung für die fachgerechte Verschrottung
der Instrumente gedacht.
Nach dem Mittagessen kamen
wir schnell zur Offenbarung, auch wenn die täglichen Bibelarbeiten
mit Michael Psalmen behandelten. Wer bin ich? Welche Gitarrenkenntnisse
habe ich? Was möchte ich lernen bzw. vertiefen?
Gott sei Dank, die Runde der
zwölf TeilnehmerInnen begann am anderen Ende. Die Namen konnte ich
mir zunächst nicht merken, interessierte mich doch stärker: Was
können die anderen? (Um Himmels willen, hoffentlich nicht Noten und
Rhythmen! Dann könnte ich meiner Familie abends doch noch „Gute Nacht“
sagen.) Aber schon die ersten konnten Noten, o je. Und dann kam die Reihe
an Maiken. Ihren Namen habe ich im Schock sofort behalten. Sie ist Gitarrenlehrerin
für klassische Gitarre. Ich kriegte die Krise und war kurz vorm Abkippen,
wähnte ich mich doch auf einem Anfängerkurs. Und dann eine Gitarrenlehrerin.
(Die übrigens wirklich auch lernen wollte, nämlich Schlagrhythmen,
wie viele von uns.)
„Gelobt sei der Herr täglich.
Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“ Mein Lieblingspsalmvers
stand vor mir, als die Vorstellungsrunde sich mir näherte. Neben mich
hatten sich, (hatte der Herr), Anfänger gesetzt. Das war Öl auf
meine Wunden. Aber nicht lange. Mann, hatten die ein Rhythmusgefühl,
Naturtalente sozusagen. Kurzum, ich blieb, durfte bleiben, wie wir Zwölf
alle, bis zum 3. April. Und wenn die Flügel, pardon: die Finger zu
erlahmen drohten, war Wolfgang immer wieder der belebende Engel.
Er schaffte es, mit uns (fast)
die ganze Gitarrenschule in der kurzen Zeit durchzuarbeiten. Immer wieder
gab es mutmachende Worte und Lob von ihm, egal, ob einer/eine nun gerade
den D-Dur-Akkord oder die Flageolettstimmung schnell gelernt hatte. Wenn
es sein mußte, führte er unsere Hände, bis der Rhythmus
sich verinnerlicht hatte. Er nahm uns wirklich gut an die Hand. Höhepunkt
des ersten Tages: Nach mancher (wichtigen!) Theorie spielten wir gemeinsam
„Meister Jakob, Meister Jakob, schläfst du noch?“ zu 13 Gitarren.
Alles in E-Dur. (Ergreifend klang’s und wurde deshalb später wiederholt,
als Abschied und Dankesständchen an die MitarbeiterInnen in Haus und
Küche, die uns die Tage und Arbeit versüßten.)
Wie blühten wir dabei
auf? Wie die Rose von Jericho, die Michael zu einer Bibelarbeit mitgebracht
hatte. Die Stimmung in den zwei Tagen war super (ein Lieblingswort von
Wolfgang) und wir nicht totzukriegen. Unentwegte beschäftigten sich
sogar noch mit der Jazztonleiter. Andere knabberten weiter an den Slow-Rock-Varianten.
Und als es dann am zweiten Abend spät wirklich reichte, droschen manche
die Rhythmen weiter beim Skat oder schwitzten sich die Finger in der Sauna
wund.
Zu Hause angekommen, ging’s
gleich mit Junger Gemeinde weiter. Alle starten mich erwartungsvoll an.
Ich bat um Nachsicht: „Heut’ mal ohne Gitarre, bitte.“ Denn der Abschlußdurchlauf
vom Mittag steckte mir doch noch in den Fingern. Und ob die Rhythmen alleine
so gelingen würden? Ich wollte die Erwartungen nicht gleich enttäuschen.
Und dann juckte es doch in den Fingern. Und ich probierte einen neuen Rhythmus,
und der ging ganz gut. Da säuselte es leise in meinem Ohr: „Super,
Uwe!“, und ich antwortete leise: „Danke, Wolfgang.“
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