The Lovely Voice 25.10.1997 Geithain, St. Nikolai von rls Wenn es noch eines Beweises
bedurfte, daß Musik ein probates Mittel ist, um Leute in die Gotteshäuser
zu locken, so wurde er an diesem Abend erbracht. Trotz an Garstigkeit nicht
mehr zu überbietenden Wetters (Kälte, Regen, Sturm) und samstäglicher
ran-Bundesligazeit hatten sich erneut erstaunlich viele Leute in der Geithainer
Kirche eingefunden, um die Lovely Voices erschallen zu hören. Und
die Träger derselben bewiesen, daß sie diesem ebenso eleganten
wie anspruchsvollen Namen durchaus gerecht werden konnten. Zwar klang die
erste Strophe des Openers "Deep River" noch ein wenig unstimmig, aber diese
Anfangsschwierigkeiten verschwanden sofort, als die Stimmbänder richtig
"eingelaufen" waren. Dann nämlich gaben die unter dem Dach der Leipziger
Musikschule "Ottmar Gerster" probenden Lovely Voice ein Konglomerat aus
Gospels, Spirituals, Bluesen und vereinzelten Popsongs zum besten, das
es durchaus in sich hatte. Tracks wie "Go down, Moses" wurden mit der selben
Inbrunst geschmettert wie Sachen von Mariah Carey (wahrlich nicht technisch
anspruchslos) oder das göttliche "Black Velvet" von Alannah Myles.
Besonders die Backgroundchöre sorgten immer wieder für warme
Untermalungen, wohingegen einige der Sologesänge klangen, als hätte
man das Mikrofon mit einer Schicht Schaumstoff umwickelt (am Mikro kann´s
nicht gelegen haben, da andere Gesangssoli wiederum so klar wie Quecksilber
kamen). Für den dramatischen Höhepunkt des Sets sorgte der ansonsten,
wo nötig, die vier Saiten quälende Nico, der "Wonderful World"
mit einer solchen Theatralik darbot, daß er glattweg eine Textzeile
vergaß. Aber wie gesagt, auch die anderen Stimmbandakrobaten (sechs
Damen, ein Herr und ein Wesen, das nicht nur androgyn aussah, sondern auch
zwischen männlichen und weiblichen Gesangslagen hin und her pendelte)
konnten über weite Strecken überzeugen. Von den Instrumentalisten
hatte der für die Bläserfraktion zuständige Herr allerdings
die Arschkarte gezogen. Griff er nämlich zur Querflöte, so war
diese absolut nicht zu hören, bis kurz vor Ende des Sets jemand auf
die Idee kam, ihm zumindest bei den Flötensoli mal ein Mikro vors
Instrument zu halten ... Ob´s daran gelegen hat, daß das Geithainer
Publikum erst in der zweiten Hälfte des Sets richtig auftaute? Jedenfalls
wurden Lovely Voice zum Ende hin ordentlich abgefeiert und kamen ohne eine
Handvoll Zugaben nicht davon.
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